In der aktuellen cum-ratione-Studie zur Nachhaltigkeit von Fanartikeln ist der Sport-Club in das Feld der am zweitbesten bewerteten Vereine auf einen „Champions-League"-Platz nach vorne gerückt. SC-Merchandising-Leiter Florian Derstroff spricht über die Entwicklung dahin und die Anstrengungen, das Angebot an SC-Fanartikeln noch fairer zu machen.
Herr Derstroff, die Tabelle lügt angeblich nicht: Wo würde der SC Feiburg stehen, wenn es eine Nachhaltigkeitstabelle für das Fanartikel-Angebot der Bundesliga gäbe?
Derstroff: Natürlich wollen und können wir nicht die Arbeit der anderen Clubs bewerten – aber wir sind mittlerweile definitiv oben mit dabei. Das belegt auch die kürzlich erschienene, jüngste Studie der gemeinnützigen Organisation cum ratione. Dort werden wir mittlerweile im Vergleich der 36 Erst- und Zweitligisten in der zweitbesten von insgesamt sieben Kategorien eingeordnet. Das Ergebnis freut uns und ist gleichzeitig Ansporn, mit unseren Anstrengungen nicht nachzulassen, sondern die Fortschritte, die wir in den vergangenen Jahren gemacht haben, sukzessive auszubauen. Deshalb achten wir sehr bewusst auf Qualität, und Nachhaltigkeit ist da ein wichtiges Kriterium für uns. Das ist schon daran zu erkennen, dass wir Sonder-Shirts mit großer Auflage wie zum DFB-Pokalfinale 2022 oder zum Abschied von Christian Streich in Bio-Qualität produzieren ließen.
Nachhaltigkeit spielte in dem Bereich, den Sie verantworten, vermutlich noch keine so große Rolle, als Sie im Frühjahr 2017 beim Sport-Club angefangen haben?
Derstroff: Das stimmt. Nachhaltigkeit stand im Merchandising tatsächlich noch nicht vergleichbar zu heute im Fokus. Auch der Anteil an nachhaltigen Produkten im Merchandising war in meiner Anfangszeit hier tatsächlich noch sehr gering. Es gab ab und an mal ein Poloshirt aus Biobaumwolle, aber auf eine faire Produktion, Lieferketten, bestimmte Siegel, Zertifizierungen und ähnliches wurde noch nicht geachtet. Das hat sich erst im Laufe der vergangenen Jahre entwickelt. Auch wenn, das sollte schon dazu gesagt werden, der Verein ein verantwortungsbewusstes Handeln, auch im Bereich Nachhaltigkeit, ganz grundsätzlich schon zu dieser Zeit und auch viele Jahre davor angestrebt hat.
An was denken Sie da konkret?
Derstorff: An vieles. Das Pfand für Getränkebecher oder die Solaranlagen im Dreisamstadion bis hin zu den Maßnahmen, die in diesem Kontext beim Um- und Ausbau des Möslestadions zur Freiburger Fußballschule umgesetzt wurden. Auch im Merchandising haben wir uns dann Jahr für Jahr intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt, inzwischen ist es fest in unsere Strategie implementiert.
Wie kam es, dass Nachhaltigkeit dann auch imSC-Merchandising so an Bedeutung gewonnen hat?
Derstroff: Der Verein ist in den vergangenen Jahren auch mit dem Umzug in das Europa-Park Stadion stetig gewachsen, und das spiegelt sich auch im Bereich Merchandising wider. Nur um das ein bisschen zu illustrieren: Zu meiner Anfangszeit 2017 haben wir im Merchandising ungefähr 150 Produkte angeboten, mittlerweile sind es mehr als 650. Diese enorme Zunahme hat den Prozess beschleunigt, sich mit der gestiegenen Quantität auch dezidierter mit der Qualität der Produkte auseinanderzusetzen. Mittlerweile haben wir beispielsweise eine stärkere Position in Lieferantengesprächen, weil wir größere Mengen einkaufen. Die Folge war: Unser quantitatives Wachstum im Merchandising hat es auch begünstigt, dass wir qualitativ stärker geworden sind – nicht zuletzt, was die Nachhaltigkeit der Produkte angeht. Zumal sich parallel dazu der Markt genauso dynamisch verändert hat. Heißt: Es wurden plötzlich viel mehr fair hergestellte und gehandelte nachhaltige Produkte nachgefragt, was die Aufnahme in unser Sortiment auch einfacher gemacht hat.
Wie viele Produkte aus Ihrem aktuellen Sortiment genügen denn den Ansprüchen an eine nachhaltige Produktion?
Derstroff: Vom gesamten Sortiment zählen etwa 150 Artikel zum textilen Bekleidungsbereich, davon stammen 73 Prozent aus nachhaltiger Produktion. Wobei wir hier nochmal unterscheiden: Schals und Mützen sind für uns textile Accessoires. Die 73 Prozent gelten für textile Bekleidungsstücke: T-Shirts, Polos, Hoodies, Zip-Jacken, Trikots, Sportbekleidung.
Heißt das auch: Es ist Teil Ihrer Arbeit, aktiv nach Unternehmen zu suchen, die Ihnen gerade auch im Bereich Nachhaltigkeit entsprechende Angebote unterbreiten können?
Derstroff: Ja, das zählt zu unseren Hauptaufgaben. Wir sind auf Messen, besuchen potenzielle Lieferanten auch direkt vor Ort. Vergangenes Jahr waren wir zum Beispiel zusammen mit einem Partner in der Türkei, haben uns dort Produktionsstätten für Textilien angeschaut und hatten dabei auch direkten Austausch mit Mitarbeitenden. Solche Dinge sind wichtig, um zu verstehen, wie unsere Textilien entstehen, und wie wir es schaffen können, dass sie unter fairen Produktionsbedingungen in unsere offiziellen Fanshops gelangen. Was auch heißt: Transparenz in der Lieferkette zu haben und gegebenenfalls die erforderlichen Zertifizierungen einzufordern.
Als Verein könnten Sie sich das alles auch viel einfacher machen und wie der FC St. Pauli der Fair Wear Foundation beitreten, einer unabhängigen Non-Profit-Organisation mit großer Reputation und Glaubwürdigkeit, die alle Vorabüberprüfungen übernimmt.
Derstroff: Salopp gesagt ist das für uns aktuell – noch zumindest – eine Nummer zur groß. Mit Fair Wear arbeiten große, etablierte Modeketten zusammen.
Merchandise-Container des FC St. Pauli stehen – nur als Beispiel – auch auf großen Musikfestivals. Heißt: Der Fokus liegt da längst gar nicht mehr ausschließlich auf Fußball. Wir wollen unseren Fans Produkte anbieten, die hohen Qualitätsstandards unterliegen, und von denen möglichst viele aus fairer Produktion kommen.
Setzen Sie sich intern konkrete Ziele, etwa: Bis zum Zeitpunkt X wollen wir soundsoviele Produkte nachhaltig produzieren?
Derstroff: Wir haben, denke ich, über die vergangenen Jahre hinweg mit den 73 Prozent nachhaltigen Artikeln im Textilbereich eine vernünftige Basis geschaffen. Natürlich ist das Ziel, da mittelfristig die 80 Prozent zu schaffen. Jedoch wird man auch immer einen gewissen Anteil an Polyester-Artikeln aus nicht recycelten Garnen im Sortiment eines Fußballvereins finden. Gleiches gilt auch zum Beispiel für textile Accessoires wie Schals oder Mützen, bei denen wir auf absehbare Zeit zumindest ein Drittel aus nachhaltiger Produktion anbieten wollen. Grundsätzlich scheint es mir wichtig, dass wir beim Thema Nachhaltigkeit erstmal mit unseren Kernprodukten lernen und unsere Schlüsse ziehen, dort gute Quoten erzielen – und das dann in der Folge auf weniger zentrale Bereiche erweitern.
Sie sagten, der Sport-Club hat mittlerweile 650 Artikel im Angebot. Wer sucht diese aus – und nach welchen Kriterien?
Derstroff: Da gibt es schon einige Vorgaben und Leitplanken: Wir haben erstmal einen Pool von Artikeln unseres Ausrüsters, die wir gemeinsam auswählen, aber hier auch eine gewisse Anzahl von Artikeln, die vertraglich fixiert ist. Daneben gibt es unseren Eigenmarkenbereich, also die Marke SC Freiburg. Hier setzen wir uns natürlich interne, qualitative Standards, an denen wir uns orientieren. Wir haben im Laufe der Jahre das Sortiment wesentlich breiter und tiefer gestaltet, es ist für jeden Fanwunsch etwas dabei. Darüber hinaus wollen wir ihnen die Möglichkeit geben, ihre eigenen Wünsche einfließen zu lassen, und machen daher einmal im Jahr eine Umfrage unter den Fans.
Sie haben als erstes die Ware des Ausrüsters genannt: Welchen Einfluss hat der Verein bei der Auswahl dieser Artikel?
Derstroff: Erstens wählt der Verein seinen Ausrüster nach unterschiedlichen Kriterien selbst aus. Und mit Nike und 11Teamsports arbeiten wir seit vier Jahren sehr gut und erfolgreich zusammen. Wir haben es beispielsweise gemeinsam mit unserem Ausrüster geschafft, dass alle Nike-Artikel aus Polyester aus dem Trikot- und Sportbereich, die wir im Sortiment haben, aus recyceltem Polyester hergestellt werden. Nike hat da seine „Move-to-Zero“-Kampagne entwickelt, in deren Rahmen eingeschmolzene Plastikflaschen zu Garn verarbeitet werden, aus dem dann wiederum Trainingskleidung und Trikots entstehen. Produziert wird in Europa, auch die Lieferwege sind dadurch kürzer – da ist schon einiges in Bewegung gekommen. Auch insgesamt im Bereich Nachhaltigkeit.
Interview: Uli Fuchs
Die komplette Cum-ratione-Studie gibt es unter: www.cum-ratione.org. Das Fazit der Studie über den Sport-Club lautet: „Der SC Freiburg setzt seinen Weg nach oben weiter fort und zu den drei bestplatzierten Clubs fehlt nicht mehr viel. Dreht der Verein zukünftig an ein paar kleinen Stellschrauben (...), können die Freiburger im Meisterrennen bald ein ernstes Wörtchen mitsprechen."
Dieses Interview erschien in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.