Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei der TSG Hoffenheim kommt im Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Marcel Throm
Heimspiel: Herr Throm, an einem Montagabend in Freiburg dürften Sie vor 15 Jahren so richtig ins Grübeln gekommen sein: Ihr Verein, die TSG Hoffenheim, hatte in der Woche zuvor nach durchwachsenem Saisonstart noch mal kräftig auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Die Neuzugänge durften in Freiburg direkt ran, Sie schmorten auf der Bank.
Marcel Throm: Es war ein Auswärtsspiel beim Sport-Club, der vierte Spieltag, am Ende verloren wir die Partie übrigens mit 2:3. Man muss dazu sagen: Ich hatte schon an den ersten drei Spieltagen dieser Zweitligasaison auf der Bank gesessen, daher kannte ich das Gefühl. Aber klar war: Nachdem Hoffenheim in den Tagen zuvor mit Demba Ba, Chinedu Obasi und Carlos Eduardo kräftig nachgerüstet hatte, würde es in der Folge für mich nicht leichter werden, auf dem Feld zu stehen. Die Luft wurde deutlich dünner.
Und so kam es dann auch: Sie blieben ohne Einsatz in der 2. Bundesliga. In der Winterpause 2007/08 flüchteten Sie zu den Sportfreunden Siegen, zurück in die Regionalliga.
Geflüchtet – so würde ich das nicht formulieren. Ich hatte die Entwicklung in Hoffenheim ja kommen sehen, wusste, dass es für mich immer schwieriger werden würde. Da ich aber unbedingt noch Fußball spielen wollte, wechselte ich. Von einer Flucht zu sprechen, wäre allerdings übertrieben, ich habe mich ja in Hoffenheim stets wohlgefühlt. Das tue ich übrigens bis heute. Es ist immer noch schön, in der Arena erkannt zu werden, auf ehemalige Spieler und Freunde zu treffen. Ich sehe es auch als Glück an, weiterhin im Verein tätig zu sein: als Co-Trainer im Nachwuchsbereich.
Trotzdem noch mal die Nachfrage: Ist man da als Fußballprofi im ersten Moment nicht enttäuscht, zumindest ein bisschen eingeschnappt, wenn der Verein einem plötzlich andere Spieler vor die Nase setzt, einem dadurch signalisiert, man sei nicht mehr gut genug?
Ein bisschen enttäuscht war ich schon, klar. Im Jahr zuvor hatte ich schließlich fast alle Spiele in der Regionalliga gemacht, also einen großen Beitrag zum Aufstieg in die Zweite Liga geleistet. Und dann steht man manchmal gar nicht mehr im Kader, und ein anderer spielt auf deiner Position. Aber Konkurrenz hat man als Fußballer immer – und im Endeffekt hat der Verein ja alles richtig gemacht, ist direkt in die Bundesliga durchmarschiert. Es geht als Profi immer um den Gesamterfolg des Vereins – da müssen die persönlichen Befindlichkeiten eben zurückstehen, auch wenn es manchmal schmerzt. Zumindest ein bisschen.
Sie waren im Sommer 2000 vom Oberligisten SG Heidelberg-Kirchheim zum Oberliga-Aufsteiger TSG Hoffenheim gewechselt. Hatten Sie die kurz- und langfristige Entwicklung des Vereins damals schon kommen sehen, dass Sie direkt ein Jahr später in der Regionalliga auflaufen würden, dass die TSG kein Jahrzehnt später Bundesliga spielt?
Von Aufbruchstimmung war in Hoffenheim damals auf jeden Fall schon etwas zu spüren gewesen, etwa durch das Dietmar-Hopp-Stadion, welches der Verein neu gebaut hatte – ein echtes Schmuckkästchen. Und auch ein Symbol dafür, dass der Verein Größeres vorhatte. Wir hatten allerdings keinen Druck, in der ersten Oberligasaison direkt wiederaufzusteigen. Unser neuer Trainer war damals Hansi Flick. Aber wie es im Fußball manchmal so ist: Da steht man plötzlich oben, kommt in den berühmten Flow, bleibt in der Schlussphase der Saison 13 Spiele in Folge ungeschlagen. Und schon spielt man Regionalliga.
Dort folgte aber erst mal eine Durststrecke,wenn man das so nennen will. Sechs Spielzeiten verbrachte die TSG Hoffenheim in der Regionalliga Süd, der damals dritthöchsten Spielklasse.
Aber dennoch waren wir ab dem zweiten Regionalligajahr immer oben mit dabei. Und ab der Saison 2004/05 nahm die Entwicklung des Vereins dann so richtig an Fahrt auf: Das Profitum wurde eingeführt, in den Folgejahren wurden Mannschaftspsychologen eingestellt, Hockey-Bundestrainer Bernhard Peters kam als Sportdirektor, namhafte Spieler wie Selim Teber oder Jochen Seitz wechselten zur TSG. 2006 kam schließlich Ralf Rangnick als Trainer – da wehte noch mal ein ganz anderer Wind in Hoffenheim. Unter Rangnick gelang der TSG Hoffenheim dann
auch der Durchmarsch in die Bundesliga.
Ging diese rasante Entwicklung vielleicht auch manch einem im Verein zu schnell?
Ich hatte schon den Eindruck, dass es dem einen oder anderen Vereinsmitglied in manchen Bereichen etwas zu schnell ging. Zum Beispiel hatte man zuvor als Fan die Spieler noch in der Vereinsgaststätte „Fairplay“ antreffen können. Durch die Professionalisierung wurde die Distanz einfach etwas größer. Aber man muss als Fan eben auch sehen, was man dafür bekommen hat. Früher spielte Hoffenheim Kreisliga, Oberliga, Regionalliga – heute Bundesliga, manchmal Champions League. Und man muss ja dazu sagen: In Hoffenheim – oder auch in Freiburg – ist trotz rasanter Entwicklung noch alles vergleichsweise bodenständig geblieben.
Christian Engel
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