Julian Schuster ist der neue Chef, Patrik Grolimund ein neuer Co und Lars Voßler jetzt der Dienstälteste im achtköpfigen SC-Trainerteam. Ein Gespräch über Fußstapfen, Fußballideen und den Dampfkessel Trainerbüro.
Julian Schuster, Lars Voßler und Patrik Grolimund, die Saisonvorbereitung hat mit einem teilweise neu zusammengesetzten Trainerteam begonnen – und mit einer öffentlichen Trainingseinheit, zu der rund 5.000 Zuschauer ins Europa-Park Stadion strömten. So viele wie nie zuvor beim SC ...
Schuster: ... was uns natürlich gefreut hat. Es war wirklich ein gelungener Startschuss für die neue Saison, für uns und auch für die Spieler war es toll. Schließlich hatten wir in den ersten Wochen der Vorbereitung keine Testspiele in Freiburg, bei denen die Fans die Mannschaft sehen konnten. Die Nähe zu den Fans und den Austausch mit ihnen leben zu können, ist uns aber sehr wichtig.
Nach dem Training folgte dann auch der erste Austausch mit den Medien. Als Sie dabei niemand nach den großen Fußstapfen von Christian Streich fragte, haben Sie das kurzerhand selbst angesprochen. Ungewöhnlich, oder?
Schuster: Es war mir einfach sehr wichtig war, danke zu sagen, zumal ich mich davor noch nicht öffentlich geäußert hatte. Ich bin Chris und Patrick (Christian Streich und Patrick Baier, Anm. d. Red.) unglaublich dankbar. Wir haben uns 16 Jahre lang fast täglich gesehen und viel zusammen erlebt. Es war nicht selbstverständlich, dass sie schon mit dem neuen Trainerteam zusammengearbeitet haben und in Fragen für die neue Saison eingebunden waren, obwohl sie im eigenen Prozess des Loslassens waren.
Nicht nur deshalb war es sicher kein gewöhnlicher Übergang von einem Cheftrainer zum nächsten. Sehen Sie Vorteile darin, dass Sie schon lange im Trainerteam eingebunden waren?
Schuster: Es hat den Vorteil, die Fußstapfen zu kennen. Für jemanden, der von außen kommt, wären sie vielleicht weniger greifbar, und es fiele schwerer zu erkennen, was sie bedeuten. Mir jedenfalls hilft es zu wissen, wie Chris gearbeitet hat, wie das Training ausgesehen hat, wie er mit den Spielern umgegangen ist – und natürlich auch, wie es bei den Spielern ankam. Jetzt wollen wir mit diesem Wissen unseren eigenen Weg beschreiten.
Gemeinsam mit Trainern, die schon viele Jahre zum Team gehören. Lars Voßler, war für Sie eigentlich gleich klar, dass Sie weiter dabei sein wollen?
Voßler: Das hier ist meine Heimat, ich bin gerne hier. Und ich habe mich gefreut, dass sich der Verein für Julian entschieden hat, auch weil wir schon ein paar Jahre zusammenarbeiten. Heißt: Wir wissen, wie der andere tickt und haben uns schon unzählige Male über Fußball ausgetauscht. Für mich war es deshalb auch nie ein Thema aufzuhören, obwohl ich vom Alter her der nächste wäre (lacht). Das macht mir fast ein bisschen Angst, dass jetzt vielleicht jedes Jahr erwartet wird, dass ich auch mal gehe (alle lachen).
Patrik Grolimund, Sie sind zwar neu im Trainerteam, haben aber zumindest schon mal beim Sport-Club hospitiert. Wie kam das zustande?
Grolimund: Ich hatte das Vergnügen, Lars vor vier Jahren beim Fußballlehrer-Lehrgang kennenzulernen (Grolimund war stellvertretender Leiter der Pro-Lizenz-Ausbildung beim DFB, Anm. d. Red.). Da hatten wir einen tollen Austausch. Danach habe ich ihn gefragt, ob ich mal beim SC reinschauen kann. Es hat mich interessiert, wie auf dem Trainingsplatz gearbeitet wird, und welche Grundhaltung hinter der Mannschaftsführung steckt. Ich bin froh und dankbar, dass das möglich war. Und ich merke jetzt, dass es mir hilft, dass ich Christian Streich, das Trainerteam und die Kultur für drei Wochen miterleben durfte, damals noch im Dreisamstadion und im Trainingslager in Schruns. Dort habe ich schließlich auch Julian kennengelernt, wir haben zusammen auf der Tribüne ein Spiel angeschaut. Später war er dann bei mir im Lehrgang, und wir haben weiter den Kontakt gehalten.
