"Ein unfassbar tolles Team"

Profis
30.08.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim VfB Stuttgart kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Cacau.

Cacau, Sie sind bekennender Christ: Wie sehr hat Ihnen der Glaube während Ihrer Fußballkarriere geholfen?

Cacau: Der Glaube war mein Anker, vor allem in schwierigen Zeiten, wenn ich verletzt war oder auf der Bank saß. Allein zu wissen, dass man, egal in welcher Situation, von Gott geliebt ist, hat mir stets Ruhe gegeben und Kraft geschenkt. Der Glaube hat mich stark gemacht, so stark, dass ich als junger Spieler den Sprung von Brasilien nach Deutschland geschafft habe. Und hier so weit gekommen bin.

Sie waren 19, als Sie vom AC São Paulo zum SV Türk Gücü München wechselten. Bereits ein Jahr später gingen Sie zum 1. FC Nürnberg und spielten Bundesliga.

Cacau: Erst einmal wurde ich in Nürnberg bei der zweiten Mannschaft eingesetzt. Ich spielte nicht schlecht, war meiner Meinung nach bereit, Bundesliga zu spielen, andere sahen das aber nicht so. Ich spürte: Ich muss nur noch über die Mauer springen, dann habe ich mein großes Ziel erreicht. Im Training bei der Zweiten fragte mich einmal ein Mitspieler, was ich machen würde, wenn mir der letzte Schritt in die Bundesliga nicht gelänge. Ich sagte ihm: Er wird gelingen. Er fragte noch mal: Ja, aber was, wenn nicht? Ich sagte ihm: Ich schaffe es. Ich war einfach so davon überzeugt, dass ich mir meinen Traum erfüllen würde.

In Nürnberg bestritten Sie schließlich 44 Bundesligaspiele, bevor der VfB Stuttgart Sie 2003 verpflichtete. Sie blieben dort zwölf Jahre, dabei wären es beinahe nur drei geworden.

Cacau: Nach einem schon guten ersten Jahr in Stuttgart hatte ich ein besonders gutes zweites: Ich machte 32 Bundesligaspiele, traf zwölf Mal, legte drei Treffer auf. In meiner dritten VfB-Saison kam ich unter Trainer Giovanni Trapattoni jedoch nur auf 20 Ligaeinsätze, schoss in der Saison gerade mal vier Tore. Vor der Saison 2006/07 sagte mir der Verein: Cacau, wir planen nicht mehr mit dir. Hieß: Ich sollte mir einen neuen Verein suchen. Mainz 05 mit Trainer Jürgen Klopp hatte Interesse, aber ich sagte: Ich bleibe beim VfB, ich will mich hier durchbeißen.

Sie blieben und erlebten daraufhin die erfolgreichste Saison Ihres Lebens: Sie wurden Deutscher Meister, standen auch im DFB-Pokalfinale, steuerten 13 Tore in der Liga und vier im Pokal bei. Wie wird man vom eigentlich Aussortierten zum Helden?

Cacau: Mir kam sicherlich zugute, dass ich mich auch in der Saisonvorbereitung nicht hängen ließ und dem neuen Trainer Armin Veh signalisierte: Ich will, ich kämpfe. Zugute kam mir persönlich auch, dass wir im ersten Saisonspiel daheim 0:3 gegen Nürnberg auf den Deckel bekamen, ich nach meiner Einwechslung aber 30 Minuten lang ein gutes Spiel machte. Am zweiten Spieltag gegen Arminia Bielefeld durfte ich von Anfang an ran: Wir gewannen die Partie trotz zweifacher Unterzahl mit 3:2 – ich schoss zwei Tore. Danach war ich gesetzt und verpasste in der Saison nur zwei Spiele.

Der erkämpfte Sieg in Bielefeld war der Auftakt für eine unglaubliche Saison, an deren Ende der VfB ganz oben stand, nach 25 Jahren wieder einmal die Deutsche Meisterschaft feierte.

Cacau: Wir hatten so ein unfassbar tolles Team, in dem es auch mal Reibereien gab, diese letztlich aber immer dazu führten, noch geschlossener zu werden. Die persönlichen Empfindlichkeiten zurückzustellen, das hat uns damals als Mannschaft ausgezeichnet. Und dann lief es eben wie
am Schnürchen: mit einem sensationellen Saisonfinale, als wir in acht Spielen acht Siege holten.

Und beinahe hätten Sie dieser fantastischen Saison noch die Krone aufgesetzt: mit dem Double. Im DFB-Pokalfinale gegen Ihren ehemaligen Club 1. FC Nürnberg unterlief Ihnen allerdings ein, nun ja, kann man es Blackout nennen?

Cacau: Kann man so sagen, ja. Die Bühne war da, wir hatten die Chance aufs Double, ich war voll motiviert – vielleicht ein bisschen übermotiviert. Jedenfalls habe ich mich von den Nürnbergern, die mich teilweise noch gut kannten, provozieren lassen. Gerade Gegenspieler Andreas Wolf bearbeitete mich die ganze Zeit über, nicht immer fair. Nach 30 Minuten schlug ich ihm bei einem Laufduell, als ich mich befreien wollte, mit der Hand in den Bauch – und flog vom Platz.

Zu dem Zeitpunkt stand es 1:1, die Führung hatten Sie erzielt. Am Ende verlor der VfB Stuttgart nach Verlängerung mit 2:3. Eine „Was-wäre-gewesen-wenn?“-Frage lässt sich nie mit 100-prozentiger Klarheit beantworten …

Cacau: … aber ich würde dennoch sagen, dass wir diese Partie in Gleichzahl mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen hätten. Wir waren so gut drauf. Der Platzverweis hat viel mit mir gemacht. Eine Woche zuvor hatten mir nach dem Gewinn der Meisterschaft noch 200.000 Fans in Stuttgart zugejubelt, und plötzlich war ich der Sündenbock, wurde teilweise böse beschimpft. Aber auch aus diesem Erlebnis habe ich meine Lehren gezogen. Zudem hatte ich meine Familie, die für mich da war. Und ich hatte die Gewissheit, dass ich in Gott jemanden an meiner Seite habe, der mich sowohl als Deutscher Meister als auch als Rotsünder liebt.

 

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 

 
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