Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund kommt eine dieser Legenden des kommenden SC-Gegners zu Wort: Horst Bertram.
Herr Bertram, Sie sind 1948 in Münster geboren und begannen wie viele spätere Torhüter zunächst als Feldspieler?
Horst Bertram: Stimmt, ich war sogar ein ziemlich guter Stürmer. Ich war Torschützenkönig im Kreis Münster in der Jugend. Als in einem Spiel ein Torwart fehlte, bin ich in die Kiste und dann dringeblieben. Da war ich 13 Jahre alt.
Sie sind dann vom kleinen Verein Münster 08 zum Lokalrivalen Preußen Münster gewechselt. Der hatte damals eine große Tradition und auch große Ambitionen.
Ja, der legendäre Bert Trautmann war dort Trainer, aber leider wurde aus den sportlichen Plänen des Vereins nichts und ich wechselte zu den Kickers nach Offenbach.
Wo Sie dann aber zunächst verletzt waren?
Ja, ich lag ein halbes Jahr im Krankenhaus nach einer Bandscheiben-Operation. Danach war es schwer, wieder ins Team zu kommen.
Der BVB meldete sich bei Ihnen und Sie gingen nach Dortmund, wobei klar war, dass Sie sich dort auf einen Zweikampf mit dem Stammkeeper Jürgen Rynio einlassen würden. Hatten Sie einen Torwarttrainer, oder mussten sich die beiden Keeper damals gegenseitig coachen?
Nein, unser Torwarttrainer war Max Michallek. Eine Legende im Ruhrgebiet seinerzeit, Spitzname „Die Spinne". Und mit Jürgen Rynio habe ich mich gut verstanden, wir telefonieren heute noch miteinander.
Dortmund stieg in dem Jahr, 1971, aus der Bundesliga ab und spielte, heute schwer vorstellbar, vier Jahre in der Zweiten Liga.
Der Verein hatte schlecht gewirtschaftet, musste seine besten Spieler wie Rudi Assauer, Sigi Held oder Lothar Emmerich verkaufen. Es war eine harte Zeit damals für Verein und Spieler. Wir bekamen weniger Geld und mussten halbtags arbeiten.
Erst nach vier Jahren gelang der Wiederaufstieg, Sie gewannen die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg. Beim ersten Spiel siegten Sie auswärts mit 1:0 und Lothar Huber, Ihr Ab wehrspieler, meinte damals: "Wir hatten viel Glück und einen sehr, sehr guten Keeper."
Ja, das war eines meiner besten Spiele. Das Rückspiel gewannen wir 3:2, aber es stand lange Zeit Spitz auf Knopf.
Vor der Relegation gab es einen kuriosen Trainerwechsel.
Unser Trainer Horst Buhtz hatte schon für die nächste Saison einen Vertrag in Nürnberg. Da konnte er uns schlecht in der Relegation ausgerechnet gegen den „Club" anführen. Und so holte der Verein kurzfristig Otto Rehhagel.
Wie haben Sie ihn erlebt?
Als absoluten Glücksgriff. Er kam eine Woche vor der Relegation, hat mit jedem gesprochen und uns unheimlich motiviert. Wir sind mit einem wahnsinnig breiten Kreuz auf den Platz und jeder wusste: Wir werden nicht verlieren.
Nach mauen Jahren war das Stadion ausverkauft und die Leute kamen wieder zum BVB?
Der Aufstieg war großartig, ein Gefühl wie bei einem Pokalsieg. Die Menschen stürmten den Platz und der Verein, der ja eigentlich fast tot war, lebte wieder.
Zum Spitzenteam reichte es aber noch nicht?
Nee, wir mussten uns erst einmal wieder in der Bundesliga etablieren und hatten auch nicht die finanziellen Mittel, um oben anzugreifen .
Sie waren Kapitän, hatten dann vor dem letzten Spieltag 1977/78 einen Disput mit Otto Rehhagel, der Sie auf die Bank setzte...
...Und wir verloren 0:12 in Mönchengladbach. Im Tor stand Peter Endrulat, der da sein letztes Spiel machte.
Aber er war wohl nicht allein Schuld an dem Desaster?
Natürlich nicht, nur als Torwart hast du bei einem solchen Ergebnis keine Argumente.
1979 wurde Udo Lattek Trainer bei Borussia Dortmund und stellte den jungen Eike lmmel ins Tor.
Das war schwer für mich, aber ich habe Eike lmmel dann unterstützt. Tatsächlich rief zu der Zeit auch Uli Hoeneß an, weil die Bayern nach der Verletzung von Sepp Maier einen neuen Torwart brauchten. Aber der BVB entließ mich nicht aus meinem Vertrag.
1983 beendeten Sie Ihre Karriere?
Ja, und es war alles okay so. Ich bin froh und stolz, bei dem Dortmunder Wiederaufstieg dabei gewesen zu sein, denn irgendwie haben wir damals auch den Grundstein für die jetzigen Erfolge des BVB gelegt.
Interview: Carmelo Policicchio
Horst Bertram (71) spielte von 1971 bis 1983 bei Borussia Dortmund. Er bestritt 222 Pflichtspiele für den BVB, war Torwart der Mannschaft, die nach vier Jahren in der Zweiten Liga in der Saison 1975/76 den Wiederaufstieg schaffte und lebt noch heute in Dortmund.