In der Freiburger Fußballschule galt es mit dem Abstieg der U23 Abschied von der 3. Liga zu nehmen, während die U19 zum siebten Mal im DFB-Pokalfinale stand. Andreas Steiert und Martin Schweizer über Wehmut, Stolz, neue Ligen und Konstanten in der Ausbildungsarbeit.
Herr Schweizer, Herr Steiert, hinter Ihnen liegt wieder eine ereignisreiche Saison: Die U23 ist nach drei Jahren in der 3. Liga in die Regionalliga abgestiegen. Dafür hat die U19 als ungeschlagener Oberliga-Meister eine tolle Saison gespielt und das Finale im DFB-Pokal der Junioren erreicht. Wie blicken Sie mit etwas Abstand auf das vergangene Fußballjahr zurück?
Steiert: Zunächst aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Aber auch wenn man die Themen aufarbeitet, die weniger erfreulich waren, bleibt insgesamt doch ein positives Fazit. So sind trotz des Abstiegs der U23 zur neuen Saison wieder einige Spieler in den Profikader aufgerückt Was natürlich ein ganz wichtiges Ziel unserer Arbeit ist. Wir können auch sagen, dass wir die Zeit in der 3. Liga sehr genossen haben. Und wir schließen nicht aus, dass wir vielleicht irgendwann wieder dort spielen.
Hat sich, mit zeitlichem Abstand, der Stolz über das erneute Erreichen des DFB-Pokalfinales der Junioren inzwischen über die Enttäuschung, es unglücklich verloren zu haben, durchgesetzt?
Steiert: Natürlich war der Saisonabschluss der U19 mit dem DFB-Pokalendspiel in Babelsberg für uns ein Highlight. Die Mannschaft hat sich trotz der knappen Niederlage (2:3 nach Verlängerung gegen die TSG Hoffenheim, Anm. d. Red.) toll verkauft. Deshalb schwingt da immer noch eine Mischung aus Wehmut und Stolz mit. Und was die U23 betrifft: Wir haben über die Jahre gelernt, immer wieder auch negative Rückschläge anzunehmen und in positive Energie umzumünzen.
Schweizer: Wir haben ja im Laufe der Saison schon einiges dazu gesagt. Zunächst darf nicht vergessen werden, dass die 3. Liga auch ein tolles Schaufenster ist. Folgerichtig haben wir nach der vorletzten Saison mit dem Weggang etlicher Spieler auch viel Qualität verloren. Philipp Treu, der zum FC St. Pauli gewechselt ist, oder Yannik Engelhardt und Vincent Vermeij, die jetzt bei Fortuna Düsseldorf spielen, kann man da stellvertretend nennen.
Insgesamt waren es sogar 18 Spieler, die die Zweite Mannschaft im vergangenen Sommer verlassen haben – es folgte ein gewaltiger Umbruch.
Schweizer: Was auch mit dem großen Erfolg in der Saison zusammenhängt. Unsere Philosophie ist es aber nicht, für die U23 dann sofort Spieler mit einer vergleichbaren Qualität zu verpflichten, sondern wieder jungen, entwicklungsfähigen Spielern die Chance zu geben. Der Prozess des Zusammenwachsens hat in der vergangenen Saison länger gedauert. Dazu haben einige Schlüsselspieler der U23 – was ja auch unser Auftrag ist – regelmäßig bei den Profis trainiert und gehörten dort auch zum Kader, gerade in der Hinrunde. Das hat man von den Leistungen her und an den Ergebnissen gemerkt. In der Rückrunde hat sich das gedreht, als wir meist auf Augenhöhe gespielt haben. Aber die Hypothek von nur neun Punkten zur Winterpause war am Ende zu groß.
Steiert: Hinzu kam, dass uns mehrere Spieler wie Oscar Wiklöf, Alessio Besio oder Niklas Sauter wegen Verletzungen fast die gesamte Saison gefehlt haben. Alle drei sind weiter Teil unserer wieder sehr jungen U23.
Neben den Profidebüts von Fabian Rüdlin und Maximilian Breunig zählte zu den erfreulichen Aspekten der vergangenen Saison, dass mehrere U19-Spieler schon Spielpraxis in der 3. Liga sammeln konnten.
Schweizer: Es waren sogar sieben Spieler, die noch für die U19 spielberechtigt gewesen sind und schon Drittligaspiele bestritten haben. Diese Spiele im Herrenfußball helfen ihnen natürlich dabei, um jetzt auch in der Regionalliga etwas schneller Fuß fassen zu können. Obwohl das Leistungsniveau dort ebenfalls sehr hoch ist.
Zur U23 zählen jetzt sogar zwölf bisherige U19-Spieler des Jahrgangs 2005. Ungewöhnlich, oder?
