Als Ausbildungsverein liegt das Hauptaugenmerk in der Freiburger Fußballschule auf der sportlichen und persönlichen Entwicklung und Heranführung von Toptalenten an den Profifußball. Umso schöner, dass die U23 damit aktuell auch noch besonders erfolgreich ist und sich als Tabellenführer der Regionalliga Südwest in die Winterpause verabschiedet.
Wir haben zum Ausklang des Kalenderjahres mit Johannes Flum gesprochen. Der 33-jährige Mittelfeldmann ist den Freiburger Weg gegangen und nach Stationen bei Eintracht Frankfurt und St. Pauli in diesem Sommer für den Herbst seiner Karriere in die Heimat zurückgekehrt. Beim SC Freiburg II geht der gebürtige Waldshuter nun als Kapitän voran.
scfreiburg.com: Flumi, weißt Du zufällig, was das Jugendwort des Jahres 2020 ist?
Johannes Flum: Da muss ich passen, aber ich kann mir vorstellen, wieso Du fragst (lacht).
Ja?
Ja, klar, weil ich jeden Tag mit sehr vielen jungen Leuten zu tun habe.
Tatsache. Daran anschließend vielleicht: Wie steht’s um Deinen Musikgeschmack?
Das kommt ganz drauf an (lacht). Meine kleine Tochter hört ganz gerne Musik, da gehen wir im Moment gefühlt Tag und Nacht und querbeet alle Kinder-Weihnachtslieder durch. In dem Bereich kenne ich mich mittlerweile also ganz gut aus. Sonst höre ich zu Hause gerne ruhigere Musik zum Abschalten, aber auch mal House.
Wie sehr kannst Du mit Kinder-Weihnachtsliedern in der Kabine punkten?
Vor unseren Spielen haben wir eine Playlist. Da kann sich jeder eintragen. Dafür ist der eine oder andere im Team zuständig, ich eher weniger. Die Jungs machen das schon ganz gut, da höre ich dann gerne auch mal HipHop. Das ist ein bisschen lauter und motivierender – und hat uns bisher in der Saison auch Erfolg gebracht.
Das Jugendwort des Jahres ist übrigens "lost". Du bist im Sommer zurück nach Freiburg gekommen. Hast Du Dich in irgendeinem Moment lost gefühlt?
Nein, gar nicht. Ich habe sofort wieder eine Verbindung gehabt. Zum Verein, zu den ganzen Leuten, ich bin auf viele bekannte Gesichter gestoßen. Mit meinem Teamkollegen Felix Roth habe ich zusammen in der Jugend gespielt und in meinem ersten Profi-Jahr zusammen mit ihm gewohnt. Unser Co-Trainer Uwe Staib war mein U16-Trainer, und auch unseren jetzigen Verbindungstrainer Julian Schuster und unseren Torwarttrainer Michael Müller kenne ich schon von früher. Das war total schön für mich. Und zu den anderen Jungs, die ich erst neu kennengelernt habe, war auch gleich eine Beziehung da.
Deine Teamkollegen sind im Schnitt um die 15 Jahre jünger als Du. Wie kommst Du mit Deiner neuen Rolle zurecht?
Es ist eine andere Rolle als die, die ich bei St. Pauli oder bei der Eintracht hatte. Sandrino (Braun-Schumacher, Teamkollege, d. Red.), Felix und ich sind die ältere Garde, sonst sind wir nur junge Spieler. Ich musste mich am Anfang ein bisschen reinfinden. Aber zum Glück hatten wir ja in diesem Jahr häufig Erfolgserlebnisse. Dann funktioniert das Ganze leichter.
Wie kannst Du den jungen Spielern helfen?
Ich habe vielleicht ein bisschen einen anderen Blickwinkel, weil ich Erfahrung mitbringe und mich auch für das Drumherum, zum Beispiel für die Trainersicht, interessiere. Es ist aber nicht so, dass ich morgens in die Kabine komme und mir vornehme: Heute spreche ich mit Spieler A, morgen mit Spieler B. Und es geht auch nicht nur darum, sich Ratschläge zu holen oder Ratschläge zu verteilen, wenn es nicht gut läuft. Sondern auch dann, wenn es ganz gut läuft, um zu schauen, was man noch besser machen kann. Mindestens genauso profitieren wir aber auch von den Jungen.
Inwiefern?
Sie haben eine gute fußballerische Ausbildung, die hatte ich natürlich auch. Uwe Staib, Christian Streich, Klemens Hartenbach, das waren alles auch meine Trainer. Aber mein Eindruck ist, dass die Jungs noch nicht so viele Sorgen mit sich rumtragen und einfach unbekümmerter sind. Diese Unbekümmertheit sollte man sich im Sport auch in höherem Alter bewahren. Es ist also ein Geben und Nehmen und bisher klappt das sehr gut. Wir haben ganz viel Spaß und trotzdem einen gegenseitigen Respekt. Das ist ganz wichtig.
