Gambino: "Immer zurückgekämpft"

Profis
08.02.2024

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei Borussia Dortmund kommt eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Salvatore Gambino

Herr Gambino, am Abend des 2. November 2003: Konnten Sie sich da vorstellen, dass es auf der Welt noch einen glücklicheren Menschen gab als Sie? 

Gambino: Wahrscheinlich nicht. Ich war unfassbar stolz und glücklich: Am Nachmittag hatte ich mein erstes Bundesligaspiel gemacht, und das auch noch von Anfang an. Abends saß ich dann fix und fertig, aber voller Freude mit meiner Familie zusammen und habe die Wiederholung des Spiels angeschaut.

Ein Spiel, das auch noch sehr kurios verlaufen war. Vor heimischer Kulisse spielte der BVB an jenem elften Spieltag der Saison 2003/04 gegen den Hamburger SV ...

Gambino: ... der früh führte und nach der Pause auf 2:0 erhöhte. Dann kam Jan Koller, verkürzte in der 64. Minute, glich zwei Minuten später per Elfer aus. Und Ewerthon drehte weitere drei Minuten später das Spiel.

Und die Südtribüne flippte komplett aus. 

Gambino: Das war wie im Tollhaus. Der Sieg war so unglaublich wichtig für die Mannschaft, die Fans und den gesamten Verein, der in jener Zeit so arg gebeutelt war.

Sie meinen die Fast-Insolvenz des BVB, dessen hoher Schuldenstand in jener Saison mehr und mehr ans Licht kam?

Gambino: Ja, einige Spieler mussten in der Folge auch auf Teile ihres Gehalts verzichten. Mich als jungen Spieler interessierte das Geld nicht so sehr, mir ging es vielmehr darum, die Chance zu nutzen und in der Bundesliga zu spielen. Und zum Glück hatte ich in Matthias Sammer einen Trainer, der dem Nachwuchs eine Chance gab.

Das haben Sie ihm und der Mannschaft dann auch zurückgezahlt. Anschließend kamen Sie in der Saison 2003/04 auf weitere 19 Ligaspiele, 16 davon bestritten Sie von Anfang an.

Gambino: Zwei Spieltage nach meinem Debüt stand ich im Westfalenstadion wieder in der Startelf und erzielte gegen Bayer Leverkusen nicht nur mein erstes Bundesligator, sondern auch gleich meinen ersten Doppelpack. Viel besser konnte es nicht laufen.

Ganz Dortmund war verzückt vom talentierten Eigengewächs. Was aber geschah in der Folge, dass in der Statistik hinter Ihren Einsätzen für die Dortmunder Profis nicht eine Zahl mit 200 oder 300 steht, sondern gerade mal 50?

Gambino: Da kam einiges zusammen, an vorderster Stelle eine böse Knieverletzung. Gegen Ende jener Saison verdrehte ich mir in einem Spiel für die zweite Mannschaft das Knie. Diagnose: Kreuzbandeinriss. Also Operation, danach Reha. In der Zwischenzeit hatten wir mit Bert van Marwijk einen neuen Trainer, unter dem ich mich erstmal wieder beweisen musste. Das gelang mir auch in der Winterpause – und kaum ging die Rückrunde los, zog ich mir gegen den VfL Wolfsburg die nächste Verletzung zu: Anriss des Syndesmosebandes. Tja, und so war das dann mit meinem Körper in den folgenden Jahren: Hatte ich mich von einer Verletzung zurückgekämpft, kam schon die nächste. Bis heute wurde ich fünf Mal am Knie operiert.

Aufgegeben haben Sie dennoch nicht.

Gambino: Nein, weil ich mental schon immer sehr stark war. Und weil ich eine Familie hatte, die extrem hinter mir stand. Ohne diesen Rückhalt wäre es schwer geworden, sich immer wieder so zurückzukämpfen.

Und trotzdem mussten Sie sich im Sommer 2006 eingestehen: Hier in Dortmund wird das nichts mehr.

Gambino: Ich war seit zehn Jahren beim BVB, mit mehreren Jugendmannschaften Deutscher Meister geworden. Es fiel mir nicht leicht, diesen besonderen Verein zu verlassen, aber ich brauchte einen Neustart.

Den suchten Sie beim damaligen Zweitligisten 1. FC Köln ...

Gambino: … wo ich ihn aber nicht wirklich fand. Ich hatte damals auch ein Angebot vom Erstligisten 1. FSV Mainz 05, habe mich aber aufgrund der Nähe zu Dortmund für Köln entschieden.

Ist es übertrieben zu sagen, dass Sie erst nach Italien wechseln mussten, um Ihr langfristiges Glück als Fußballprofi zu finden?

Gambino: Nein, das würde ich so unterschreiben. Nach zwei durchwachsenen Spielzeiten in Köln wechselte ich zur TuS Koblenz, wo ich allerdings nur zwei Zweitligaspiele machte. Ich ging dann nach Italien, runter in die Regionalliga zum sizilianischen Club Trapani Calcio. Ich bekam dort meine Knieprobleme in den Griff – vielleicht lag es am mediterranen Klima, das mir guttat. Wir stiegen in die dritte Liga auf, später gar in die zweite – das war eine schöne Zeit.

Wie oft haben Sie spekuliert, wie Ihre Karriere wohl verlaufen wäre, hätten Sie nicht diesen anfälligen Körper gehabt?

Gambino: Wenn ich diese Verletzungen nicht gehabt hätte, müsste ich heute sicher nicht in einer Bank arbeiten. Aber ich habe trotzdem nicht schlecht gelebt und immer alles für den Fußball getan, den ich so liebe. Ich habe viele glückliche Momente erlebt, hatte aber eben auch ein bisschen viel Pech.   

 

Salvatore Gambino, 40, kam in der C-Jugend zum BVB. Mit Mitspielern wie Florian Kringe und David Odonkor gewann er mehrere Deutsche Juniorenmeisterschaften. Für die Dortmunder Profis und die U23 absolvierte er 117 Spiele. Heute arbeitet er als Bankkaufmann und trainiert den Kreisligisten TuS Uentrop.

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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