Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei Hertha BSC kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Gabor Kiraly
Heimspiel: Herr Kiräly, seit sechs Jahren betreiben Sie einen Onlineshop für Sportbekleidung. Zu kaufen gibt es dort auch Ihre berühmte graue Jogginghose ...
Gabor Kiraly: Ich wurde während und nach meiner Karriere von so vielen Menschen gefragt, wo es die graue Hose zu kaufen gebe. Also lasse ich die Hose mit gleichem Stoff und gleichem Schnitt selber herstellen und vertreibe sie neben Torwarthandschuhen und anderen Sporttextilien. Ich verschicke sie nach Australien, nach China, nach Finnland. Die meisten Käufer kommen aber aus Deutschland.
Sie werden die Geschichte schon 1000 Mal erzählt haben, aber bitte noch einmal für uns: Wie kam es dazu, dass Sie diese Hose bei Spielen stets trugen?
In der Tat werde ich jeden Tag auf die Hose angesprochen. Aber ich erzähle die Geschichte gern: Es war 1996. Bei meinem Heimatverein Haladas Szombathely ging freitagabends die Waschmaschine kaputt, und ich hatte nur die eine schwarze Torwarthose, die bis zum Spiel am Samstag nicht mehr sauber wurde. Also kramte der Zeugwart eine graue Hose hervor - und in dieser gewannen wir das Spiel. Danach dachte ich: Vielleicht lag es ja an der Hose. Also behielt ich sie für den Rest der Saison an. Wir blieben acht, neun Spiele in Folge ungeschlagen, kassierten nur zwei Gegentore, schafften den Klassenerhalt. Und von da an zog ich die graue Hose nicht mehr aus.
In Deutschland und besonders bei der Hertha wurden Sie zur Legende, nicht nur der Hose wegen. Vor allem in der Saison 1998/99 waren Sie nahezu unbezwingbar.
Das war eine wahnsinnig erfolgreiche Saison. Es war mein zweites Jahr in Berlin. Das erste hatte ein wenig holprig begonnen, schließlich musste ich mich erst mal kulturell an eine neue Stadt gewöhnen, zumal ich aus einer 80.000-Einwohner-Stadt kam und Berlin den einen oder anderen Einwohner mehr hatte. Aber ich fand mich schnell zurecht, auch weil mir der Verein in so vielen Bereichen eine tolle Hilfe war, etwa beim Erlernen der Sprache. Im zweiten Jahr also, der Saison 1998/99, hatten wir einen tollen Teamspirit und wurden am Ende Dritter. Das bedeutete für die nächste Saison: Champions League.
Und auf einmal liefen Sie im Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailand auf, im Camp Nou in Barcelona, trafen auf Gegenspieler wie Luis Figo, Rivaldo, Paolo Maldini oder Andrej Schewtschenko.
Gegen solche Vereine und Größen des Fußballs anzutre- ten, war eine Riesenehre. Diese Erlebnisse bleiben für die Ewigkeit.
Es war ja auch nicht so, dass Berlin nur Spalier stand für die großen Vereine. In der Vorrunde besiegten Sie Chelsea 2:1, spielten 1:1 beim AC Mailand, wurden Gruppenzweiter und schafften überraschend den Sprung in die Zwischenrunde.
Zugute kam uns, dass die Gegner uns nicht wirklich kannten und uns ein wenig unterschätzten. Außerdem konnten wir locker aufspielen, wir hatten keinen Druck. Und ja, wir waren auch echt ein gutes Team, so ein bisschen wie der SC Freiburg heute: ohne die ganz großen Stars, dafür aber mit einer extrem guten Einstellung und einem fantastischen Trainer Jürgen Röber. Die Spiele auf internationaler Bühne waren für den Verein und die Stadt damals einmalig – und für mich natürlich auch.
Einmalig war auch Ihre Karriere in der Nationalmannschaft: 108 Länderspiele – so viele hat bislang kein ungarischer Torhüter. Und dann die EM 2016 als krönender Abschluss, als Sie noch mit 40 Jahren zwischen den Pfosten standen.
Dieses Turnier war ein Fest, nicht nur sportlich. Ein Highlight war das 3:3 in der Vorrunde gegen Portugal, den späteren Europameister. Wir blieben in der Vorrunde ungeschlagen, flogen dann aber im Achtelfinale mit 0:4 gegen Belgien raus. Nach der Europameisterschaft konnte ich sehr zufrieden meine internationale Karriere beenden.
Einer hatte zu jenem Zeitpunkt seine Karriere in der ungarischen Nationalmannschaft gerade erst begonnen: Roland Sallai.
Ich stand noch gemeinsam mit ihm auf dem Platz, habe ihn als jungen Spieler erlebt: Hat er mal einen Ball verloren, ist er sofort hinterher. Er gibt niemals auf. Zudem hat er einen guten Schuss. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, als er in die Bundesliga gewechselt ist, zudem zu einem Verein wie dem SC Freiburg, wo er sich noch toll entwickeln konnte.
Und wo er sich toll entwickelt hat. Roland Sallai träumt von einem Sprung in die Premier League. Sie hatten den Schritt 2004 auch gewagt, wechselten von Hertha BSC zu Crystal Palace, wo Sie drei Jahre lang spielten.
In meinem ersten Jahr dort haben wir noch in der Premier League gespielt, sind dann aber leider abgestiegen. Körperlich geht es in England schon noch mal anders zur Sache als in der Bundesliga. Wenn Roland da noch zulegt, kann er aus meiner Sicht mithalten. Ich habe in meiner Karriere immer gesagt: Man sollte keine Träume haben, sondern einfach nur jeden Tag hart arbeiten – dann wird man schon dafür belohnt.
Christian Engel
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