"Das hat den Verein geprägt"

Profis
01.12.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim 1. FSV Mainz 05 kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Peter Neustädter.

Herr Neustädter, nachdem Sie 1992 aus Russland nach Deutschland gekommen waren, spielten Sie hierzulande elf Jahre als Profi – aber nur ein einziges Mal im Dreisamstadion in Freiburg.

Peter Neustädter:(lacht) Kaum zu glauben! Dabei haben wir ab und zu in der 2. Liga mit Mainz auch gegen den Sport-Club gespielt. Da müssen Sie mir auf die Sprünge helfen: Wann war das?

In der ersten Bundesligasaison des SC Freiburg, 1993/94: Da gastierten Sie mit dem Karlsruher SC in Südbaden und erlebten von der Bank aus ein 3:3.

Neustädter: Tut mir leid, daran kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Ich habe in Deutschland schon in allen Ligen gespielt, von der Bundesliga bis zur Oberliga, und schon so viele Stadien gesehen, da kann man sich nicht alles merken. Aber ich weiß noch, dass immer gesagt wurde, in Freiburg sei der Platz so breit.

Noch in jener Saison wechselten Sie im Winter zum Chemnitzer FC in die 2. Liga.

Neustädter: In Karlsruhe saß ich meist auf der Bank. Ich wollte aber unbedingt spielen. Das Angebot aus Chemnitz nahm ich sofort an, ohne zu wissen, dass das Team auf einem Abstiegsplatz stand. Aber Hauptsache, ich konnte spielen – und das tat ich in der Rückrunde auch sehr gut.

So gut, dass der 1. FSV Mainz 05 Sie im Sommer 1994/95 umwarb.

Neustädter: Der damalige Manager und heutige Sportvorstand Christian Heidel machte mir ein gutes Angebot. Ich hätte auch zu Hannover 96 wechseln können, aber meine Frau war schwanger, und wir lebten immer noch in Karlsruhe – und da Mainz nicht weit weg war von Karlsruhe, entschied ich mich für Mainz.

Und dann erlebten Sie gleich im ersten Jahr …

Neustädter: … was wir in Mainz in den 90er-Jahren in der 2. Liga mehrmals erlebten: Abstiegskampf. Erst am letzten Spieltag jener Saison konnten wir durch ein 7:1 gegen den schon abgestiegenen FSV Frankfurt noch die Klasse halten.

Eine Saison später, 1995/96, zitterten Sie bis zum 33. Spieltag.

Neustädter: Wir waren grottenmies gestartet: ein Punkt aus den ersten acht Spielen – und null Tore. Aber wir kamen zurück, was letztlich auch viel mit Wolfgang Frank zu tun hatte, der seit Sommer unser Trainer war. Im Trainingslager in Zypern hatte er die Viererkette und Raumdeckung eingeführt. Davor hatten wir immer mit Libero gespielt, ich war noch als klassischer Manndecker in der Abwehr ausgebildet worden. Die Umstellung forderte uns Spieler. Aber Frank hat immer alles erklärt und uns in den Spielen super motiviert. Er war ein Vorbild für viele aus der Mainzer Mannschaft, die später einmal Trainer wurden. Man denke nur mal an Jürgen Klopp, an Marco Rose, an Torsten Lieberknecht – auch ich wurde später Trainer.

Wenn man wie Mainz in den 90ern fast jede Saison gegen den Abstieg spielt, prägt das?

Neustädter: Total! Das schweißt zusammen. Auch die äußerst knapp verpassten Aufstiege in den Spielzeiten 1996/97, 2001/02 und 2002/03 …

… als der FSV jeweils am letzten Spieltag auf dem ungeliebten vierten Rang landete …

Neustädter: … haben den Verein geprägt und den Zusammenhalt erhöht. Was Mainz auch immer zugutekam, ist die Mentalität der Menschen, dieses Bodenständige. Das kann man ja auch in Freiburg sehen – da flippt niemand gleich aus, wenn es mal nicht so rund läuft. Der 1. FSV Mainz 05 ist außergewöhnlich anders. Ich hoffe sehr, dass sie diese Saison noch die Kurve kriegen.

In den letzten Jahren in Mainz spielten Sie unter Jürgen Klopp, der die Mannschaft im Alter von erst 33 Jahren als Trainer übernommen hatte – und in den Jahren zuvor noch Ihr Mitspieler gewesen war. War das seltsam für Sie?

Neustädter: Nein, damit hatte ich keine Probleme. Wir kannten Jürgen und wussten, wie ehrgeizig er war. Er war extrem wichtig für uns und für den Verein, auch in den Jahren danach. Er übernahm uns in der Rückrunde der Saison 2000/01 auf einem Abstiegsplatz – und wir gewannen gleich das erste Spiel mit 1:0 gegen Duisburg. Mit ihm ging es für den FSV steil bergauf – der Rest ist Geschichte.

Sie standen unter Klopp aber nicht mehr so häufig auf dem Platz.

Neustädter: Ich war ja auch am Ende meiner Profikarriere angelangt. Ich hatte schon in den 90er-Jahren Knieprobleme. Der damalige FSV-Trainer Dietmar Constantini schickte mich zu einem sogenannten Wunderheiler in die Nähe von Salzburg. Bevor ich mich operieren ließe, sollte ich lieber erstmal den ausprobieren, sagte er. Der Mann – ein Ägypter – knetete mein Knie derart durch, dass ich richtig die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht loszuschreien. Am Ende aber ging ich raus und war geheilt. Wirklich wie ein Wunder. Und wunderbar, dass ich dann noch so lange kicken und mit Mainz mehrmals die Liga halten konnte.                                                                                                   

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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