Jeder Club hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach kommt eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Martin Schneider, der 300 Spiele für die Fohlen gemacht hat.
Hallo Herr Schneider, wir möchten heute mit Ihnen in schönen Erinnerungen schwelgen.
Schneider: Immer schön! Wohin geht die Reise?
30 Jahre zurück, in die Saison 1994/95 – in der Borussia Mönchengladbach den letzten Titel holte.
Schneider: Den DFB-Pokal! Drei Jahre zuvor hatten wir bereits die Chance gehabt, verloren aber im Finale gegen den Zweitligisten Hannover 96 – 3:4 im Elfmeterschießen. Das war extrem bitter. Umso erfreulicher, dass wir 1995 dann noch mal nach Berlin durften, auch wenn ich dort leider auf der Tribüne Platz nehmen musste.
Wann erfuhren Sie, dass Sie nicht spielen?
Schneider: Wenige Tage zuvor. Ich war zu der Zeit immer ein Wackelkandidat bei der Borussia, weil wir einfach einen sagenhaft tollen und breiten Kader hatten. Man denke an Spieler wie Martin Dahlin, Christian Hochstätter, Karlheinz Pflipsen, Heiko Herrlich oder Stefan Effenberg. Alles klasse Spieler. Und wenn die fit waren, musste ich meist auf der Bank sitzen – oder gar auf der Tribüne. Ich war nach dieser Entscheidung von Trainer Bernd Krauss, zu dem ich sonst eine sehr gute Beziehung hatte, schon brutal enttäuscht. Und ich war so beleidigt, dass ich nach dem Finalsieg gegen den VfL Wolfsburg nicht mal runter bin für das Siegerfoto mit der Mannschaft. Das werfe ich dem 26-jährigen Martin von damals immer noch vor. Das würde ich mit der Erfahrung von heute auf keinen Fall mehr machen.
Sie galten in Ihren neun Jahren bei Mönchengladbach auch nicht unbedingt als launische Diva, sondern eher als „Mr. Zuverlässig“.
Schneider: Das war in der Tat einer meiner Spitznamen – neben „Schneidinho“ oder „Maddin“. Die Fans haben das auch gewürdigt, dass ich mich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt, auf dem Rasen die Drecksarbeit für Stars wie Effenberg oder Herrlich gemacht habe. Das hat mir nichts ausgemacht, ich fand das auch okay, wenn andere die Lorbeeren eingeheimst haben, ich selbst wollte nie unbedingt im Mittelpunkt stehen. Und ich habe auch nie gemeckert, wenn ich auf die Bank oder gar auf die Tribüne musste. Wie gesagt: Nur beim Finale 1995 hat mich das richtig gewurmt – vor allem weil ich zuvor fast alle Pokalspiele gemacht hatte.
Das Finale gegen den damaligen Zweitligisten VfL Wolfsburg war eine klare Sache: Gladbach gewann nach Toren von Dahlin, Effenberg und Herrlich 3:0. Spannender war das Achtelfinale gegen den 1. FSV Mainz 05, das 6:4 endete – nach 90 Minuten wohlgemerkt!
Schneider: Da wissen Sie mehr als ich (lacht)! Ich habe leider gar kein gutes Gedächtnis und erinnere mich ganz schwach an einzelne Spiele. Daher kann ich Ihnen zu dieser Partie nicht viel sagen. Nur im Allgemeinen weiß ich, dass wir insgesamt eine sehr gute Spielzeit mit Gladbach hatten. Wir haben in der Bundesliga zwar nicht um die Meisterschaft mitgespielt, waren aber oben dabei. Das tat vor allem gut, weil die Jahre zuvor für die Borussia nicht so doll gewesen waren. In meiner zweiten Spielzeit bei Mönchengladbach, 1991/92, wären wir beinahe abgestiegen – den Klassenerhalt sicherten wir uns erst am vorletzten Spieltag. So gesehen tat die Saison 1994/95 echt gut, als wir am Ende Fünfter wurden – sogar noch vor den Bayern, dem amtierenden Meister.
Aber hinter dem Sport-Club, möchten wir gerne anmerken.
Schneider: Wie bitte? Freiburg stand noch vor uns?
Tatsächlich, auf dem dritten Rang. Was bis heute die beste Bundesligaplatzierung in der Geschichte des SC Freiburg ist.
Schneider: Ich nehme an, das war unter Volker Finke?
Richtig.
Schneider: Wow, Hut ab! Vor der Leistung damals – und auch der Leistung heute. Wie gesagt, ich erinnere mich an keine einzelnen Spiele gegen den Sport-Club, aber umso besser an das schnuckelige Stadion. Und an das Freiburger Kurzpassspiel unter SC-Trainer Volker Finke – ein wahnsinnig toller Fußball, und so erfrischend für die Bundesliga. Und dennoch hätte ich damals nie gedacht, dass der Sport-Club, damals in der höchsten deutschen Spielklasse ja noch recht frisch dabei, mal diese Entwicklung nehmen und sich in der Bundesliga etablieren würde. Einen großen Anteil daran hatte in den letzten Jahren natürlich auch Christian Streich, jahrelang mein Lieblingstrainer der Bundesliga: mit seiner sympathischen Art, seiner Ehrlichkeit, seiner Mannschaftsführung, stets gepaart mit dem Anspruch, auch noch schön zu spielen. Die SC-Spiele schaue ich jedenfalls sehr gerne im Fernsehen.
Möglich also, dass Sie beim Spiel des SC Freiburg bei Borussia Mönchengladbach sogar im Stadion sein werden?
Schneider: Ich gehe im Jahr zwei, drei Mal ins Stadion – vielleicht sitze ich auch nächste Woche gegen den Sport-Club im Borussia-Park auf der Tribüne. Das wäre in der Tat schön. Und dann hocke ich dort oben definitiv auch mit besserer Laune als damals beim Pokalfinale in Berlin (lacht).
Interview: Christian Engel
Foto: Imago Images
Das Interview erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.