„Eine Perspektive für den Frauenfußball“

Verein
07.05.2021

Sportvorstand Jochen Saier, der beim SC Freiburg auch für den Frauen- und Mädchenfußball verantwortlich ist, erklärt im Interview, warum ein Umzug ans Schwarzwald-Stadion elementar für den Frauen- und Mädchenfußball des Sport-Club wäre, welche nachhaltigen Pläne der Verein mit dem Standort verfolgt und wie der Sport-Club zu ehrenamtlich geführten Amateurvereinen steht.

Herr Saier, die Saison 2020/21 geht zu Ende, der Abschied der SC-Profis aus dem Schwarzwald-Stadion rückt näher. Ist an der Schwarzwaldstraße damit nun der Weg frei für die Frauen- und Mädchen des SC Freiburg?

Saier: Dass unsere Frauen und Mädchen das Gelände des Schwarzwald-Stadions perspektivisch gemeinsam als Trainings- und Spielstätte nutzen sollen, ist unser großes Ziel – und das wäre unabdingbar für die Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs beim SC Freiburg und in der Region. Wir benötigen für unsere Spielerinnen zwingend eine bessere Infrastruktur, damit wir weiter in der Breite, im Nachwuchsbereich und natürlich auch in der Spitze professionellen Frauen- und Mädchenfußball anbieten können.

Lassen Sie uns über den Status Quo des SC-Frauen- und Mädchenfußballs sprechen, die allesamt auf höchstem Niveau spielen.

Saier: Ich denke, über die Rahmenbedingungen am Schönbergstadion wurde zuletzt in der Presse und in den sozialen Medien eifrig und emotional diskutiert. Ich würde daher viel lieber über die Perspektive des Frauen- und Mädchenfußballs in Freiburg sprechen. Wenn wir dabei beispielhaft unsere Bundesliga-Frauen betrachten: In den vergangenen Jahren haben uns immer häufiger Spielerinnen verlassen, die es zu anderen Clubs zog. Alleine vergangenes Jahr haben wir fünf Stammkräfte verloren. Ich weiß aus eigener Erfahrung, welch extremer Kraftakt es ist, Jahr für Jahr so viele Abgänge zu ersetzen und immer wieder aufs Neue ein schlagkräftiges Team aufzubauen.

Was sind die Gründe für diesen Aderlass?

Saier: Bei Vereinswechseln gibt es verschiedene und vielschichtige Gründe. Die ein oder andere Spielerin wollte für sich sportlich den nächsten Schritt machen und wechselte beispielweise zum FC Bayern oder nach Wolfsburg. Das ist im Einzelfall nachvollziehbar und auch eine Auszeichnung für unsere Ausbildungsarbeit. Mitunter geht es sicher auch um finanzielle Aspekte. Ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für oder gegen einen Verein – und das hören wir aus vielen Gesprächen mit unseren Spielerinnen und potenziellen Neuzugängen heraus – sind aber auch die infrastrukturellen Bedingungen, die täglichen Trainingsbedingungen, die wir hier in Freiburg bislang leider nicht auf entsprechendem Niveau bieten können. Und genau das hält auch junge Talente mitunter davon ab, zu uns zu wechseln oder langfristig beim Sport-Club zu bleiben. Das mag aus Sicht eines Amateurvereins überheblich klingen, aus Sicht eines Profivereins, der wir nun mal sind, ist das aber ein entscheidender Standortnachteil.

Ähnlich hat sich zuletzt auch Birgit Bauer gegenüber der „Badischen Zeitung“ geäußert, die verantwortliche SC-Abteilungsleiterin für Frauen- und Mädchenfußball. Ihre Aussagen wurden von Blau-Weiß Wiehre, auf dessen Gelände alle Frauen- und Mädchenteams des SC Freiburg trainieren, aber auch von Einzelpersonen in den sozialen Medien als Kritik gegen den Verein, den Breitensport im Allgemeinen und das Engagement ehrenamtlicher Vereinsmitglieder im Speziellen ausgelegt. Können Sie das nachvollziehen?

Wenn sich einzelne Vereinsmitglieder von Blau-Weiß Wiehre in ihrer ehrenamtlichen Arbeit angegriffen fühlen, dann bedaure ich das wirklich sehr. Das war nie unsere Absicht. Im Gegenteil. Wir unterstützen den Breitensport seit Jahren sowohl finanziell als auch inhaltlich und arbeiten mit zahlreichen Amateurvereinen in der Region partnerschaftlich und eng zusammen. Und selbstverständlich brauchen wir als Proficlub den Amateurfußball und seine Vereine, die im Kinderfußball und in der Ausbildung junger Talente eine ganz wichtige Rolle spielen. Wir haben großen Respekt vor der Arbeit ehrenamtlich geführter Amateur- und Breitensportvereine. Und das gilt selbstverständlich auch für Blau-Weiß Wiehre, auf dessen Gelände unsere Frauen und Mädchen seit 13 Jahren trainieren und spielen dürfen. Wir haben dem Verein auch über großzügige jährliche Pachtzahlung hinaus finanziell immer mal wieder unter die Arme gegriffen und – gerade was die Platzpflegearbeiten angeht – mit Know-how und Personal unterstützt, um die Bedingungen zu verbessern. Leider ändert dies nichts an dem Umstand, dass die infrastrukturellen Bedingungen am Schönbergstadion nicht den Voraussetzungen entsprechen, die unsere Frauen- und Mädchenabteilung dringend benötigt.