Sie sollen bei Ihrer Hospitanz im Verein Eindruck hinterlassen haben, auch wegen der Rückmeldungen, die Sie anschließend gegeben haben.
Grolimund: Dazu müssen die anderen etwas sagen.
Schuster: Patrik hat uns in Schruns damals tatsächlich ein Feedback zu seiner Sicht auf unsere täglichen Abläufen gegeben. Wir fanden es spannend und wertvoll, auch weil es geholfen hat, zu erkennen, wo bei uns noch Potenziale schlummern. Aber ihn darauf zu reduzieren, wäre zu wenig. Er ist durch seine Ausbildung so breit aufgestellt, dass er uns in vielen Bereichen helfen kann. In unserem Team soll weiterhin jeder den anderen ergänzen und seine Stärken einbringen, da passt es, dass wir unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Charakteren und Persönlichkeiten sind.
Grolimund: Und mit unterschiedlichen fachlichen Kompetenzen. Eine Person kann nicht gleichzeitig an allen Stellrädchen richtig drehen. Wenn man im Trainerteam eine Kultur hat, in der sich alle vertrauen – und da geht Beziehung vor Inhalt – und wenn dazu eben Fachkenntnis kommt und Erfahrung und eine hohe Motivation, immer wieder optimieren zu wollen, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine gute Entwicklung. Und die Voraussetzungen dafür sehen wir für unser Team gegeben. Letztlich geht es doch darum, dass Cheftrainer und Spieler am Spieltag ein optimales Gefühl haben. Ich möchte gerne auch in Zukunft das Ganze im Blick behalten und Feedback geben – manchmal aber auch einfach nur an der Linie stehen und Abseits anzeigen (alle lachen).
Das Trainerbüro soll also der enge „Dampfkessel“ bleiben, von dem in den vergangenen Jahren immer wieder die Rede war?
Voßler: Wir sitzen ja schon immer alle gemeinsam in einem Großraumbüro. Und es war sicherlich eines der Erfolgsgeheimnisse, dass wir darin alles miteinander diskutiert haben. Auch wenn wir so vielleicht nicht immer effizient gearbeitet haben. Patrik ist ein Meister darin, solche Dinge zu erkennen und anzusprechen, direkt und ehrlich. Sagen wir also: Wir wollen alles mitnehmen, was uns stark macht – und die Fähigkeit uns zu entwickeln hat immer dazu gehört.
Was hat denn die Analyse der Vorsaison im Bereich des sportlichen Optimierungspotenzials ergeben?
Schuster: Erstmal ist es auch da wichtig, das mitzunehmen, was die Mannschaft auszeichnet und sie gut macht. Konkret: Es soll weiterhin in jeder Phase des Spiels unangenehm sein, gegen uns zu spielen. Wir wollen in der Phase mit dem Ball immer möglichst mehrere Optionen bieten. Und wir haben weiterhin gerne den Ball, das ist schon in der Freiburger Fußballschule die Basis der Arbeit. Aber nicht nur Ballbesitz zu haben ist wichtig, sondern ihn auch überlegt vorzubereiten. Und dann gilt es zielstrebig zu sein, Tore machen zu wollen. Da müssen die Jungs heiß drauf sein. Wir brauchen entsprechend viele Leute, die torgefährlich sind.
Und wenn der SC den Ball nicht hat?
Schuster: Defensiv ist uns wichtig, dass wir im Pressing flexibel sind, dass wir in bestimmten Phasen hoch pressen und den Gegner stören, aber dann auch mal in unterschiedlichen Höhen pressen. Bei den Grundordnungen haben ja schon die vergangenen Jahre gezeigt, dass wir auch während der Spiele noch kurzfristig wechseln können. Wir haben genügend Jungs, die Erfahrungen im Spiel mit Dreier- und Viererkette gesammelt haben, und können und wollen weiter variabel agieren.
Bei den Standards war die Mannschaft in der Rückrunde der Vorsaison nicht mehr ganz so erfolgreich. Wurden die so gut verteidigt oder hatte das auch personelle Gründe?
Schuster: Bei Standards sind wir offensiv wie defensiv traditionell eigentlich gut aufgestellt. Das müssen wir unbedingt beibehalten. Bis zum 24. Spieltag der letzten Saison waren wir da auch richtig gut unterwegs. An den letzten zehn Spieltagen haben wir dann kein Tor nach Standards mehr gemacht – und das hat sich auch in den Ergebnissen widergespiegelt. Mein Gefühl ist, dass die Aufmerksamkeit für Standards und die Auseinandersetzung damit bei allen Teams zugenommen hat. Die Defensiven sind besser eingestellt, es wird schwieriger für die Offensiven. Aber da ist unser Standardexperte Lars sowieso der bessere Ansprechpartner.
