"Jeder wollte Haller sehen"

Profis
23.02.2024

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim FC Augsburg kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Hans Jörg. 

Hans Jörg: Das ist ja schön, dass der SC Freiburg anruft, ich war erst vergangenes Jahr bei einer Begegnung im neuen Stadion.

Als der FC Augsburg im Oktober hier spielte?

Jörg: Nein, in der Saison davor, als der VfB Stuttgart beim Sport-Club antrat. Das war im Februar 2023. Und ich muss echt sagen: Ein richtig schmuckes Stadion habt ihr euch da gebaut. Ich kenne noch das alte Dreisamstadion, da habe ich mit dem FCA in den 70er-Jahren ein paar Mal gespielt – das war schön heimelig. Aber das Europa-Park Stadion ist noch mal eine andere Nummer.

Wenn wir schon bei Stuttgart sind: Der VfB wollte Sie 1972 verpflichten, aber Sie schlugen das Angebot aus, warum?

Jörg: Ich spielte damals, da war ich 20 Jahre alt, beim FC Kempten, als mich sowohl der FC Bayern München als auch der VfB Stuttgart verpflichten wollten. Als jemand, der in Bayern aufwächst, tendierte ich natürlich eher zum FC Bayern, für den ich mich dann auch entschied.

Zudem dürften Sie die Namen künftiger Mitspieler in München gereizt haben: frischgebackene Europameister wie Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß, Sepp Maier …

Jörg: … Georg Schwarzenbeck, Paul Breitner, Gerd Müller. Ja, da standen schon echt herausragende Fußballer und Persönlichkeiten auf dem Platz.

Was für Sie letztlich ein Nachteil war. 

Jörg: Klar, in dieser hochkarätigen Truppe wurde ich nur sporadisch eingewechselt und spielte sehr wenig. Im Gegenzug habe ich aber viel von diesen Spielern gelernt, das war im Endeffekt total viel wert – noch wertvoller als der Meistertitel am Ende der Saison.

Nach einem Jahr verließen Sie die Bayern schon wieder und schlossen sich dem FC Augsburg an.

Jörg: Da ich vor dem Engagement bei Bayern München viele Jahre in der Bayernauswahl gespielt hatte, kannte ich noch etliche Spieler des FC Augsburg. Der Verein wollte mich, und ich fand die Stadt auch deshalb attraktiv, weil man dort gut studieren konnte.

Es heißt, Sie hätten sich sogar in Ihren Spielervertrag schreiben lassen, dass Sie neben dem Fußball auch studieren durften.

Jörg:(lacht) Die Geschichte ist korrekt. Ich wollte nicht nur alles auf eine Karte setzen, wusste, dass ich auch nach der Fußballkarriere etwas Sinnvolles machen und Geld verdienen musste. Also studierte ich Wirtschaftswissenschaften, spezialisierte mich in späteren Semestern auf Steuern und Rechnungswesen – und führte, als ich nicht mehr Fußball spielte, auch jahrelang erfolgreich eine eigene Steuerkanzlei in Kempten. Natürlich gab es manchmal Sticheleien von Trainer Max Merkel, wenn ich erst zum Nachmittagstraining erschien, weil ich vormittags in der Vorlesung war. Aber das machte mir nichts aus, weil der Trainer nicht auf mich verzichten konnte.

Als Sie 1973 nach Augsburg kamen, feierte die Stadt den Transfer der bis heute sicherlich größten Legende des Vereins: Helmut Haller kam zurück in die Fuggerstadt.

Jörg: Ein Weltstar! Er hatte bei der WM 1966 sechs Tore geschossen – als Mittelfeldspieler. Er war mit Juventus Turin zwei Mal italienischer Meister geworden, zudem als erster Ausländer überhaupt zu Italiens Fußballer des Jahres gewählt worden. Und nun kehrte er in seine Geburtsstadt zurück. Er löste eine unfassbare Fußballbegeisterung in Augsburg aus. Waren sonst immer um die 1.500 Zuschauer ins Rosenaustadion gekommen, saßen nun bei den Regionalligaspielen im Schnitt 22.000 auf den Tribünen. Jeder wollte Helmut Haller sehen.

Was hatte Haller, das andere nicht hatten?

Jörg: Fußballerisch war Helmut einfach herausragend. Kölns Wolfgang Overath hatte einen starken linken Fuß, Gladbachs Günter Netzer einen starken rechten, aber er konnte es mit beiden Füßen. Zudem war er menschlich ein Riesentyp. Er sorgte immer für gute Stimmung, hatte stets einen Scherz auf Lager. Eine Persönlichkeit mit solch einer Aura habe ich selten in meinem Leben getroffen.

Mit Helmut Haller stieg in Augsburg zu jener Zeit nicht nur die Stimmung in der Kabine und auf den Tribünen, sondern auch die Leistung auf dem Platz.

Jörg: Wir blieben in jener Spielzeit 1973/74 bis zum 17. Spieltag ungeschlagen. Heute würde man sagen: Wir waren im Flow. Am Ende der Saison wurden wir Meister der Regionalliga, was bedeutete, dass wir direkt in die neu gegründete 2. Bundesliga aufstiegen – ein Meilenstein für den Verein.

Und beinahe wäre es noch besser gekommen: mit dem Aufstieg in die Bundesliga.

Jörg: In der Aufstiegsrunde in jenem Sommer hätten wir uns beinahe für die höchste deutsche Spielklasse qualifiziert, es fehlte nur ein einziges Tor! Aber gut, 2. Bundesliga war natürlich auch eine tolle Erfahrung. Und das mit dem Bundesligaaufstieg hat der FCA ja
38 Jahre später nachgeholt. 

 

Hans Jörg (73) lief zwischen 1973 und 1981 für den FC Augsburg auf, mehrere Jahre auch als Kapitän. Für die Fuggerstädter absolvierte er rund 200 Spiele, erzielte dabei als Mittelfeldspieler 60 Tore. Nach seiner aktiven Zeit führte er eine Steuerkanzlei in Kempten, heute genießt er seinen Ruhestand.

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

 
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