"Dieses Spiel vergesse ich nie"

Profis
07.10.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim FC Bayern München am Sonntag um 17:30 Uhr kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Hans Pflügler. 

Herr Pflügler, am 12. September 1981 gaben Sie Ihr Debüt bei den Profis des FC Bayern München. Wie haben Sie sich gefühlt zwischen all den Platzhirschen wie Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner?

Heinz Pflügler: Es war der sechste Spieltag, wir spielten in Braunschweig. Mitte der zweiten Halbzeit wurde ich für Paul Breitner eingewechselt. Das war für mich als junger Spieler natürlich die Krönung, denn ich war schon mit 15 Jahren zur Bayern-Jugend gestoßen. Paul Breitner ist übrigens nicht freiwillig vom Platz gegangen, er hatte sich verletzt – sonst hätte er einer Auswechslung niemals zugestimmt (lacht). Die Hierarchien im Team waren damals sicherlich ausgeprägter als heute. Wir jungen Spieler mussten die Koffer schleppen, uns auch mal einen dummen Spruch anhören.

Zum Beispiel?

Pflügler: Ach, so genau weiß ich das nicht mehr. Aber in einem Training habe ich aus Wut so stark gegen den Pfosten getreten, dass das Tor beinahe auf Paul Breitner gekippt wäre. Da musste ich mir natürlich was anhören von ihm und vom Trainer. Am nächsten Tag war aber wieder alles gut.

Sie waren bei Ihrem Debüt 21 Jahre alt – heute würde man dazu "Spätstarter" sagen.

Pflügler: (lacht) Ja, das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten wirklich stark verändert, da stehen heute viele Teenager auf dem Platz. Bei uns war es ein ganz normaler Weg, erst durch die Jugendmannschaften zu gehen und dann vielleicht noch bei den Amateuren zu spielen, bevor man Profi wurde.

Zum Debüt verhalf Ihnen Trainer Pál Csernai. Er galt damals als revolutionär, unter anderem hatte er beim FC Bayern eine Mischung aus Mann- und Raumdeckung etabliert.

Pflügler: Sein Vorgänger Gyula Lóránt hatte dahingehend schon erste Schritte gemacht. Für viele Spieler war diese Taktik neu. Plötzlich musste man nicht mehr seinem Gegenspieler dauernd auf den Füßen stehen, sondern clever den Raum verteidigen. Csernai hat uns viel beigebracht. Er hat ganz oft Extratraining angeboten, etwa für Torschüsse.

Und er soll – einem Bericht des "Spiegel" zufolge – das Wort "Stretching" salonfähig gemacht haben.

Pflügler: Also daran kann ich mich nicht erinnern. Gedehnt haben wir uns natürlich, aber ob wir das damals schon Stretching nannten, weiß ich nicht. Ist ja auch schon etwas her.

Bald 40 Jahre her ist Ihr erster Titel mit dem FC Bayern: die Deutsche Meisterschaft 1985. Vorausgegangen war eine Titel- Durststrecke von vier Jahren – dass es so etwas mal gab …

Pflügler: ... ja, heute undenkbar! Der FC Bayern war in jener Zeit in einem großen Umbruch. Uli Hoeneß hatte kurz zuvor mit 27 Jahren den Posten als Manager übernommen und fing an, den Club neu zu erfinden. Man denke nur mal an das Merchandising, das er aufgebaut hat, damit der Verein zu Geld kam. Finanziell war es damals nämlich ziemlich mau – und die Konkurrenz in der Liga war groß. Köln, Werder, der HSV, Mönchengladbach,
Stuttgart: Da waren viele Teams, die auf einem hohen Niveau und um die Titel spielten. Der Umschwung war zu spüren, in vielen Bereichen.

Ab Mitte der 1980er trug er Früchte. In sechs Jahren wurde Bayern fünfmal Deutscher Meister, holte 1986 gar das Double.

Pflügler: Was uns damals auszeichnete: Wir hatten nicht die Superstars, auf die sich alles fokussierte wie in den 1970ern auf Gerd Müller, Karl-Heinz Rummenigge oder Paul Breitner. Wir hatten eine super Stimmung im Team, natürlich auch tolle Spieler wie Klaus Augenthaler, Hansi Flick, Lothar Matthäus oder Andi Brehme. Auf die letzten beiden sind wir übrigens in einem wahnsinnig tollen Spiel noch mal getroffen, nachdem sie den FC Bayern verlassen hatten.

Beide gingen im Sommer 1988 zu Inter Mailand …

Pflügler: … und kein halbes Jahr später, im Dezember, trafen wir im Achtelfinale des Europapokals der Landesmeister aufeinander, dem Vorgänger der Champions League. Das Hinspiel hatten wir daheim 0:2 verloren. Im Rückspiel drehten wir aber so richtig auf, wendeten im brechend vollen
Giuseppe Meazza Stadion das Blatt, gewannen 3:1 und kamen weiter. Dieses Spiel vergesse ich nie.

Mit dem FC Bayern München wurden Sie fünf Mal Deutscher Meister, drei Mal Pokalsieger, UEFA-Cup-Sieger sowie mit der deutschen Nationalmannschaft 1990 Weltmeister. Welcher Titel war der schönste?

Pflügler: Die erste Deutsche Meisterschaft war natürlich etwas Besonderes. Auch das Double 1986. Aber ein WM-Titel gehört einfach zum Größten, was man als Spieler erreichen kann. Auch wenn ich bei der WM 1990 in Italien nur ein Spiel machte, das Gruppenspiel gegen Kolumbien: Weltmeister bist du ein Leben lang. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, in Frankfurt zu landen und dort von Tausenden Menschen bejubelt zu werden. Das war ich als Münchner in Frankfurt gar nicht gewohnt.

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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