Voßler: Offensiv brauchst du bei Standards immer Kreativität und möglichst viele Spieler mit den entsprechenden Qualitäten und der nötigen Überzeugung. Das hat uns letzte Saison phasenweise ein Stück weit gefehlt. Wenn du bei den torgefährlichen Spielern top bist und daneben noch Spieler hast, die eine gewisse Torgefahr mitbringen, ergibt das eine enorme Torgefahr. Wenn dann aber zwei der Besten wegbrechen, reduziert das deine Gefährlichkeit enorm. Standards zu trainieren gehört nicht unbedingt zu den Lieblingsbeschäftigungen der Spieler.
Gibt es eigentlich Trainingsinhalte, die Sie jetzt forcieren, obwohl Sie sie als Spieler nicht gern gemacht haben, Herr Schuster?
Schuster: Nein, ich muss da nichts verarbeiten (lacht). Aber tatsächlich versuche ich bei den Planungen auch aus Sicht der Spieler zu denken und daran, wie wir spielen wollen.
Grolimund: Das ist auch ein wichtiger Aspekt, finde ich, der nicht vergessen werden sollte. Wenn es von Julian als erfahrenem Spieler kommt, hat es noch mehr Gewicht. Er kennt die Kabine, hat mit vielen sogar noch zusammengespielt. Diese Sichtweise integrieren zu können, ist gut für jedes Trainerteam.
Und wie fühlt es sich für Sie an, Herr Schuster, an, als Chef auf dem Platz vor den ehemaligen Mitspielern zu stehen?
Schuster: In der vergangenen Saison habe ich schon wegen meines Fußballlehrer-Lehrgangs einige Einheiten aktiver übernommen, deshalb waren sie es schon gewohnt. Sobald man in einer anderen Rolle ist, fühlt sich das schnell normal an. So war es für mich, und die Jungs haben gesagt, dass es ihnen genauso geht.
Obwohl Sie auch schon einiges verändert haben?
Schuster: Wir haben einige Trainingseinheiten anders aufgebaut. Grundsätzlich geben wir uns aber Zeit, Dinge zu verändern und Neues entstehen zu lassen. Wir verlangen da von den Spielern Offenheit, wissen aber, dass sie auch Zeit brauchen. Wie schnell sie einzelne Entwicklungen annehmen, spricht für ihre Qualität und für ihre Haltung.
Obwohl externe und interne Neuzugänge dazu gekommen sind: Das Gerüst der Mannschaft bleibt erhalten. Ein Vorteil?
Schuster: Ich sehe das als großen Vorteil an. Auch da gilt: Die Beziehungsebene steht vor der Inhaltsebene. Es ist gut, die Menschen bereits zu kennen, die Spieler und die Trainer, und zu wissen, wen man am besten wie anpackt, bei wem man ein bisschen strenger sein muss und bei wem feinfühliger oder wer das eine oder andere Gespräch mehr braucht.
Der SC Freiburg gehört jetzt zu den Clubs in der Liga, deren Cheftrainer bereits viel Erfahrung als Spieler gesammelt haben – wie beispielsweise Bayer Leverkusen mit Xabi Alsonso, der FC Bayern mit Vincent Kompany, Borussia Dortmund mit Nuri Sahin ...
Voßler: ... bei allen Genannten ist es kein Zufall, dass sie Trainer geworden sind. Sie hatte alle schon als Spieler strategische Fähigkeiten, haben sich mit dem eigenen Spiel, mit dem ihres Teams und dem des Gegners beschäftigt. Da war der Weg schon ein bisschen vorprogrammiert. Julian hat früher selbst oft betont, dass er als Spieler nicht in allen Bereichen das Megatalent war – aber großes strategisches Talent, Empathie und soziale Kompetenz, die einen guten Trainer ausmachen, hatte er auch schon als Spieler.
Als erstes trifft der Sport-Club in der neuen Bundesligasaison auf den VfB Stuttgart, von dem Sie vor 16 Jahren zum SC kamen. Für die Fans ein Festtag. Für Sie auch, Herr Schuster?
Schuster: Über den Gegner freue ich mich natürlich. Viel mehr aber noch darüber, dass wir nach fünf langen Jahren endlich mal wieder mit einem Heimspiel in die Saison starten.
Interview: Milena Janetzki, Dirk Rohde und Alexander Roth
Foto: SC Freiburg
Dieser Text erschien in der Gratis-Ausgabe unseres Stadionmagazins "Heimspiel". zur Saisoneröffnung.