"Grätschen noch aktiv geübt"

Profis
26.04.2024

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Gegners zu Wort: Hans-Heinrich Pahl.

Herr Pahl, klären Sie uns bitte kurz auf. Welcher Rufname stimmt denn nun: Hans-Heinrich oder Heiner?

Pahl: Also laut Urkunde heiße ich Hans-Heinrich. Aber seit 64 Jahren, also direkt seit meiner Geburt, werde ich schlicht Heiner genannt. Damals, so war das zumindest bei uns noch gängig, musste der Vorname des Vaters auch im Namen des Sohnes auftauchen, so kam der Doppelname bei mir zustande. Aber Hans-Heinrich war zu lang, das wollte niemand sagen. Also wurde Heiner daraus.

Und später, als Spieler in den 80er-Jahren, kam noch ein weiterer Spitzname hinzu: „der Blonde“.

Pahl: Haben Sie mal alte Fotos von mir gesehen? Da hatte ich strohblondes Haar – der Spitzname war also naheliegend. Ein guter Freund und ehemaliger Mitspieler beim VfL Wolfsburg, Frank Plagge, hat mich vor einigen Jahren dann aber umbenannt, in „der Ex-Blonde“. Nun ja, die Haare werden nun mal grauer im Alter – und weniger.

Neben Ihrer strahlenden Haarpracht waren Sie für kompromisslose Grätschen bekannt. Wie oft wäre der Schiedsrichter damals nach einem Ihrer Zweikämpfe an den Monitor zitiert worden, hätte es den VAR in den 80ern schon gegeben?

Pahl: Der VAR hätte sich möglicherweise jedes Mal eingeschaltet (lacht)! Wir haben Grätschen damals im Training noch ganz aktiv geübt. Immer schön Sliding-Tacklings von der Seite. Wir sollten den Ball spielen, aber ruhig auch den Gegenspieler mitnehmen. Eine Grätsche war ja auch ein probates Mittel, um die eigenen Jungs auf dem Platz oder die Fans auf den Tribünen aufzuwecken, wenn das Spiel mal vor sich hindümpelte. Aber: Ich bin zwar zwei Mal vom Platz geflogen, weil ich einmal den Gegenspieler festgehalten und das andere Mal nachgetreten habe – aber nie wegen eines groben Foulspiels.

Sie sagten in einem Interview: „Eine meiner größten Stärken war mein Kampfgeist.“ Kann man den trainieren?

Pahl: Wille hat man oder man hat ihn nicht. Meine Eltern waren Kriegskinder, ich denke, dass mich das geprägt hat, sich durchzusetzen, für seinen Erfolg hart zu arbeiten – ohne Kampfgeist wäre meine Karriere nicht möglich gewesen.

Als Schwäche nannten Sie Ihre Kondition: „Damit hatte ich es nicht so.“ Stimmt es, dass Sie in Braunschweig einmal nicht aufgestellt wurden, weil Sie zuvor beim Waldlauf Vorletzter wurden?

Pahl: Mein damaliger Trainer bei Eintracht Braunschweig, Uli Maslo, hat mich tatsächlich einmal nicht aufgestellt, weil ich ein paar Tage zuvor beim Waldlauf als Drittletzter ins Ziel gekommen war. Aber mit ihm konnte ich sowieso nicht so gut. Ich habe bei späteren Laktattests immer schlecht abgeschnitten, aber dennoch auf dem Platz 90 Minuten durchgeackert. Die Erfahrung kam mir später zugute – da weiß man irgendwann, welche Wege auf dem Platz man gehen muss und welche man sich auch mal sparen kann.

Trotz vielleicht nicht so starker Kondition haben Sie zahlreiche Spiele auf hohem Niveau bestritten: 214 in Braunschweig, 155 beim VfL Wolfsburg. Was Sie gleich zu Legenden zweier Clubs macht …

Pahl: ... Naja, ich bezweifle, dass ich in Braunschweig als Legende gelte. Noch heute wird mir der Wechsel zum Erzfeind Wolfsburg von einigen nicht verziehen.

Sie wechselten im Sommer 1987 nach dem Zweitligaabstieg mit Braunschweig zum VfL Wolfsburg, der ebenfalls in der damaligen drittklassigen Oberliga Nord spielte – wieso der Wechsel?

Pahl: Ich hatte damals eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern. Die

Verdienstmöglichkeiten bei Braunschweig waren nach dem Abstieg sehr bescheiden, Wolfsburg aber hatte VW, wo wir Spieler auch arbeiten konnten. Tagsüber acht Stunden in der Fabrik, abends Training – und die Aussicht, auch nach der Fußballkarriere noch einen guten Job mit Aufstiegsmöglichkeiten zu haben.

Sie haben in Ihrer Karriere kein einziges Spiel gegen den SC Freiburg bestritten, aber dennoch eine spätere SC-Persönlichkeit kennenlernen dürfen: Volker Finke.

Pahl: In der Oberliga Nord trafen wir häufig auf den TSV Havelse und dessen Trainer Volker Finke. Dass dieser kleine Club da oben mitspielen konnte, war Finkes Verdienst. Da hat man schon als Gegner gesehen, dass er Dinge anders macht, auf eine spezielle Raumdeckung und Nachwuchsspieler setzt. Diesen Weg hat er in Freiburg dann ja äußerst erfolgreich fortgeführt.

Havelse glückte mit Finke in der Saison 1989/90 das, was der VfL Wolfsburg zwei Jahre später auch schaffte: der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Mit diesem Erfolg gingen Sie von Bord.

Pahl: Ich wusste schon ein Jahr zuvor, dass ich nach der Saison aufhöre, weil mir VW ein Jobangebot in der Finanzabteilung gemacht hatte, das ich nicht ausschlagen konnte. Ich war damals 32 Jahre alt, hatte mit Braunschweig bereits in der Bundesliga und der 2. Liga gespielt. Daher fiel es mir auch leicht aufzuhören. Ich beendete meine Fußballlaufbahn in völliger Zufriedenheit.   

Hans-Heinrich „Heiner“ Pahl (64) spielte nach sieben Jahren bei Eintracht Braunschweig zwischen 1987 und 1992 für den VfL Wolfsburg, für den der Defensivspieler 156 Spiele bestritt. In der Saison 1991/92 glückte ihm mit dem VfL der Aufstieg in die 2. Bundesliga, im Anschluss beendete er seine Karriere.

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

 
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