Sportlich läuft die Saison bisher viel besser als erhofft. Mit neun Siegen, drei Remis, zwei Niederlagen und 30 Punkten geht der SC II als Tabellenerster in die Winterpause. Wie erklärst Du Dir den Lauf?
Was ich so mitbekommen habe, haben die Jungs das eine oder andere Jahr gebraucht, um sich zu entwickeln und auch gemerkt, dass der Herrenfußball noch mal etwas anderes ist als der Jugendfußball. Sie sind körperlich stabiler geworden und bekommen ihre wahnsinnige fußballerische Qualität gut auf den Platz. Außerdem ist das Miteinander besonders. Unser Trainer Christian Preußer sagt immer wieder, dass wir alle Mann brauchen und bisher war das genau so. Jeder bekommt seine Minuten. Dieser gute und gesunde Konkurrenzkampf treibt uns nach vorne, weil ihn jeder positiv annimmt. Die Jungs, die im Moment hintendran sind, sind selbstkritisch und gönnen auch dem Nebenmann den Erfolg.
Corona hat in diesem Jahr unser aller Leben verändert. Im höherklassigen Fußball hieß das: Spiele wurden abgesagt, die Ligen unterbrochen, Spiele verschoben, es gab viele Englische Wochen. Wieso hat der SC II scheinbar unbeirrt Spiel um Spiel gewonnen?
Da sind wir wieder bei der Unbekümmertheit. Unser Team ist im Vergleich zu anderen in der Liga jung. Natürlich beschäftigen wir uns alle mit dem Thema Corona und gehen auch professionell und verantwortungsbewusst mit den Maßnahmen um. Aber die Jungs machen sich einfach nicht so eine Platte. Wir haben keinen Einfluss darauf, ob und wann wir spielen dürfen. Und wenn wir spielen dürfen, dann feuern wir eben alles raus.
Die SC-Profis hatten da einen deutlich holprigeren Start, zumindest was die Ergebnisse anging, überwintern nach einem starken Bundesliga-Schlussspurt aber auf dem zehnten Tabellenplatz. Schaust Du die Spiele der Profis noch an?
Als ich bei St. Pauli gespielt habe, war ich mit Hamburg so weit weg, da habe ich – auch wenn man das bei St. Pauli nicht so laut sagen darf – eher noch den HSV verfolgt. Weil wir in der gleichen Liga gespielt haben. Jetzt verfolge ich Freiburg aber schon wieder sehr intensiv. Aus meiner Zeit kenne ich noch Günni und Chicco (Kapitän Christian Günter und Mittelfeldmann Nicolas Höfler, d. Red.), und auch Christian Streich, Lars Voßler, Patrick Baier, Andreas Kronenberg und Julian Schuster waren damals schon da. Es macht mir Spaß, die bekannten Gesichter wiederzusehen, und ich freue mich, dass nach dem etwas holprigen Start, bei dem man auch schon Spiele hätte gewinnen können, jetzt auch die Ergebnisse kommen.
Sowohl in der Bundesliga als auch in der Regionalliga ist nun erst einmal Pause. Wie verbringst Du die Weihnachtstage?
Wahrscheinlich wie alle Menschen weltweit: sehr ruhig. Dieses Jahr sind es definitiv ruhige Tage. Ich freue mich darauf, meine Familie zu sehen, die jetzt wieder gleich um die Ecke wohnt. Das war in Hamburg anders. Alles andere – Freunde und Bekannte in einer größeren Runde – holen wir hoffentlich bald nach.
Schon Anfang Januar geht es nach derzeitigem Stand im Spielbetrieb weiter. Was hast Du Dir sportlich mit den Kollegen für das Jahr 2021 vorgenommen?
Wir hoffen, dass wir die Runde zu Ende spielen können. Das ist dieses Jahr schwierig zu planen. Wir wollen natürlich weiter erfolgreich Fußball spielen, aber man muss ganz klar sagen, dass wir die Messlatte da sehr hoch gelegt haben. Unabhängig davon freuen wir uns, wenn der eine oder andere jüngere Spieler wieder im Training dabei ist, dann auch spielen kann und den Freiburger Weg geht.
Und was wünschst Du Dir ganz persönlich?
Für meine Familie und mich wünsche ich mir Gesundheit und viele, viele Begegnungen. Das würde nämlich heißen, dass wir Corona besiegt hätten. Das wäre natürlich das Schönste.
Interview: Sina Ojo
Fotos: Achim Keller