„Niemand ist gerne Joker“

Profis
29.08.2024

Jeder Club hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim FC Bayern München (Sonntag, 17.30 Uhr) kommt eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Alexander Zickler

Herr Zickler, am 20. Mai 2017 war es geschehen: An jenem Tag verloren Sie Ihren Spitzenplatz in der Bundesliga-Joker-Tabelle an SC-Stürmer Nils Petersen, der beim 1:4 bei Bayern München als Einwechselspieler prompt traf – und mit seinem 19. Jokertor an Ihnen vorbeizog.

ZICKLER: Und dann hat er den Rekord ja auch noch ausgebaut. Bei wie vielen Jokertoren stand er am Ende seiner Karriere?

Bei 34.

ZICKLER: Wahnsinn! Ich habe Nils ein paar Mal getroffen, ein richtig cooler Typ, bodenständig und freundlich. Er war auch ein großartiger Stürmer, der immer für Gefahr sorgte, nicht nur als Einwechselspieler.

Sie kamen in Ihrer Karriere auf 18 Jokertore. Was zeichnet einen guten Einwechselspieler denn aus?

ZICKLER: Also eines vorweg: Niemand mag gerne Einwechselspieler sein, weil das schließlich bedeutet, nicht von Anfang an zu spielen, stattdessen – erst mal – auf der Bank Platz zu nehmen. Da ist die Enttäuschung bei einem Profi verständlicherweise groß. Ich sage aber immer zu unseren Spielern hier bei RB Leipzig: Falls ihr doch draußen sitzen müsst, dann nutzt das. Denn von der Bank aus kann man sich nützliche Informationen über das Spiel und den Gegner holen. Wie agieren die Gegenspieler, auf die ich treffe, falls ich eingewechselt werde? Was macht der Spieler gut, für den ich eventuell komme? Was würde ich an seiner Stelle in gewissen Spielsituationen anders machen? Dieses Wissen kann dir einen Vorteil verschaffen, wenn du reinkommst. Und dann kannst du eben für frischen Wind sorgen, weil du noch spritziger bist. Andererseits ist es aber gar nicht so einfach, als Einwechselspieler reinzukommen.

Inwiefern?

ZICKLER : Die anderen sind dann schon längst im Rhythmus, auf Spieltemperatur. Du musst von null auf hundert abliefern. Und die Erwartungen an dich sind häufig groß, besonders, wenn man zuvor schon etliche Jokertore geschossen hat.

Nils Petersen schnappte Ihnen diese Bestmarke weg, dafür haben Sie als Spieler viele Titel gewonnen. Welche Ihrer vielen Trophäen war die wertvollste für Sie?

ZICKLER: Wirklich jeder Titel ist etwas Besonderes. Aber der Champions-League-Titel 2001 nach einem Finalsieg gegen den FC Valencia im Elfmeterschießen war sicherlich von der Wertigkeit her der größte. Und dann waren alle Meistertitel mit dem FC Bayern München für mich, das Team und den gesamten Verein auch etwas Großartiges. Manch einer meint ja, wenn man sieben Meisterschaften gewonnen hat, könne das nichts Besonderes mehr sein, stimmt aber nicht: Eine gewonnene Meisterschaft ist der größte Lohn für die Arbeit eines ganzen Jahres. Und wir mussten uns jede Meisterschaft erst mal hart erarbeiten, in alle Spiele mit hundert Prozent gehen – denn den Bayern wollte immer jeder gern ein Bein stellen. Einer der größten Momente meiner Karriere war das Spiel gegen den Hamburger SV.

Bayern-Fans erinnern sich gerne daran: Finale der Saison 2000/01, als die Bayern beim HSV 0:1 zurückliegen und mit dem letzten Schuss, einem indirekten Freistoß von Patrik Andersson, den Ausgleich schaffen und in letzter Sekunde die bereits jubelnden Schalker überholen.

ZICKLER: Auch eine tolle Erinnerung, aber die meinte ich gar nicht. Ich meinte den Rückrundenauftakt in der Spielzeit 2004/05 – daheim in München gegen den Hamburger SV. Das war deswegen so besonders, weil ich nach fast zweijähriger Leidenszeit aufgrund von Verletzungen endlich mal wieder ein Spiel machen konnte. Wenn es am Ende auch nur knapp zehn Minuten waren, war es für mich so bewegend, endlich wieder auf dem Platz stehen zu können.

Sie hatten innerhalb von zwei Jahren drei Schienbeinbrüche im rechten Bein erlitten ...

ZICKLER: ... und zuvor einen Tumor in der Wade wegoperiert bekommen. Er war zum Glück gutartig, jene Operation, glaube ich, war dann aber auch der Auslöser für die Schienbeinverletzungen in der Folge. Ich kämpfte mich ran, musste erneut pausieren, wieder Reha, wieder Rückschlag, wieder und wieder. Die täglichen Zweifel gehörten dann irgendwann dazu. Toll war, dass mich der Verein, besonders in Person von Uli Hoeneß, stets unterstützt hat, mir eine Vertragsverlängerung angeboten hat, obwohl ich so lange verletzt war.

Ein Wunder, dass Sie nach dieser Leidenszeit in Österreich noch mal Meister und zweimal sogar Torschützenkönig wurden?

ZICKLER: Ich ging im Sommer 2005 zu RB Salzburg und habe dort noch einmal fünf tolle Jahre erlebt. Nicht nur auf sportlicher, sondern auch auf menschlicher Ebene. Mir hat die zweijährige Leidenszeit vor allem dahingehend geholfen, dass ich sie jetzt als Trainer nutzen kann, wenn Spieler in einer ähnlichen Situation sind wie ich damals, oder ihre erste große Verletzung erleben müssen. Dann erinnere ich mich an meine Lage damals – und kann die Spieler besser unterstützen und begleiten.

Interview: Christian Engel

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.

 
Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.