Eigentlich hätte dieses Interview mit Manuel Gulde (29) in unserem Stadionmagazin Heimspiel vor der Partie gegen den SV Werder Bremen erscheinen sollen.
Wir wollen es euch in der fußballfreien Zeit aber nicht vorenthalten und haben es um einige Fragen zur aktuellen Situation ergänzt. Im Gespräch erzählt der Innenverteidiger des Sport-Club vom Training im Home Office, seiner fußballerischen Erziehung und Vaterfreuden.
scfreiburg.com: Hallo Manuel, wie geht es dir und deiner Familie im Homeoffice?
Danke, uns geht es gut. Wir haben von unseren Trainern einen Plan mitbekommen, welche Läufe wir machen sollen, und auch Stabilisations- und Kraftübungen, die man zu Hause ohne Gewichte absolvieren kann. Über die Laufuhren kann unser Athletiktrainer Daniel Wolf alles kontrollieren. Wir liegen also nicht auf der faulen Haut.
Im Moment kann keiner sagen, wann ihr wieder auf den Trainingsplatz zurückkehren könnt. Wie sehr vermisst du den Ball und deine Kollegen?
Natürlich fehlt mir das Training mit dem Ball, weil Läufe nicht so viel Spaß machen. Meine Mannschaft fehlt mir dagegen bisher nicht so sehr. Die Sehnsucht hält sich da wahrscheinlich schon deshalb noch in Grenzen, weil wir uns das ganze Jahr über sehr oft sehen – aber das kommt vielleicht noch.
Was beschäftigt dich derzeit am meisten?
Natürlich macht man sich Gedanken darüber, wie lange diese quasi Quarantäne mit den verminderten Kontakten anhalten wird, und wann man das Virus vielleicht in den Griff bekommen kann. Ich hoffe - wie wohl alle -, dass sich die Lage bald wieder entspannt und so wenig Leute wie möglich zu Schaden kommen.
Für die Clubs wird es existentiell sein, die Runde sportlich zu Ende zu bringen. Das ist wohl nur mit Spielen ohne Zuschauer realistisch. Wie wichtig sind denn Zuschauer im Fußball?
Sehr wichtig natürlich, wir kennen es im Profibereich auch gar nicht anders. Wahrscheinlich wird es sich so ähnlich anfühlen wie bei Freundschaftsspielen. Von der Spannung ist das ganz anders, als wenn mehrere 10.000 im Stadion sind.
Du bist um die Erfahrung bisher noch herum gekommen, weil euer Auswärtsspiel in Leipzig einen Tag vorher abgesagt wurde. Deswegen die hypothetische Frage, ob du dir vorstellen kannst, dass die Teams auch in so einer Atmosphäre 100 Prozent geben können?
Das ist vor allem eine mentale Geschichte. Wenn der Geräuschpegel fehlt, kann es schon sein, dass auch ein paar Prozent fehlen. Ich habe schon ein paar Geisterspiele im Fernsehen gesehen, beispielsweise die Bayern gegen Moskau (Champions-League-Spiel im September 2014, Anm. d. Red.), und auch jetzt vor unserer Pause. Da hört man dann jeden Kommentar von Spielern und Trainern, das ist schon merkwürdig.
Du strahlst auf dem Platz so eine Ruhe aus, dass wir dachten, es macht dir gar nichts aus, ob da jemand zuschaut oder nicht ...
…ich würde sicherlich versuchen, das tatsächlich hinzukriegen. Und es stimmt schon: normalerweise nehme ich die Kulisse im Spiel wirklich nicht so wahr, außer es wird bei einem Freistoß lauter. Wenn man richtig konzentriert ist, hört man nur einen Geräuschpegel, der Rest läuft wahrscheinlich unterbewusst ab. In Freundschaftsspielen kann ich durchaus meine Leistung abrufen, und ich denke das geht den anderen auch so. Wie mich das persönlich tatsächlich beeinflusst, kann ich aber mangels Erfahrung nicht wirklich beantworten.
War das Thema bei euch in der Kabine, als ihr euch noch zusammen auf die nächsten Spiele vorbereitet habt?
Wir haben viel über das Coronavirus und seine Auswirkungen geredet, über die leeren Ränge hingegen kaum. Allerdings haben wir uns schon überlegt, ob wir die Gesänge nachahmen sollen und ein paar Puppen aufstellen (lacht). Aber das war natürlich, bevor sich die Lage so verschärft hat.
Seit dem Heimsieg gegen Union Berlin seid ihr die sportlichen Sorgen für diese Saison weitgehend los geworden. Was würden Spiele ohne Zuschauer für Mannschaften bedeuten, die zum Beispiel im Abstiegskampf stecken?
Ich denke, es ist auf jeden Fall ein Nachteil für die Heim-Mannschaften, erst recht für diejenigen, für die es noch sehr wichtig ist. Wir leben auch von unseren Fans, auch wenn wir tatsächlich nicht mehr die ganz große Abstiegsangst haben. Für die Auswärtsmannschaft könnte es ein Vorteil sein
Für dich war es bislang eine zweigeteilte Saison. Am Anfang bist du verletzt ausgefallen, und als du wieder angreifen konntest, haben es die Kollegen so gut gemacht, dass es schwierig war, wieder einen Platz in der Mannschaft zu ergattern. Nachdem du Ende November in einem Gespräch mit dem „Kicker“ gesagt hast, du würdest gerne wenigstens mal 20 Sekunden spielen, um dich dazugehörig zu fühlen, hast du anschließend alle Spiele gemacht ...
… was natürlich nichts mit meinen Aussagen zu tun hatte. Die fand der Trainer nicht so toll, und das ist auch sein gutes Recht. Wir haben uns aber ausgesprochen. Dass er mich mal wieder spielen lassen wollte, hatte er schon vorher entschieden. Ich habe auch keine Ansprüche auf die Startformation gestellt. Das würde ich auch selber nicht wollen, dass ich plötzlich raus bin, obwohl ich vorher gut gespielt habe, nur weil jemand zurückkommt, der verletzt war, und dann seinen Einsatz fordert.
Du hast schon mehrere auch schwerere Verletzungen hinter dir, aber wenn der Begriff Stehaufmännchen auf jemanden zutrifft, dann auf dich.
Es war bislang sicherlich mal wieder keine einfache Saison für mich. Die Verletzung hatte ich mir schon im vergangenen Februar zugezogen, und sie hat sich über den Sommer noch hingezogen, inklusive eines kleinen Rückschlags. Ich hatte aber tatsächlich noch nie den Gedanken aufzugeben. Weil ich von meiner Qualität überzeugt bin. Ich weiß, wenn ich gesund bin, kann ich Bundesliga spielen kann und auch sehr gut spielen. Und bisher habe ich es ja auch immer geschafft, mich nach Verletzungen wieder ranzukämpfen.
Siehst du das inzwischen sogar als eine deiner besonderen Qualitäten an?
Man kriegt über so eine Geschichte tatsächlich mehr Vertrauen. Und ich habe auch gemerkt, dass ich nach einer Verletzung nicht mehr so lange brauche, bis ich wieder gute Leistungen bringen kann. Ich bin inzwischen wirklich auch ein bisschen stolz auf meinen Weg. Am Anfang in Hoffenheim galt ich als Riesentalent, dann ging es doch in eine andere Richtung, und ich habe mich über die Zweite Liga wieder empfohlen. Jetzt spiele ich vier Jahre Bundesliga beim SC, und es freut mich, dass ich trotz der Verletzungen für die Mannschaft immer wieder wichtig bin…
… obwohl du ein eher traditionell geprägter Verteidiger bist, als dessen größte Kompetenz nicht sein Spiel mit dem Ball gilt. Nervt es, dass du immer wieder mit dieser Einschätzung konfrontiert wirst?
Die Zeiten haben sich schon verändert. Als junger Spieler im Profibereich durfte man früher keinen Fehler machen, sonst hat man kein Spiel mehr gemacht, vor allem als Innenverteidiger. Heute wird eher gesagt: Er ist noch jung, er hat noch Zeit, sich zu entwickeln. Ich bin vielleicht wirklich ein bisschen mehr auf Sicherheit bedacht, weil mir das so beigebracht wurde, aber das ist auch eine Qualität. Dann ist man im Vorwärtsspiel nicht der Mutigste, aber zuverlässiger. Ich fühle mich aber gar so sehr als der Typ alte Schule, es gibt andere, die weniger am Ball können als ich. Und ich komme auch gegen den Ball nicht über das Körperliche, bei mir läuft viel über Antizipation und Stellungsspiel.
Wir hatten gehofft, du würdest uns grundsätzlich widersprechen ...
… Ich kriege doch auch mit, wie ich öffentlich wahrgenommen werde. Ich bin jetzt 29, und wurde in den Medien nie gepusht, das war schon in meiner Zeit beim KSC so. Ich bin eher der Unauffällige, bei dem manche fragen, ob ich überhaupt mitspiele. Das ärgert mich schon, das gebe ich zu. Ich wäre wohl auffälliger, wenn ich die ganze Zeit grätschen würde. Der Trainer sagt mir auch, dass ich mutiger sein soll. Was mich ein bisschen hemmt, mehr Risikobälle zu spielen, ist wie gesagt meine fußballerische Erziehung. Dass ich die technische Qualität dazu habe, weiß ich.
Momentan spielt der Fußball nur noch eine Nebenrolle, wir alle leben in der Unsicherheit, wie es in dem kommenden Wochen und Monaten weiter geht. Privat hast du aber wahrscheinlich viel Grund zur Freude, nachdem deine Frau und du kürzlich zum ersten Mal Eltern geworden seid?
Auf jeden Fall, die Prioritäten haben sich verschoben. Der Kleine macht uns ganz viel Spaß, und er ist auch ganz brav.
Machst du dir auch Sorgen?
Im Moment noch nicht. Kleine Kinder, kleine Sorgen - große Kinder, große Sorgen, sagt man ja. Wenn er das erste Mal krank wird, ist das sicherlich eine Erfahrung, mit der man als Eltern lernen muss umzugehen. Momentan ist aber – abgesehen von dieser Corona-Geschichte natürlich – alles sehr schön und wir leben in der Neugeborenen-Blase.
Interview: Uli Fuchs