Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Wolfgang Kleff.
Herr Kleff, unter ein Interview mit Ihnen schrieb ein Fan diesen rührenden Kommentar: „Wolfgang Kleff hat sportlich so alles erreicht, wovon jeder Fußballer träumt, und ist immer Mensch geblieben. Er ist immer gut gelaunt und hat nach wie vor den Schalk im Nacken. Wolfgang, Du bist eine echte Bereicherung“.
Wolfgang Kleff: Das freut mich sehr, wenn ich anderen – auch noch im höheren Alter – eine Freude machen, gar Vorbild sein kann. Ich sage immer: Lachen und Freude tun keinem weh.
Der Spaß kam in Ihrer Fußballkarriere jedenfalls nie zu kurz. Man denke nur an die Geschichte, wie Sie auf der Ersatzbank genüsslich eine Tafel Schokolade futterten.
Kleff: Zur Wahrheit dieser Geschichte gehört aber auch, dass ich an jenem Tag verletzt war. Aber ja: Humor gehörte immer schon zu mir – kein gezwungener, sondern ein natürlicher. Damit bin ich hier und da auch mal angeeckt in meiner Karriere, aber insgesamt haben die Menschen meine Ehrlichkeit und positive Ausstrahlung geschätzt. Denn wichtig war eben auch, dass ich trotz meiner lockeren Art Leistung gebracht habe. Das hat viel mit meiner Erziehung zu tun. Meine Eltern waren zum einen sehr freidenkende Menschen, zum anderen forderten sie aber Disziplin ein. Denn ohne Disziplin keine Leistung. Und die war mir wichtig: Die war ich auch meinen Mitspielern, dem Verein und den Fans schuldig.
Die Fans riefen Sie in den 70ern bald „Otto“, weil Sie vom Aussehen her dem Komiker Otto Waalkes ähnelten.
Kleff: Eigentlich hätten die Leute Otto Waalkes mit „Wolfgang“ begrüßen sollen, weil ich schon Bundesligaspieler und bekannt war, als seine Karriere erst langsam begann (lacht).
Durch Otto kamen Sie auch in den Genuss einer Filmrolle.
Kleff: Ja, er fragte mich 1985, ob ich in „Otto – Der Film“ mitspielen wollte. Da sagte ich natürlich sofort zu. Ich mimte den Friseur „Herr Astrid“, das war eine große Freude und eine wunderbare Erfahrung.
Große Freude dürfte Ihnen, und jetzt kommen wir mal zum Sport, auch das Kräftemessen mit den Bayern in den 70er-Jahren bereitet haben. Zwischen 1968 und 1977 teilten Borussia Mönchengladbach und Bayern München neun Titel unter sich auf.
Kleff: Heute würden die Medien aus diesem Duell sicherlich mehr rausholen, als sie es damals taten. Wahrscheinlich würde man es heute den „deutschen Superclásico“ oder so nennen. Die Duelle waren besonders, ganz klar. Besonders schön war der Titelgewinn 1969/70 – auch für mich persönlich. In meiner ersten Saison bei Gladbach im Jahr zuvor war ich bereits auf neun Einsätze gekommen, weil sich Stammkeeper Volker Danner verletzt hatte. Im zweiten Jahr war ich dann die Nummer eins im Tor. Und am Ende stand direkt die Deutsche Meisterschaft fest, die auch die erste des Vereins war. Davon habe ich als junger Kerl natürlich immer geträumt.
Und im Jahr darauf wiederholten Sie den Erfolg, verteidigten als erstes Team der Bundesligageschichte den Titel.
Kleff: Am Ende der Saison 1970/71 ging es eng zu. Wir überholten die Bayern noch am letzten Spieltag durch einen 4:1-Erfolg bei Eintracht Frankfurt, während die Münchner 0:2 beim MSV Duisburg unterlagen. Das war eine sensationelle Leistung eines sensationellen Teams, mit Spielern wie Berti Vogts, Günter Netzer oder Jupp Heynckes.
Neben den Duellen zwischen Bayern und Mönchengladbach ging es in den 70ern auch um den Zweikampf der beiden Torhüter Sepp Maier und Wolfgang Kleff.
Kleff: Ich habe dieses Duell immer sehr locker gesehen. 1971 wurde ich vom damaligen Bundestrainer Helmut Schön erstmals zur Nationalmannschaft eingeladen. Sepp Maier war damals nicht in Topform, ich kam zu meinem Debüt gegen Norwegen. Aber mir war klar: Wenn sich der Sepp wieder berappelt, wird er auch wieder im Tor der Nationalelf stehen – und so kam es dann auch.
In jenen Jahren entstand auch dieser Witz, den Sie gerne erzählten: „Sepp Maier will unbedingt wissen, ob er der Beste ist, und fragt jeden Morgen seinen Hund: Wer ist der beste Torwart in Deutschland? Aber der Hund antwortet immer nur: Kleff, Kleff.“
Kleff:(lacht) Den finde ich bis heute lustig. Sepp hatte ja auch Humor, und wir waren nie verbissene Kontrahenten. Meine Einstellung war sowieso, anderen ihren Erfolg zu gönnen, wenn sie besser sind. Wichtig war mir nur, bis zum Abpfiff zu versuchen, es dem Gegner so schwer wie möglich zu machen. Wenn man dann trotzdem verliert, kann man zumindest erhobenen Hauptes vom Platz gehen.
Herr Kleff, Kriege, Konflikte, Rechtsruck: Die Welt ist aktuell voll mit Dingen und Ereignissen, die einen bedrücken können. Wie bewahrt man sich in solchen Zeiten den Humor?
Kleff: Indem man so bleibt, wie man ist. Indem man trotzdem die Freuden des Lebens sieht und sie genießt. Außerdem ist es wichtig, immer zu versuchen, die Welt und die Menschen grundsätzlich positiv zu sehen, bevor sie dich eines Besseren belehren können.
Wolfgang Kleff, 78, stand zwischen 1968 und 1982 für Borussia Mönchengladbach 321 Mal im Tor. Er wurde in dieser Zeit fünf Mal Deutscher Meister, ein Mal DFB-Pokal- und zwei Mal UEFA-Cup-Sieger – sowie 1972 Europameister und 1974 Weltmeister mit der deutschen Nationalmannschaft.
Interview: Christian Engel
Foto: Imago Images
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