Jeder Club hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel bei der TSG Hoffenheim kommt in eine der Legenden des nächsten Bundesliga-Auswärtsgegners zu Wort: Thomas Ollhoff.
Herr Ollhoff, die Zeitung „Badische Neueste Nachrichten“ schrieb einmal, Sie bräuchten „keine Sekunde“, um zu sagen, wo Sie Ihre schönsten Jahre als Fußballspieler erlebt haben.
Ollhoff: Ich habe bei allen Stationen schöne Momente erlebt, aber bei der TSG Hoffenheim hatte ich sportlich gesehen die erfolgreichste Zeit. Man muss dazu sagen, dass ich, bevor ich zur Saison 2002/03 nach Hoffenheim ging, zwei wirklich schwierige Jahre hinter mir hatte. Mein Vater, der mir sehr am Herzen lag, war gestorben. Dann gab es im Sommer 2000 einen Transfer-Wirrwarr, der mich vom Karlsruher SC nicht, wie ursprünglich geplant, zum SSV Reutlingen, sondern am Ende zu 1860 München brachte. Meine Frau und die zwei kleinen Kinder blieben in Karlsruhe, ich pendelte ständig hin und her, wechselte nach einem Jahr zum VfR Aalen, was auch immer noch sehr weit weg war von der Familie.
Heißt: Sie mussten nicht lange überlegen, als die TSG im Sommer 2002 anrief.
Ollhoff: Ich war sofort überzeugt, vor allem von Trainer Hansi Flick, der die Mannschaft seit 2000 trainiert hatte. Er war ein Kumpeltyp, interessierte sich auch für Privates. Das war in dem Moment, nach den schwierigen Jahren zuvor, ein Hauptgewinn. Und er sagte mir: Thomas, du wirst spielen, da gibt es keine Zweifel!
Dieses Vertrauen haben Sie in der ersten Saison voll zurückgezahlt.
Ollhoff: Ich machte 34 von 38 Spielen, damals in der Regionalliga Süd, schoss 19 Tore, bereitete viele Treffer vor. Es lief von Anfang an richtig gut – und das Selbstvertrauen kam zurück.
Welchen Anteil an Ihrem persönlichen Erfolg hatte Sturmpartner Christian Teinert?
Ollhoff: Gleich beim ersten Training zeigte sich: Wir verstanden uns blind. Jeder wusste, wohin der andere den Ball spielte. Ich habe von seiner enormen Schnelligkeit profitiert. Viele Tore haben wir so erzielt: Ich schicke ihn in die Tiefe, setze nach, bekomme seinen Rückpass am Elfmeterpunkt, schieße den Ball ins Tor. Leider ist er nach meiner ersten TSG-Saison zum 1. FSV Mainz 05 gewechselt …
… und verpasste dadurch die bis dahin wohl größte sportliche Sensation der Vereinsgeschichte.
Ollhoff: Sie meinen bestimmt das DFB-Pokal-Achtelfinale der darauffolgenden Saison. Das war ein unfassbares Spiel. Wir empfingen Bayer 04 Leverkusen daheim, ein wahnsinnig tolles Team: Lucio, Jens Nowotny, Bernd Schneider, Oliver Neuville, Dimitar Berbatov. Ein Großteil von denen hatte anderthalb Jahre zuvor im Champions-League-Finale gegen Real Madrid gestanden. Und plötzlich spielten die bei uns im beschaulichen Sinsheim.
Wo sie schnell bemerkten, dass die Jungs von der TSG ja auch ganz gut kicken können.
Ollhoff: Wir führten nach einer halben Stunde mit 2:0. Ich weiß nicht, ob sie uns unterschätzt haben, wir spielten aber auch wie im Rausch. Leverkusen glich in der zweiten Halbzeit aus, wir glaubten trotzdem weiter an uns. Kai Herdling brachte uns eine Viertelstunde vor Schluss wieder in Führung und wir das 3:2 am Ende über die Zeit. Danach brachen alle Dämme. Die ganze Nacht wurde gefeiert, wir bekamen danach zwei Tage frei. Ich erinnere mich, dass ich nach dem Spiel zur Dopingkontrolle musste, aber drei Stunden lang nicht Wasser lassen konnte. Als ich dann in die Kabine kam, haben mich alle schon angeschielt.
Sie hatten zuvor bereits die Zweitligisten Eintracht Trier mit 4:3 und danach den Karlsruher SC mit 4:0 rausgeworfen – wie wird man zu einem Pokalschreck?
Ollhoff: Wir hatten im Jahr zuvor im DFB-Pokal bereits Greuther Fürth besiegt, mit 4:1. Wir wussten, dass wir höherklassige Gegner schlagen können. Die Überzeugung war groß, das Selbstbewusstsein auch – und dann haben wir einfach alles reingeworfen, was wir hatten. Leider sind wir im Viertelfinale am VfB Lübeck gescheitert. Wir hatten so viele Chancen, hätten auch mindestens einen Elfmeter bekommen müssen, aber am Ende schießt Lübeck nach gefühlt einem Angriff in 90 Minuten das Tor – und wir sind raus. Extrem bitter. Dürfte ich übrigens an dieser Stelle noch ein Grußwort nach Freiburg schicken?
Klar! An wen denn?
Ollhoff: An Vincenzo Grifo. Er kommt, wie ich, aus Pforzheim. Dort habe ich ihn vor vielen Jahren einmal in einer Sportsbar getroffen. Er war damals so 18, 19, hatte schon seine ersten Bundesligaeinsätze für die TSG gehabt, im zweiten Jahr aber weniger gespielt. In jener Sportsbar sprach er mich an: „Du bist doch der Ollhoff, kann ich dich was fragen?“ Und er erzählte mir von seiner sportlichen Situation und fragte mich nach meiner Meinung. Ich sagte ihm, als junger Spieler müsse er unbedingt irgendwo hin, wo er viel spielen könne. Hauptsache spielen. Ich glaube jetzt nicht, dass mein Rat seine Karriere beeinflusst hat, aber trotzdem freut es mich zu sehen, wie er seinen Weg gegangen ist, wie er zum Bundesligaspieler gereift ist. Daher: Herzliche Grüße an Vince nach Freiburg. Interview: Christian Engel
Bildunterschrift: Thomas Ollhoff, 49, kam zur Saison 2002/03 vom VfR Aalen zur TSG Hoffenheim. In der Regionalliga Süd absolvierte er für die Kraichgauer 95 Partien, in denen er 42 Tore erzielte. Anschließend wechselte er 2006 zum SV Darmstadt 98. Heute lebt er in Pforzheim und arbeitet als Projektmanager bei SAP.
Interview: Christian Engel
Foto: Imago Images
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