Olaf Thon: "Freiburg macht es gut"

Profis
28.10.2022

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim FC Schalke 04 kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Olaf Thon

Herr Thon, Sie wurden 1990 Weltmeister, reckten drei Mal mit den Bayern die Meisterschale in die Luft, holten zwei Mal mit Schalke den DFB-Pokal – war der UEFA-Cup-Sieg 1997 mit den Königsblauen dennoch der emotionalste von allen Titelgewinnen?

Olaf Thon: Ja, das kann ich so unterschreiben. Wir holten den Titel im San Siro, im Stadion unseres Finalgegners Inter Mailand. Außerdem durfte ich die Mannschaft als Kapitän aufs Feld führen – und am Ende reckten wir tatsächlich den Pokal in den Nachthimmel, obwohl wir vor den Finalspielen klarer Außenseiter gewesen waren. Bis heute denke ich gerne daran zurück – ich werde ja auch oft genug an die „Eurofighter von 1997“ erinnert.

Man erinnert sich auch gerne an das Bild, wie Sie den Pokal mit einer Hand hochhalten …

… was ja gar nicht so leicht ist, schließlich wiegt er 15 Kilo. Ich bin aber ohne Schäden davongekommen.

Hat Inter Mailand Ihr Team im Finale unterschätzt?

Und wie! Es gab damals im Finale noch Hin- und Rückspiel. Nach der 0:1-Niederlage im ersten Spiel auf Schalke – Marc Wilmots hatte getroffen –, dachten die Italiener wohl, sie könnten uns im Rückspiel im San Siro locker wegschießen.

In Mailand kam es dann am Ende zum Elfmeterschießen. Während der Saison hatte Schalke mehrere Elfer verschossen, unter anderem Sie im Achtelfinale gegen Brügge. Hatten Sie vor dem Elfmeterschießen deshalb ein bisschen Bammel?

Gar nicht. Ich wusste, Jens Lehmann war ein Elfmeterkiller und in fantastischer Form – für mich war er damals der beste Torhüter der Welt. Außerdem hatten wir sehr gute Standardschützen im Team, allen voran Ingo Anderbrügge. Der schweißte den ersten Ball dann auch direkt in den Winkel. Für uns war dieser Schuss wie ein Türöffner, danach wusste ich, dass wir an jenem Abend den Titel holen würden und kein anderer.

Der zweite Schütze damals waren Sie: halbhoch rechts – wie sieben Jahre zuvor im WM-Halbfinale gegen England. Ihre Lieblingsecke?

Die besten Elfer sind meiner Meinung nach die mit dem Innenspann flach vom Torwart weg – als Rechtsfuß also in die rechte Ecke, mit 80 Prozent Kraft, damit der Ball noch präzise kommt. Gegen England im WM-Halbfinale 1990 lief ich zum letztlich entscheidenden vierten Elfmeter an, da wollte ich einfach nur, dass der Ball aufs Tor geht. Gegen Mailand habe ich mich an den WM-Schuss erinnert – und zum Glück wieder getroffen. Ich war nicht der absolute Elfmeter-König, wollte aber immer Verantwortung übernehmen.

Welche Strategie hatten Sie, um beim langen Weg von der Mittellinie bis zum Elfmeterpunkt nicht vor Nervosität zusammenzubrechen? Lieder summen, Stoßgebete gen Himmel schicken?

Ich sage immer scherzhaft: Die Dümmsten schießen die besten Elfmeter! Was ich damit sagen will: Am besten sollte man gar nicht zu viel darüber nachdenken. Man braucht eine gute Technik, ordentlich Selbstbewusstsein, keine Zweifel. Ich habe stets versucht, nicht zu viel zu überlegen vor dem Schuss. Aber in der Theorie klingt das natürlich immer so einfach. Jedenfalls habe ich noch heute mit jedem Elfmeterschützen Mitleid, egal in welchem Spiel – das ist einfach eine brutale Situation für jeden Einzelnen.

Sie arbeiten seit vielen Jahren als TV-Experte, haben unter anderem lange die Europa League begleitet und analysiert …

… die ich bis heute mit großem Interesse verfolge. Ich freue mich jeden Donnerstag darauf, die Freiburger zu sehen.

Wohin kann die internationale Reise für den Sport-Club gehen?

Der Sport-Club hatte schon vergangenes Jahr eine tolle Saison und ist auch dieses Mal sehr gut gestartet, stand zwischendurch verdient an der Spitze der Bundesliga. In einem Wettbewerb wie der Europa League ist immer vieles möglich, siehe Schalke vor 25 Jahren oder Eintracht Frankfurt dieses Frühjahr. Es kann aber auch mal ganz schnell vorbei sein, da reicht manchmal nur ein schlechter Tag. Spannend wird sein, wie der SC über Wochen mit der Doppelbelastung klarkommt. Aber Freiburg macht es echt gut bislang.

SC-Spieler Ritsu Doan sagte im Heimspiel-Interview neulich sinngemäß, er freue sich über die vielen Partien, weil er lieber spiele als zu trainieren.

Das geht den meisten Spielern so, und natürlich ist es etwas Besonderes, international zu spielen. Dennoch darf man eine Mehrfachbelastung nicht unterschätzen. Vor allem im Frühjahr, wenn die Kräfte langsam etwas nachlassen, zeigt sich, wie robust man als Team ist, wer die beste Bank hat. Freiburg hat sich vor der Saison super aufgestellt, mit Gregoritsch, Kyereh oder Ginter den Kader punktuell verstärkt. Daher denke ich, dass der Sport-Club die Saison meistert. Ich drücke Freiburg jedenfalls die Daumen – nur nicht nächsten Sonntag gegen Schalke.

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

 
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