Steiert: Dieser Jahrgang hat nicht zuletzt mit dem Pokalfinaleinzug gezeigt, welche Qualität auch in der Breite in ihm steckt. Aber wie immer war uns wichtig, den jungen Spielern, von deren Entwicklungspotenzial wir überzeugt sind, eine gute Struktur an die Hand zu geben. Auch durch erfahrene „Stützenspieler“ wie es Patrick Lienhard und Fabian Rüdlin weiterhin sind sowie die Neuzugänge Mathias Fetsch und Marc Hornschuh.
Nach dem Weggang von Thomas Stamm hat die U23 auch einen neuen Cheftrainer: Benedetto Muzzicato.
Schweizer: Lars Voßler, Co-Trainer der Profis, hat Benedetto vor einigen Jahren während seines
Pro-Lizenz-Lehrgangs kennengelernt und ihn uns als sympathischen und inhaltlich spannenden Trainer empfohlen. Wir beide haben uns dann vor zwei Jahren vor dem DFB-Pokalfinale der Profis gegen RB Leipzig in Berlin mit ihm getroffen und intensiv über Fußball und Spielideen ausgetauscht. Danach haben wir weiter Kontakt gehalten.
Steiert: Als klar war, dass Thomas Stamm uns im Sommer verlässt, haben wir einen Prozess gestartet, mit externen und internen Kandidaten. Am Ende haben wir uns für die jetzige Konstellation entschieden. Wir glauben, dass Benedetto Muzzicato als Trainer sehr gut zu unseren komplexen Aufgaben im Übergangsbereich vom Jugend- zum Erwachsenenspieler passt.
Apropos Übergangsbereich: Sicher war Ihre Freude groß, als der bisherige Verbindungstrainer Julian Schuster neuer Cheftrainer des SC Freiburg wurde.
Schweizer: Die Freude war natürlich sehr groß. Ich weiß nicht, ob es das bisher schon in einem anderen Club gab, dass der Trainer, der für die Talententwicklung federführend war, dann zum Cheftrainer wird. Und er ist ja nicht der erste Trainer, der über die Freiburger Fußballschule den Weg zu den Profis geht.
Seine Position als Verbindungstrainer zwischen der U23 und den Profis hat Felix Roth übernommen.
Steiert: Ja, und bereits seit der vergangenen Saison gibt es mit Johannes Flum zusätzlich einen Verbindungstrainer zwischen der U19 und der U23. Auch da ist es wichtig, einen Trainer zu haben, der sich individuell um einzelne Spieler und ihre Entwicklung kümmert.
Bei der U19 und der U17 werden die bisherigen Junioren-Bundesligen diese Saison von den neuen DFB-Nachwuchsligen abgelöst. Dafür sind alle Vereine mit einem Nachwuchsleistungszentrum automatisch qualifiziert. Absteiger gibt es künftig nicht mehr. Was versprechen Sie sich von der neuen Struktur?
Steiert: Wir haben uns schon mehrere Jahre für diese Lösung eingesetzt. Jetzt sind wir gespannt und freuen uns, das zu begleiten. Wichtig war uns, dass der Negativeffekt, mal einen schwächeren Jahrgang zu haben oder mit Verletzungen kämpfen zu müssen, nicht zu groß sein darf. Dass wir den Druck des Abstiegs wegnehmen, es aber trotzdem noch um eine Meisterschaft geht.
Wie sieht der Modus der DFB-Nachwuchsligen aus?
Steiert: In der Vorrunde werden in regionalen Gruppen mit acht Teams Hin- und Rückspiele ausgetragen. In der zweiten Saisonhälfte verzweigt sich die DFB-Nachwuchsliga in Liga A und B. Für Liga A qualifizieren sich 24 Mannschaften aus der Vorrunde, die anderen Teams und elf weitere Clubs aus Nicht-Leistungszentren, die sich gesondert qualifizieren, starten in Liga B. In Liga A spielen deutschlandweit vier Gruppen mit maximal sechs Mannschaften gegeneinander. Die ersten vier jeder Gruppe ziehen ins Achtelfinale um die Deutsche Meisterschaft ein, ab dem es im K.o.-Modus weitergeht.
Schweizer: Im Jugendbereich geht es vor allem um die Entwicklung der Spieler und nicht in erster Linie um Leistung, die auf den Punkt gebracht werden muss. Das neue System ist deshalb eine gute Kompromisslösung für die Vereine und den DFB bei der Zielsetzung, Nachwuchsspieler bestmöglich auszubilden. Es gibt weiterhin den Wettkampf, aber keinen Abstieg mehr. Und auch die Trainer sind in ihrem Handeln freier, wenn sie weniger auf das reine Ergebnis schauen müssen.
Als erste Mannschaft ist die U23 in die neue Saison gestartet. Wie lautet dieses Jahr die Zielsetzung?
Steiert: An einem Tabellenplatz haben wir das nie festgemacht. Wir würden sehr gerne eine sorgenfreie Saison in der Regionalliga spielen – und unseren jungen Spielern eine gute Entwicklung ermöglichen.
Interview: Dirk Rohde und Alexander Roth