Der Sport-Club beweist zum wiederholten Mal Comeback-Qualitäten und steht im Achtelfinale der Europa League. Beim 3:2 (0:2)-Erfolg gegen den RC Lens kam der SC nach einem 0:2-Rückstand zurück. Roland Sallai erzielte einen Doppelpack, Michael Gregoritsch den Siegtreffer in der Verlängerung.
"Das Spiel bleibt für die Ewigkeit" – Michael Gregoritsch' Analyse nach 120 Minuten war kurz, knapp und richtig. Begonnen hatte der Europa-League-Abend mit einer Choreographie der Fans, die über die gesamte Breite der Südtribüne reichte. Der SC startete, etwas ungewohnt, auch in Richtung der Südtribüne, aber offensiv ausgerichtet mit Merlin Röhl in der Startelf und dem ersten Torabschluss nach drei Minuten. Roland Sallais Volleyabnahme aus 17 Metern ging aber weit über das Tor. In der Defensive spielte Kiliann Sildillia anstelle des an der Wade verletzten Yannik Keitel. Er und seine Kollegen mussten defensiv aufmerksam sein, mehr Spielanteile in der Anfangsphase hatte der Sport-Club, ohne sich jedoch gute Tormöglichkeiten herauszuspielen.
Kaum Chancen, aber zwei Gästetore
Erst nach einer halben Stunde war das Duell offener, die Franzosen wurden aktiver. Aus dem Spiel heraus wurde es auch hier nicht gefährlich, aber als Noah Atubolu einen Freistoß in der 28. Minute nur nach vorne parierte, war David Pereira Da Costa zur Stelle und erzielte aus 13 Metern das 0:1. Kein Tor, das sich angekündigt hatte, denn Torchancen waren bis dahin Mangelware. Und so war es auch ein Standard, der fast zum Ausgleich geführt hätte. Nach Sallais Flanke aus dem Halbfeld verlängerte Nicolas Höfler an die Brust von Jonathan Granit, von wo aus der Ball an den Pfosten sprang. Höflers Nachschuss parierte Lens-Keeper Brice Samba (33.).
Mit Erinnerungen an die Comeback-Qualitäten aus dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt setzte der SC seinen Gegner unter Druck, wollte den Ausgleich erzwingen. Nach einer Ecke in der 40. Minute flog der Ball hauchzart über Sildillias Scheitel und durch die Finger von Samba, der Glück hatte, dass es daraufhin Abstoß gab. Die Tore machten aber die Franzosen. Zweite gute Chance, zweites Tor in der 45. Minute. Manuel Gulde sprang der Ball im Duell mit seinem Gegenspieler unglücklich vom Rücken ab, Elye Wahi hatte viel Raum vor sich und überlistete Atubolu mit einem Chipball zum 0:2. "In der ersten Halbzeit waren wir nicht so drin", fasste Trainer Christian Streich die ernüchternde erste Hälfte zusammen.
Unruhe und Ungläubigkeit
Die zweite Hälfte begann mit Noah Weißhaupt und Michael Gregoritsch, der Sport-Club betrieb weiter viel Aufwand. Ein schneller Anschlusstreffer und es wäre wieder etwas drin gewesen. Für die erste Annäherung sorgte Lukas Kübler in der 51. Minute mit einem Gewaltschuss aus der zweiten Reihe, der aber übers Tor flog. Die Franzosen dachten mit ihrer Zwei-Tore-Führung nicht mehr daran, das Spiel mitzugestalten. Konter waren alles, was sie wollten.
Was beim Sport-Club fehlte, war der letzte gute Pass, die Präzision rund um den Strafraum der Gäste. Ungläubig hinterließ alle SC-Spieler, die Trainerbank und auch die Fans die Szene in der 61. Minute, als Röhl sich den Ball an seinem Gegenspieler im Strafraum vorbeilegte und dann abgeräumt wurde. Der Schiedsrichter entschied auf Abstoß, geprüft wurde die Situation auch vom VAR (Video Assistant Referee) nicht mehr.
Sallai belohnt die Mühen
Und plötzlich schien doch wieder alles drin zu sein. In der 67. Minute gelang Sallai der Anschlusstreffer aus acht Metern. Nur zwei Minuten nach seinem Tor grätschte ein Verteidiger der Gäste gerade noch in eine Hereingabe von Sallai. Ritsu Doan hatte in der Mitte gelauert. Der Sport-Club war am Drücker, schnupperte am Ausgleich. Doans Schuss parierte Lens' Keeper Samba stark, kurz darauf vergab Gregoritsch per Kopf zweimal (73., 76.). Es ging, mit Ausnahme von zwei, drei Kontern der Gäste, nur noch in eine Richtung.
