"Das war richtig viel Euphorie"

Profis
10.11.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei RB Leipzig kommt eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Sebastian Heidinger. 

Herr Heidinger, im Sommer feierte RB Leipzig ein kleines Jubiläum: Vor zehn Jahren stieg der Verein erstmals in die 3. Liga auf. Das war damals schon ein Meilenstein, oder?

Sebastian Heidinger: Total! Ich glaube, das war sogar der größte Meilenstein nach der Gründung des Vereins im Jahr 2009. Der Aufstieg in die 3. Liga war für den Klub so etwas wie ein Nadelöhr, weil es einfach sehr schwierig ist, Regionalligameister zu werden und zusätzlich die Relegation zu gewinnen, um dann hochzukommen.

In den beiden Spielzeiten zuvor war dieses Vorhaben jeweils gescheitert …

Heidinger: … und auch der dritte Anlauf wurde am Ende noch mal sehr knapp.

RB Leipzig hatte in jener Regionalligasaison 2012/13 von 30 Ligaspielen 21 gewonnen, kein einziges Mal verloren. Und dann kamen die beiden Relegationsspiele gegen den VfL Sportfreunde Lotte.

Heidinger: Das Hinspiel lief optimal. Wir spielten vor 30.000 Fans, was der absolute Wahnsinn war. In den Jahren zuvor, also seit der Gründung von RB, hatte es selbst in Leipzig einige Zweifler gegeben. In jener Saison aber hatte sich etwas verändert: Plötzlich waren in der Stadt vermehrt unsere Vereinsfarben zu sehen, unser Stadion wurde immer voller, die Unterstützung immer größer. Es war richtig Euphorie zu
spüren. Die übertrug sich natürlich auch auf uns Spieler. Wir gewannen das Hinspiel ziemlich souverän mit 2:0.

In einem Interview sagen Sie über das damalige Rückspiel: „Wir sind richtig entspannt reingegangen.“ Wohl doch etwas zu entspannt …

Heidinger: (lacht) Ich erinnere mich noch gut an eine Szene in der Anfangsviertelstunde. Ich hatte früh die Gelbe Karte bekommen, war aber scheinbar dennoch so locker drauf, dass ich, nachdem ich einen Ball abgelaufen hatte, in die Fernsehkamera zwinkerte. Mitten im Spiel! Wie ich so etwas machen konnte, kann ich bis heute nicht verstehen, da würde mir jeder Trainer eins auf den Deckel geben. Aber wir hatten eben dieses Selbstverständnis, aufsteigen zu wollen – nach einer bislang ungeschlagenen Saison und dem Ergebnis aus dem Hinspiel allemal.

Und plötzlich kam dann doch Nervosität auf, als die Sportfreunde Lotte nach 26 Minuten die Führung erzielten?

Heidinger: Ja. Von einem zum anderen Moment waren wir nicht mehr so locker und der Kopf schaltete sich ein: Wir haben hier richtig was zu verlieren.

Dennoch hielten Sie lange das 0:1, das zum Aufstieg ja reichte.

Heidinger: Mit der letzten Aktion des Spiels aber, sozusagen mit der allerallerletzten Aktion der Saison, schossen wir noch einen richtigen Bock. Torhüter Fabio Coltorti wollte das Spiel noch einmal schnell machen, einen Konter einleiten. Matthias Morys verlor beim Versuch eines Übersteigers an der Mittellinie den Ball, Lotte fuhr einen Konter. Und nach einer Flanke drückte der Gegner den Ball am langen Pfosten tatsächlich ins Tor. Wir sackten alle zusammen, das war brutal. Geholfen hat in dem Moment nur der Abpfiff und die kurze Pause, in der uns die anderen Spieler von der Bank, die Trainer und der ganze Staff versucht haben aufzubauen. So konnten wir uns ordnen, uns wieder fokussieren.

Und so gelang in der Verlängerung schnell das 1:2, wenig später der Ausgleich.

Heidinger: Ich kann mich an keine Chance von Lotte mehr erinnern, wir hatten das Spiel wieder unter Kontrolle. Mit Tim Sebastian hatte Trainer Alexander Zorniger einen Spieler eingewechselt, der uns noch mal
Stabilität verlieh. Durch das Unentschieden sind wir am Ende dann wirklich eine komplette Saison ohne Niederlage geblieben. Nach dem Abpfiff brachen alle Dämme – ich habe die Bilder bis heute im Kopf. Vor allem, wie Sportdirektor Ralf Rangnick mir noch auf dem Rasen mündlich die Verlängerung meines auslaufenden Vertrags anbietet.

Wie hat dieser Aufstieg RB verändert?

Heidinger: Er war wie ein Startschuss für das, was wir heute hier haben. Damals bestand das Trainingsgelände noch aus einem Containerdorf, heute steht hier ein modernes Zentrum. Der Grundstein für die Nachwuchsakademie wurde kurz nach diesem Aufstieg gelegt, das Stadion in den Folgejahren Stück für Stück ausgebaut und verändert. Da war richtig viel Euphorie zu spüren, man hatte das Gefühl, dass nun wirklich die ganze Stadt hinter uns steht.

In der Folgesaison gelang der direkte Durchmarsch in die 2. Bundesliga. Sie spielten noch ein Jahr, mussten aber im Sommer 2015 den Verein verlassen. Ärgert es Sie, dass Sie den Weg des Clubs nicht bis in die höchste Spielklasse mitgehen durften?

Heidinger: Klar wäre ich gern noch ein weiteres Jahr geblieben, um den Bundesliga-Aufstieg mitzuerleben. Aber ich bin den Weg von RB auch außerhalb von Leipzig mitgegangen, weil ich mit dem Verein stets sehr verbunden war, noch mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Kontakt blieb, selbst als ich nach meiner aktiven RB-Zeit im fernen Heidenheim oder Fürth kickte. Und vor drei Jahren kehrte ich schließlich zurück: als Jugendtrainer.

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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