Lassen Sie uns über die Zukunft des Schwarzwald-Stadions sprechen: Warum ist der komplette Umzug der Frauen- und Mädchenfußballabteilung an die Schwarzwaldstraße für den SC Freiburg so wichtig?

Saier: Das hat vor allem sportliche Gründe.Der Wettbewerb wird auch im Frauen- und Mädchenfußball immer intensiver. Immer mehr Bundesligisten entdecken aktuell den Frauenfußball für sich – und das ist grundsätzlich ja auch erst einmal erfreulich. Ohne die Perspektive Schwarzwald-Stadion, die sich unsere Spielerinnen und der gesamte Trainer-, Betreuer- und Verwaltungsstab verdient haben, werden wir auf Dauer in diesem Wettbewerb nicht bestehen können. Die Gefahr, dass wir – trotz unserer jahrzehntelangen Arbeit – von der Konkurrenz abgehängt werden und keinen professionellen Frauen- und Mädchenfußball mehr anbieten können, ist groß. Ich muss an dieser Stelle auch eine Lanze für unsere Frauen- und Mädchenabteilung brechen, die seit Jahren daraufhin arbeitet, nach dem Auszug der Herren endlich angemessene Trainingsbedingungen mit Kraft- und Reha-Räumlichkeiten und einer kleinen Gymnastikhalle am traditionsreichen SC-Standort an der Schwarzwald-Straße zu bekommen. Aus unserer Sicht macht dies aber nur Sinn, wenn wir weiter eine enge Verzahnung aller Frauen- und Mädchenteams haben. Dass die jungen Spielerinnen also weiter in unmittelbarer Nähe zu ihren Vorbildern trainieren und kicken können und es Verbindungen gibt, die für die Entwicklung der Talente extrem wichtig sind. Darüber hinaus wäre ein vierter Standort wirtschaftlich kaum vertretbar und würde insgesamt einfach keinen Sinn ergeben.

Warum dann diese Hängepartie?

Saier: Das Schwarzwald-Stadion gehört der Stadt Freiburg. Über die Nachnutzung des Geländes entscheidet der Gemeinderat. Wir machen uns als Verein bereits seit zwei Jahren dafür stark, haben auf den Prozess und den Zeitplan der Entscheidung aber keinen finalen Einfluss. Ich kann nur sagen, dass es für uns als Verein extrem enttäuschend wäre, wenn dem Frauen- und Mädchenfußball in der Stadt und der Region nicht die entsprechende Bedeutung beigemessen und Unterstützung in Sachen Infrastruktur zukommen würde.

Lassen Sie uns nochmals konkret werden: Was sieht das Nachnutzungskonzept des SC Freiburg für das Schwarzwald-Stadion und das Grundstück grundsätzlich vor?

Saier: Unser Stufenkonzept sieht vor, unter anderem einen Kunstrasenplatz auf dem bisherigen Parkplatz zu bauen, damit unsere Frauen und Mädchen gemeinsam am gleichen Standort trainieren und spielen können. Außerdem würden wir eine Kleinspielfläche hinter der Nordtribüne schaffen wollen. Diese Investitionen würden wir aus eigenen Mitteln finanzieren, damit städtische Gelder eingespart und stattdessen dem Breitensport zugutekommen können. Freie Trainingszeiten auf dem Kunstrasenplatz – das haben wir auch bereits hinterlegt – könnten von Vereinen aus der direkten Nachbarschaft genutzt werden. Außerdem möchten wir bereits bestehende Kooperationen mit Breitensportvereinen im Bereich unseres Gesellschaftlichen Engagements weiter auszubauen. Und zuletzt sieht unser Konzept vor, dass unsere zweite Mannschaft im Schwarzwald-Stadion ihre Heimspiele austrägt. Das würde künftig nicht nur unseren Standort Möslestadion entlasten, wo die Kapazitätsgrenzen längst überschritten sind, sondern wäre auch eine lizenzrelevante Voraussetzung, um 3. Liga spielen zu dürfen.

Sie haben das Thema Gesellschaftliches Engagement angesprochen. Welche Rolle würde dieser Bereich künftig am Schwarzwald-Stadion einnehmen?

Saier: Wir veranstalten pro Jahr bereits heute rund 600 Veranstaltungen in den Bereichen „Bewegung“, „Bildung“, „Umwelt“ und „Solidarität“. Mehr als 20.000 Menschen, vor allem Kinder und Jugendliche, nehmen daran jährlich teil. Für diese Projekte und Veranstaltungen braucht es Flächen und Räumlichkeiten, die wir beispielsweise in unserer Fußballschule am Möslestadion nicht haben. Zum Erhalt und zur Ausweitung der Aktivitäten im Gesellschaftlichen Engagement sowie im Bereich der Fortbildung im Kinder- und Jugendbereich würden wir gern zusätzliche Spiel- und Trainingsmöglichkeiten am Schwarzwald-Stadion schaffen. Uns schwebt ein Fortbildungs- und Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendfußball vor, von dem die ganze Region am Ende profitieren könnte.

Herr Saier, vielen Dank für das Gespräch.

 

Fotos: Patrick Seeger

 
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