In der 90. Minute prüfte Gregoritsch einmal mehr Samba im Tor der Franzosen, der aber auch dieses Duell gewann und den Kopfball über die Latte lenkte. Dann folgte kurze, aber völlige Ekstase im Stadion. Sallai und sein zweites Tor waren der Grund dafür. Der SC war zurück, hatte ausgeglichen, irgendwie hinein ins Tor aus elf Metern. Mit der letzten Aktion der 90 Minuten gab es sogar noch die Chance, das Spiel in der regulären Spielzeit zu entscheiden. Nur leider wollten Gregoritsch' Kopfbälle heute einfach nicht ins Tor. Es ging in die verdiente Verlängerung.
Gregerl zur Führung
Der SC erwischte auch jetzt einen guten Start, blieb aktiv, aggressiv, war die Mannschaft, die den dritten Treffer unbedingt erzwingen wollte. Und dies auch tat. Und endlich belohnte sich auch Gregoritsch für seinen Aufwand, den er seit seiner Einwechslung betrieben hatte. Sallai behauptete den Ball im Sechzehner und Gregoritsch traf ins leere Tor (99.). Der Sport-Club führte. Nach 0:2. Mit 3:2. "Wir haben in der Halbzeit umgestellt und sind dann brutal ins Rollen gekommen", freute sich Streich über die Wende nach der Pause.
Mit einer Einzelaktion, bei der Wesley Said viele Meter machte und aus spitzem Winkel abschloss, wurde es für Atubolu gefährlich. Der blieb aber stabil und parierte (104.). Lens gehörten die ersten Minuten des zweiten Teils der Verlängerung, Atubolu ließ einen Ball auf rutschigem Rasen nur abklatschen, packte im Nachfassen aber sicher zu (111.). Beim SC schwanden die Kräfte etwas - verständlich nach diesem Mentalitätskampf und dem Comeback - an der Offensive beteiligten sich nun nur noch zwei statt zehn Spieler. Verteidigen hatte jetzt Priorität Nummer eins. Damit machte der Sport-Club alles richtig. Alles. Der Lohn: Das Achtelfinale in der Europa League. Der Gegner wird bereits am Freitag in Nyon ausgelost. Die Achtelfinalpartien finden am 7. und 14. März statt, der SC startet mit einem Heimspiel.
Die Fans verabschiedeten die Mannschaft mit Worten: "Oh, wie ist das schön...". "Es ist ein besonderer Abend, die Geschichte bis zur Halbzeit war deprimierend", sagte Streich später. Ein Spiel für die Ewigkeit.
Isabel Betz
Foto: Achim Keller
Aufstellung SC Freiburg: Atubolu - Kübler (101. Günter), Gulde (86. Ginter), Sildillia (46. Weißhaupt) - Sallai (106. Muslija), Eggestein, Höfler, Makengo (46. Gregoritsch), Doan, Röhl (86. Grifo) - Höler | |
Trainer: Christian Streich | |
Bank: Müller, Uphoff, Szalai, Weißhaupt, Adamu, Muslija, Ginter, Günter, Grifo, Gregoritsch | |
Aufstellung RC Lens: Samba - Gradit (103. Diouf), Khusanov, Medina - Frankowski (73. Aguilar), El Aynaoui, Abdul Samed (103. Said), Chavez (80. Haidara) - Pereira Da Costa (80. Fulgini), Sotoca, Wahi (73. Guilavogui) | |
Trainer: Haise Franck | |
Bank: Leca, Pandor, Aguilar, Haidara, Diouf, Fulgini, Mendy, Sishuba, Thomasson, Guilavogui, Said | |
Tore: 0:1 Pereira Da Costa (28.), 0:2 Wahi (45.), 1:2 Sallai (67.), 2:2 Sallai (90.+2), 3:2 Gregoritsch (99.) | |
Gelbe Karten: Höler, Kübler, Frankowski, Streich, Sotoca, Fulgini, Said, | |
Gelb-Rote Karten: | |
Rote Karten: | |
Schiedsrichter: Rade Obrenovic | |
Zuschauer/innen: 34.700 |