Die Saison 2019/20 ist für die SC-Profis die voraussichtlich letzte komplette im Schwarzwald-Stadion. Auch wir nehmen Abschied: Mit 18 Geschichten aus der Geschichte des Stadions. Heute erinnert sich der Vorsitzende des Fördervereins Freiburger Fußballschule, Udo Lay.
Wie wir 1985/86 derart in Abstiegsnot kommen konnten, verstehe ich im Nachhinein selbst nicht. Wir hatten eigentlich eine richtig gute Mannschaft: mit Siggi Grüninger im Tor, Libero Charly Schulz oder auch Jogi Löw in der Offensive. Ich selbst war ein defensiver Sechser und die nervenzehrende Zweitligasaison 85/86 meine allererste im SC-Trikot. Vom Freiburger FC war ich 1982 für drei Jahre zum MSV Duisburg gewechselt, ehe ich zurück in die Heimat wollte. Ich sah mir ein SC-Spiel bei Rot-Weiß Oberhausen an und fragte dabei den Präsident Achim Stocker, ob er nicht Verwendung für mich hätte. So liefen damals Transfers. (lacht)
Wieder in Freiburg hab ich die Fachhochschulreife nachgemacht und dann in Karlsruhe Architektur studiert. Ich pendelte täglich mit dem Zug: morgens Vorlesung in Karlsruhe, mittags Training in Freiburg. Das war anstrengend, aber ich wollte weder nur Fußballer noch allein Student sein. Unser senegalesisch-französischer Stürmer Sammy Sané begrüßte mich gern mit: „Ey! Architecte!“ Mit heute lassen sich die damaligen Verhältnisse beim SC nicht vergleichen: Vorm Duschen mussten wir oft erstmal die Silberfische verscheuchen. Ganz selbstverständlich benutzten wir Spieler die selben Toiletten wie die Gäste der Stadionwirtschaft. Mitunter stand man vorm Spiel also in Kickstiefeln und Trikot neben Zuschauern am Pissoir. Überhaupt gab es keine große Distanz zwischen Spielern und Fans. Man kannte und grüßte sich und trank auch mal was zusammen.
Ganz anders als seit der Volker Finke-Ära ab ’91 gab’s zudem ständig Trainerwechsel. In meinen sechs SC-Jahren hatte ich neun Trainer. In der dramatischen Saison 85/86 war erst Anton Rudinsky, dann Jupp Becker Trainer, ehe gegen Saisonende der frühere SC-Torwart Kurt Rettenberger und Spiel-Obmann Horst „Pit“ Zick übernahmen. Während Rettenberger das Training machte, agierte Pit quasi als Motivator oder Teammanager. Pit war beim SC eine Art Gegenpol zu Achim Stocker. Die beiden kabbelten sich ständig, brauchten sich aber irgendwie auch.
Gegen Saisonende waren wir so gut wie abgestiegen und man munkelte schon: Wer wechselt nach dem Abstieg wohin? Aber nach einigen unerwarteten Siegen lief es plötzlich besser. Ich denke, die späte Trendwende war primär eine Energieleistung der Mannschaft selbst, wobei Kapitän Charly Schulz das Wort führte und die Richtung vorgab. In der Traditionsmannschaft macht er das übrigens noch heute. Schließlich kam’s am letzten Spieltag zum Fernduell um den Klassenerhalt mit der Berliner Hertha. Zu Hause empfingen wir Union Solingen. 10.000 Zuschauer strömten ins Dreisamstadion, um uns zu unterstützen, was völlig ungewöhnlich war. Sonst hatte ich bei Heimspielen oft das Gefühl, jeden Zuschauer persönlich zu kennen. Im Ernst: Wir hatten im Schnitt so 3.000 Zuschauer, denke ich.
Gleich nach Anpfiff machte Solingen dann das 0:1, aber das warf uns nicht um. In den Vorwochen hatten wir unser Selbstvertrauen aufpoliert, sodass wir sicher waren, zu gewinnen – komme, was wolle. Auf Vorarbeit von Franz Weber und Jogi Löw machte ich das 1:1. Dass der heutige SC-Pressesprecher Sascha Glunk dieses Tor für das vielleicht wichtigste der jüngeren SC-Geschichte hält, lasse ich einfach mal so stehen. (schmunzelt)
Zur Halbzeit führten wir durch zwei Tore von Jogi dann 3:1. Und dabei blieb es. Pit Zick rief zwar immer wieder die Zwischenstände vom Hertha-Spiel bei Alemannia Aachen rein, dennoch bekam ich erst beim Abpfiff wirklich mit, dass Berlin 2:0 verloren hatte. Wir hatten den Abstieg also doch noch abgewendet. Fans kraxelten jubelnd über die Zäune aufs Feld und wir feierten später noch ausgiebig auf einem Weinfest, ich glaube, in Sankt Georgen. Das ging auf jeden Fall die ganze Nacht durch.
Aufgezeichnet von Timo Tabery