Hannes Wolf ist beim DFB als Sportdirektor verantwortlich für Nachwuchs, Training und Entwicklung und als Trainer für die Nationalmannschaft der U20-Junioren. Am Samstag war er zu Gast beim SC Freiburg und erläuterte im Gespräch seine „Trainingsphilosophie Deutschland“.
Herr Wolf, wofür braucht es eine „Trainingsphilosophie Deutschland“?
Hannes Wolf: Wir wollen allen Menschen in Deutschland helfen, die Kinder und Jugendliche trainieren, noch besseres Training zu machen. Dafür haben wir uns im Team zusammengesetzt und das Beste von früher mit dem Besten von heute garniert. Wir haben dieses Konzept mit sehr, sehr vielen Leuten erarbeitet und haben heute ein Produkt, mit dem wir die Leute unterstützen können. Wir bekommen viel Dankbarkeit, denn wir zeigen: Was ist wichtig? Was vielleicht nicht so sehr? Wie können wir gutes oder bestmögliches Training anbieten? Was gehört in welche Altersklasse? Wo wird Unterstützung benötigt? Wo müssen wir Dinge aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen wie der Ganztagsschule und immer weniger Bolzplätzen neu denken? Es macht Riesenfreude, das auch an einem Tag wie heute in Freiburg vorzustellen.
Was sind die wesentlichen Merkmale des Konzepts?
Hannes Wolf: Dass wir sehr, sehr viel spielen im Training, in möglichst kleinen Formaten wie dem 3 gegen 3, weil ich da einfach viel öfter den Ball habe als im 7 gegen 7. Das, was früher auf dem Bolzplatz stattgefunden hat, denn wenn ich dort zwei Stunden 4 gegen 4 gespielt habe, dann konnte ich das später im Training auch 11 gegen 11 spielen. Aber heute müssen die Formate klein sein, weil vor allem im Kinderfußball zu große Spielformate andere ausschließen. Beim 7 gegen 7 mit 14 Kindern sind eigentlich nur sechs involviert, die anderen sind lediglich anwesend. Wir wollen Fußball im Kinderbereich für alle haben, damit alle involviert sind und sich in ihrem Tempo entwickeln können. Und wir wollen Orte für die Mädels haben, aber wir wollen trotzdem auch Spitzenförderung und das kriegen wir alles mit einem Konzept. Wir haben gemerkt, dass wir hier noch großes Potenzial haben. Das ist auch gar nicht schlimm, denn ein paar Sachen sind einfach so passiert in der Sportentwicklung und die Gesellschaft hat sich nun mal verändert. Wir stoßen jedenfalls auf viel Offenheit, unfassbar viel Zuspruch und Zustimmung, und es ist total schön, dass heute der Südbadische Fußballverband mit dem SC Freiburg und dem DFB gemeinsam für das Thema einstehen.
Das ist ja durchaus eine Gemeinsamkeit mit den Sport-Quartieren: Gefördert werden Spitzensport und Breitensport gleichermaßen, oder?
Hannes Wolf: Wir wollten unbedingt etwas schaffen, was nicht nur für die Nationalmannschaft und die Bundesliga ist, sondern ein Produkt für das Training, das Niveau und altersunabhängig ist. Mit unserem Konzept fördern wir alles und alle. Wir wenden uns an die 80 Prozent nichtlizensierten Trainerinnen und Trainer in Deutschland, weil wir die Lebenswelt der Kinder verbessern wollen. Sowohl von denen, die später in den Leistungssport gehen als auch von denen, die im Breitensport bleiben, weil es wunderbar ist, mit einer Mannschaftssportart groß zu werden.
Es gibt immer weniger Trainer/innen, das Konzept funktioniert mehr oder weniger ohne sie, oder?
Hannes Wolf: Doch, wir brauchen unbedingt Trainerinnen und Trainer, aber wir brauchen auch Eltern auf dem Platz und Spielfeldbegleiterinnen und Begleiter. Wenn du in der F-Jugend eine große Gruppe hast und willst 2 gegen 2 spielen, dann hast du halt viele Felder. Und die alleine zu beaufsichtigen ist nicht so einfach. Der Einbezug von Eltern, die gar nicht Trainer/in sein müssen, die diesen Rhythmus bestimmen und den Kindern die Möglichkeit geben, Fußball zu erleben, da brauchen wir auf jeden Fall Unterstützung. Es gibt viele Eltern, die zurückmelden, dass das auch eine goldene Zeit ist mit ihren Kids, dass sie das erleben dürfen, denn vorher waren sie eher raus.
Die aktuelle Nationalmannschaft ist nicht mit diesem Konzept groß geworden, die hat anders Fußball spielen gelernt. Jetzt kommt die EM, welche Erwartung haben Sie an die deutsche Mannschaft?
Hannes Wolf: Wir hatten natürlich auch in der Nachwuchsausbildung im Spitzenbereich Dinge, die nicht ganz optimal gelaufen sind: zu viel Taktieren, zu viel Videoanalyse, etwas zu wenig Schwerpunkt auf die individuelle Entwicklung. Oder die Belastungssteuerung hat nicht gepasst, denn Training muss auch hart sein. Wir reden hier also nicht nur über das Konzept Kinderfußball, sondern auch über den absoluten Spitzenbereich. Wir sind Deutschland, wir haben eine riesige Fußballbegeisterung, das sehe ich überall, denn ich bin ja in ganz Deutschland unterwegs. Wir sehen es hier, was Freiburg für eine Fußballstadt ist. Aber in diesem Spitzenbereich sind in den letzten Jahren zu wenig Spieler herausgekommen, vor allem nicht auf allen Positionen. Trotzdem haben wir eine tolle Nationalmannschaft, die wunderbar Fußball spielen kann und die auch die Chance hat, bei der EM weit zu kommen. Aber jetzt müssen wir es auch für die Zukunft top machen, damit wir auf allen Positionen 20- bis 25-Jährige haben, die da reindrücken und die Vollgas geben. Junge Spieler eben, die es in der Bundesliga auf den Platz schaffen, so wie es auch der SC Freiburg schon oft geschafft hat.
Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch.