Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim VfL Bochum kommt in Heimspiel eine der Legenden des kommenden SC-Auswärtsgegners zu Wort: Michael Lameck.
Herr Lameck, gibt es eigentlich irgendeinen Menschen auf dieser Welt, der Sie Michael nennt?
Michael Lameck: Also hier in Bochum auf keinen Fall. Wenn mich jemand Michael riefe, würde ich mich noch nicht mal umdrehen. Hier bin ich für alle einfach nur der "Ata".
Ein Spitzname wie ein Scheuermittel. Warum rief man Sie nicht "Michi" oder vielleicht "Lammi", sondern ausgerechnet "Ata"?
Ich komme noch aus der Generation, als man nach der Schule daheim schnell zu Mittag aß und und dann raus auf den Bolzplatz ging. Wir hatten um die Ecke einen Ascheplatz, wo wir stundenlang kickten. Das war aber noch kein Platz mit roter Asche, sondern klassich mit schwarzer. Dementsprechend sahen wir am Ende aus. Ständig duschen war damals nicht üblich, wir waren ja Nachkriegskinder, da wurde noch gespart. Also nahm meine Mutter einen Eimer Wasser und viel Ata, um mich sauber zu kriegen. So entstand mein Spitzname. Es gibt noch eine lustige Anekdote zu dem Namen...
...nur zu.
Als der VfL Bochum in der Saison 1997/98, lange nach meinem Karriereende, im UEFA-Cup spielte, hängten die Fans in Amsterdam ein Banner mit einem witzigen Spruch auf: "Ihr habt Ajax, wir haben Ata." Das fand ich sehr amüsant.
Wenn Sie immer der kohlrabenschwärzeste auf dem Ascheplatz waren, sagte das dann etwas über Ihre Spielweise aus? Sind Sie schon da als Verteidiger stets am Grätschen gewesen?
Gegträtscht habe ich nicht viel, ich habe als Jugendlicher häufig auch im Sturm gespielt. Aber ich habe wirklich immer Vollgas gegeben auf dem Platz: als Kind, als Jugendlicher, als Profi. Sobald ich auf dem Platz war, konnte mich keiner bremsen. Diesen Willen habe ich schon früh in mir gehabt. Ich denke, die Lust am Laufen und Rennen kam auch daher, dass wir als Kinder einfach viel laufen mussten. Für die Straßenbahn hatten wir jedenfalls kein Geld.
Sie sind in Essen groß geworden und 1972 von Schwarz-Weiß Essen zum VfL Bochum gewechselt...
...und dort eine Weile geblieben.
Bis 1988 haben Sie für den VfL in der Bundesliga gespielt, sind in diesen Jahren mit 518 Einsätzen zum Rekordspieler des Vereins aufgestiegen. Das Unfassbare dabei: Sie haben in dieser Zeit gerade mal acht Spiele verpasst. Wie war das möglich?
Ich hatte das große Glück, immer gesund zu bleiben.
Und das wars, einfach nur Glück? Wie stand es mit der Ernährung, mit täglichem Yoga, mit ausreichend Schlaf?
Ernährung? Süßigkeiten (lacht)! Ich muss Sie enttäuschen, es war einfach pures Glück. Ich konnte nichts dafür, dass ich nie verletzt war. Oder kaum verletzt. Denn ich ärgere mich schon über die paar wenigen verpassten Spiele. Einmal hatte ich eine Leistenoperation, ein anderes Mal saß ich mit einer Gehirnerschütterung auf der Tribüne. Ansonsten habe ich quasi durchgespielt - und so kommt man eben mal auf 518 Spiele.
Jede Saison ging es für Sie und den VfL einzig um eines: den Klassenerhalt.
Abstiegskampf war an der Tagesordnung. Wir wussten direkt zum Saisonstart, dass wir am Ende wohl keinen einstelligen Tabellenplatz erreichen würden - und so sind wir dann auch die gesamte Saison über aufgetreten, stets mit der richtigen Einstellung.
Was war und ist außerdem wichtig im Abstiegskampf?
Wir hatten den Vorteil, dass wir einen Stamm an Spielern hatten, die über viele Jahre zusammengeblieben sind - und die auch aus der Region kamen, sich mit dem Verein identifizierten. Da passte alles, auch das Drumherum im Verein. Wir waren entschlossen und geschlossen - heute fallen mir dazu außer der eigenen Mannschaft noch Teams wie Frankfurt, Union Berlin oder Freiburg ein. Wie das kleine Freiburg da oben mitmischt, ist sensationell. Es freut mich sehr, dass der SC so erfolgreich ist.
Apropos Freiburg: In Ihrer äußerst ruhrpottlastigen Vita gibt es ein klitzekleines Freiburg-Kapitel.
Und das kam so: Nach dem Ender meiner aktiven Zeit beim VfL Bochum hatten Verantwortliche des Freiburger FC angeklopft, ob ich nicht für sie spielen wollte. Ich war gesund, hatte noch Lust zu kicken, also nahm ich das Angebot an. Immer donnerstags fuhr ich runter, trainierte, spielte am Wochenende in der Oberliga und fuhr wieder heim zu meiner Familie nach Bochum. Ich war zwischendurch sogar Spielertrainer. Ich hatte aber von Anfang an gesagt: Wenn der VfL ruft, dann muss ich zurück. Und nach einem halben Jahr in Freiburg rief der VfL an. Sie wollten mich als U19-Trainer haben. So war die Zeit in Freiburg schnell wieder zu Ende. Ich habe sie aber genossen. Das Möslestadion war toll, die Menschen unglaublich herzlich, das Wetter wirklich immer nur schön. Aber Bochum ist eben meine Heimat.
Interview: Christian Engel
Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel".
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