Roth: "Im Fallen unter die Latte"

Profis
04.04.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor den beiden Spielen gegen den FC Bayern München im DFB-Pokal und in der Liga kommt eine der Legenden des nächsten SC-Gegners zu Wort: Franz Roth.

Herr Roth, eines verwundert bei Ihrer Biografie: Wie kann ein Spieler, der „Bulle" genannt wurde und im defensiven Mittelfeld häufig die gegnerischen Spielmacher abräumte, in seiner Kar­riere nur ein Mal vom Platz fliegen? 

Franz Roth: Dieser Platzverweis ärgert mich noch bis heute! Der war sehr hart. Im April 1971 war das, im Spiel gegen Kickers Offenbach. Einwurf für uns: Ich laufe entgegen, merke dann aber, dass mir ei­ner dicht auf den Fersen ist. Ich stoppe abrupt ab und muss dabei einen anderen Spieler, den ich nicht gesehen habe, gerammt haben. Dieser macht daraufhin eine Show da- raus und der Schiri zeigt mir die Rote Karte. Bundestrainer Helmut Schön saß damals auf der Tribüne und legte nach der Partie ein gutes Wort für mich ein, aber die Sperre von sechs Spielen blieb bestehen. 

„Bulle" wurden Sie gerufen, weil Sie so schnell und zweikampfstark waren. 

Roth: Ich lief die 100 Meter in elf Sekun­den. Vor allem mein Antritt war sehr kraft­voll, auf den ersten Metern hatte ich sofort das Tempo drauf. Der damalige Bayern-Trai­ner Tschik Cajkovski sagte mir, genau we­gen dieser besonderen Eigenschaft hätte man mich geholt. Er sagte: ,,Du bist schnell, du bist stark im Zweikampf, du kannst beid­seitig schießen. Und die Technik: Na, die lernen wir auch noch.

Sie sind in einer Großfamilie auf einem Bauernhof aufgewachsen: Hat diese Um­gebung dazu beigetragen, zum „Bullen" zu werden, weil Sie wussten, wie man ordentlich anpackt, wie man sich gegen fünf ältere Geschwister durchsetzt? 

Roth: Ich war der jüngste Sohn, musste mich vor allem gegen drei ältere Brüder behaupten. Ja, das prägt ungemein. Ich hatte eine Lehre zum Landwirt gemacht, musste daheim im Milchviehbetrieb schon immer viel mithelfen. Damals war das auf einem Bauernhof ja noch zu 90 Prozent Handarbeit, weil es kaum Maschinen gab. Ich habe von klein auf gelernt, dass man anpacken muss, wenn man erfolgreich sein will. Beim FC Bayern kam diese Einstellung gut an. 

Stimmt die Geschichte, dass Sie Ihren Wechsel zu den Bayern einem Friseur zu verdanken haben? 

Roth: (lacht) Ja, das war kurios. Alexander Kotter hieß der Friseur, der nicht nur in der Vorstandschaft der SpVgg Kaufbeuren war, wo ich spielte, sondern damals auch Mitglied Nummer eins bei den Bayern. Und denen hat er mal von mir erzählt, dass sie mich doch nach München holen sollten.  

Scouting im Jahre 1966... 

Roth: Der frühere Bayern-Geschäftsführer Walter Fembeck hat mich daraufhin jedenfalls beobachtet, und eines Tages, als ich ge­rade im Stall war, rief meine Mutter mich herein, ein gewisser Herr Schwan aus München sei am Apparat. Das war kein geringerer als der damalige Manager des FC Bayern. 

Konnten Sie es im ersten Moment fassen, dass Robert Schwan am Telefon war und Ihnen einen Vertrag anbot? 

Roth:Überhaupt nicht. Ich sagte zu ihm: Wollen Sie mich veräppeln? Ein Zweijahresvertrag plus ein Jahr Option - ohne dass ich einmal in München vorgespielt hatte? Da war ich echt sprach­los. Eine Woche später unterschrieb ich. 

Und nur ein Jahr später, also 1967, wur­den Sie mit gerade mal 21 Jahren zum Bayern-Helden. Sie schossen den FCB zu seinem ersten europäischen Titel. 

Roth: Wir standen im Endspiel des Europa­pokals der Pokalsieger und trafen auf die Glasgow Rangers. Die Schotten hatten Vor­jahressieger Borussia Dortmund aus dem Wettbewerb geschmissen, zuvor schon et­liche internationale Titel geholt - sie waren der klare Favorit. Aber wir waren jung und hatten nichts zu verlieren. Und wir hatten Gerd Müller, vor dessen Torriecher damals alle Gegner großen Respekt hatten. Wichtig war, dass er dabei sein konnte, hatte er sich doch ein paar Wochen vor dem Finale den Arm gebrochen. Unser Mannschaftsarzt verpasste ihm eine eigens angefertigte Le­dermanschette fürs Endspiel. 

Aber nicht Torjäger Gerd Müller erzielte den Siegtreffer, sondern Sie, in der Verlängerung. Dachten Sie sich in der 108. Minute: Also wenn die da vorne nichts auf die Kette kriegen, dann muss ich halt ran?

Roth: (lacht) So ungefähr, ja. Rainer Ohlhauser schlug einen lan­gen Ball in den Sechzehner, mein Gegenspieler wollte mich umrei­ßen, und im Fallen spitzelte ich den Ball über den Torhüter unter die Latte. Dieses Tor wird mir immer in Erinnerung bleiben. 

Der Titel war wie ein Startschuss für äußerst erfolgreiche Jahre beim FC Bayern, besser gesagt: für erfolgreiche Jahrzehnte. 

Roth: Den Schwung dieses Titelgewinns nahmen wir mit. 1969 holten wir das Double, waren zwischen 1972 und 1974 dreimal Deutscher Meister in Folge, holten zwischen 1974 und 1976 drei­mal den Europapokal der Landesmeister, der Vorläufer der Cham­pions League. Plötzlich sangen die gegnerischen Fans: ,"Zieht den Bayern die Lederhosen aus." Aber wir antworteten stets: ,"Uns zieht keiner die Lederhosen aus."

 

Interview: Christian Engel

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

Foto: Imago Images

 
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