"Eine kleine Revolution"

Profis
14.03.2025

Jeder Club hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim 1. FSV Mainz 05 kommt in eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Christian Hock. 

Herr Hock, was man nicht alles im Internet erfährt! In einem Interview mit „11Freunde“ verrät Ihr ehemaliger Zeugwart beim 1. FSV Mainz 05, Walter Notter: „Christian Hock musste immer in der gleichen Unterhose spielen. Wenn was schief ging, wurde es auf die Unterhose geschoben.“

Hock: Eine schöne Geschichte! Und mit Walter Notter bin ich immer noch sehr gut befreundet, er ist sogar der Patenonkel meiner Töchter. Es war so: Wenn wir gewannen, zog ich dieselbe Unterhose – selbstverständlich frisch gewaschen – im nächsten Spiel wieder an. Nach Niederlagen trug ich nächstes Mal ein anderes Exemplar.

Der gute, alte Aberglaube im Sport …

Hock: Der verfolgt mich noch heute als Geschäftsführer von Kickers Offenbach – nur nicht mehr so extrem wie früher. Aber wenn wir heute ein Spiel gewinnen, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass ich bei der nächsten Partie wieder dasselbe Outfit trage.

Von der Unterhose zum Unterhaus: Sie wechselten 1994 von Borussia Mönchengladbach zum 1. FSV Mainz 05 in die 2. Bundesliga. Damals lagen Welten zwischen den beiden Clubs.

Hock: Eher ganze Universen! Zu Borussia Mönchengladbach war ich zwei Jahre zuvor gewechselt. Der Schritt vom kleinen Club Viktoria Aschaffenburg zum traditionsreichen Bundesligisten war allerdings zu groß für mich gewesen – bei der Borussia kam ich in zwei Jahren nur zu einem Bundesligaeinsatz. Deshalb wechselte ich in die 2. Liga zu Mainz 05. Dort ging es damals noch recht amateurhaft zu. Wenn man zum Training fuhr, wusste man nie, auf welchem Platz man trainieren würde. Auf dem Clubgelände gab es nur einen kleinen Trainingsplatz, dazu einen Hartplatz in eher bescheidenem Zustand. Also wichen wir auf städtische Trainingsplätze aus – und fuhren mit kleinen VW-Bullis immer spontan dorthin, wo die Plätze am wenigsten holprig waren.

Passt das auch als Stichwort für Ihre ersten anderthalb Jahre beim 1. FSV Mainz 05: holprig?

Hock: Für mich persönlich nicht. Da war ich einfach nur froh, wieder viel Spielzeit zu bekommen. Aber klar, sportlich lief es für uns eher durchwachsen. Im ersten Jahr spielten wir gegen den Abstieg, landeten am Ende auf Rang 14. Und die Saison 1995/96 lief noch schlechter an: Wir holten aus den ersten acht Spielen gerade mal einen Punkt, das Torverhältnis betrug 0:14.

Und dann kam Wolfgang Frank als neuer Trainer.

Hock: Ja, und er wurde eine der prägendsten Persönlichkeiten in der Historie von Mainz 05. Er übernahm die Mannschaft im Herbst 1995 und krempelte zunächst das Spielsystem komplett um. Er ließ mit Viererkette und Raumdeckung spielen. Wolfgang Frank war regelrecht besessen von diesem System.

Das auf ballorientiertem Verteidigen fußte, welches der italienischen Trainer Arrigo Sacchi seit Ende der 80er mit der AC Mailand erfolgreich praktiziert hatte. Und mit dem Volker Finke, allerdings ohne Viererkette, die Bundesliga aufgemischt hatte.

Hock: Ein Aha-Erlebnis war für uns ein Testspiel gegen den 1. FC Saarbrücken bald nach Franks Verpflichtung. Dort gingen wir erstmals mit einer Viererkette in ein Spiel – und gewannen souverän mit 6:0.

„Seit diesem Tag waren wir Viererketten-Jünger“, sagte Ihr damaliger Mitspieler Jürgen Klopp.

Hock: Voll und ganz! Das war eine kleine Fußballrevolution und für viele in Deutschland noch neu. Hier agierten die meisten ja immer noch mit Manndeckung und dem klassischen Libero.  Für uns Spieler bedeutete es aber auch, dass wir extrem umdenken mussten. Frank war sehr akribisch, verbrachte am Tag manchmal zehn Stunden am Platz. Er forderte daher auch viel von uns: machte lange Taktiksitzungen, führte uns Videos vor, machte Übungen zum Verschieben auf dem Platz.

Plötzlich wurde Fußball zum Kopfsport.

Hock: In der Zeit vor Wolfgang Frank bin ich morgens zum Training gefahren, wusste, ich trainiere jetzt einfach und fahre dann wieder heim. Aber plötzlich haben wir Spieler uns gefühlt rund um die Uhr mit dem neuen Spielstil befasst, um ihn zu verstehen und zu verinnerlichen.

Die Mühen zahlten sich aus: In der Rückrunde jener Saison 1995/96 war kein Team der 2. Liga erfolgreicher als Mainz 05.

Hock: Die Arbeit von Wolfgang Frank hat viele geprägt, man denke nur an all die Spieler unter ihm, die später Trainer wurden: Jürgen Klopp, Torsten Lieberknecht, Sven Demandt, um nur ein paar zu nennen. Wolfgang Frank hat den Verein nachhaltig geprägt und war mitentscheidend für die erfolgreichen Jahre, die folgten. Wir haben mit Mainz in den 90ern und Anfang der 00er-Jahre zwar auch drei sehr knappe und bittere Nicht-Aufstiege erleben müssen – aber eben auch den erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga im Sommer 2004. Auch wenn ich den, weil ich 2003 zu Kickers Offenbach gewechselt war, leider nicht als Spieler mitfeiern konnte. Die Entwicklung des Vereins ist jedenfalls bis heute großartig.                       

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Bildunterschrift: Christian Hock (54) lief für den 1. FSV Mainz 05 zwischen 1994 und 2003 in 247 Pflichtspielen auf, erzielte dabei 27 Tore und legte 31 Treffer auf. Nach mehreren Trainerstationen, unter anderem beim SV Wehen Wiesbaden, ist er seit Sommer 2023 Geschäftsführer bei Kickers Offenbach.

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.

 
Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.