Die Vilis, Williiiie und ein Willivili

Verein
21.04.2021

2020/21 ist für die SC-Profis die letzte Saison im Schwarzwald-Stadion. Auch „Heimspiel“ nimmt Abschied: Mit Geschichten aus der Geschichte des Stadions. Dieses Mal erzählt von Ex-SC-Profi Tobias Willi.

Das geht euch doch auch so, oder? Die Verbindung zum alten Stadion ist deshalb so eng, weil tausend Erinnerungen an ihm hängen. Etwa das 4:1 im Wunderkerzenspiel gegen Borussia Dortmund 1995: Ich war damals 14 Jahre alt. Als SC-Jugendkicker durften wir in der Nische zwischen Trainerbank und Haupttribüne stehen. Ich weiß heute noch, wo jeder Ordner stand und wo genau mir eine der zahllosen Wunderkerzen die Jacke ansengte. Auf der Gegengerade gab’s im unteren Bereich durchgehend Stehplätze, die Stimmung war magisch. Oder die erste Hälfte gegen Feyenoord Rotterdam 2001: Ich war nun als Profi dabei. Nach Kobis (Levan Kobiashvili, d.Red.) 2:0 war’s im Stadion lauter als jemals sonst…

Aber nicht nur große Spiele, auch kleine Dinge bleiben im Gedächtnis. Als ich 1992 als zwölfjähriger Knirps zur SC-Jugend kam, verkaufte Schatzmeister Bernd Ziegelbauer noch Karten in einer Art Holzhütte. Wir trainierten auf einem Hartplatz, wo heute der Stadionparkplatz ist. Die Umkleiden waren unter aller Kanone. Von drei Duschen gingen im Winter oft zwei nicht. Trotzdem war man megastolz, hier zu kicken, und es war toll, Club und Stadion dann über die Jahre wachsen zu sehen.

Beim sensationellen Erstliga-Klassenerhalt am letzten Spieltag 1994 hatte ich zeitgleich ein C-Jugendspiel. Über ein Radio auf unserer Bank erlebten wir den rettenden Auswärtssieg der Profis in Duisburg dennoch live mit.

Als ich später selbst zu den Profis stieß, machte ich in der Kabine vor Ehrfurcht keinen Mucks. Aber arrivierte Spieler, etwa Steffen Korell, kamen auf mich zu. Überhaupt hatten wir beim SC immer eine total angenehme Mannschaft. Bei Neuverpflichtungen legte man auf deren Charakter enorm Wert. Das zahlte sich aus. Der Teamgedanke stand über allem.

Das war auch bei den vielen Georgiern so, die hier kickten, etwa Alexander Iashvili, Levan Kobiashvili und Levan Tskitishvili. Bei der Mannschaftsvorstellung hängten die Fans irgendwann an jeden SC-Spielernamen noch ein gebrülltes „Vili!“ dran, wodurch ich zum „Willivili!“ wurde. Die Vili-Rufe waren ein witziger Gag, aber auch ein Riesenkompliment für die Georgier. Iashi, Kobi, Tskito und Co., selbst sehr herzliche Menschen, nahmen das total dankbar auf. Neben den quasi georgischen Vili-Rufen gab’s dann noch die langgezogegen Williie-Rufe, mit denen die Fans mich bei meinen Sprints auf rechts anfeuerten. Diese ganze Vili- und Willivili-Geschichte wurde zudem medial extrem gehypt. Als ich zum MSV Duisburg wechselte, fragte mich dort mal ein Fan, ob ich Deutsch könnte. Der dachte, ich bin Georgier.

Ich finde, auch wenn die SC-Fans heute zahlreicher, und immer noch toll und außergewöhnlich sind – ihr Anders-Sein war früher noch extremer. Was hab ich mich bei Heimspielen allein aufs Aufwärmen gefreut! Da war die Hütte immer schon gut voll, und die Fans begrüßten jeden von uns einzeln mit einem Sprechchor. Sie unterstützten uns super, Pfiffe gab’s nie. Statt nach Negativem zu lechzen, sind die Leute bis heute grundsätzlich erstmal dankbar und freuen sich, hier Erstligafußball zu sehen: Der Spieltag ist für sie nicht der wichtigste, sondern der schönste Tag der Woche. Vielleicht tragen auch Wein und Sonne zur wohltuenden Prise Gelassenheit der Menschen bei, ich weiß es nicht.

Es mag seltsam klingen, aber ich habe beim SC nie wirklich Druck empfunden. Und lief es mal mies, stand zudem Trainer Volker Finke mit breiter Brust da und schützte die Spieler. Was sollte also passieren? Ich denke, beim SC ist diese gewisse Ruhe mittlerweile fest in die Kultur eingeschrieben, ebenso die Mentalität: Es geht immer ums Gesamte, und es geht nur zusammen. Und so ticken auch die Fans. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich im neuen Stadion daran was ändert.

Erzählt von Tobias Willi, aufgezeichnet von Timo Tabery

Weitere Artikel, Interviews, Hintergründe und Statistiken über unseren SC Freiburg findet ihr zu jeder Heimpartie der SC-Profis in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das wir während der Corona-Pandemie auch kostenlos als PDF anbieten. Außerdem gibt es unser Stadionmagazin auch im Abo und am Kiosk zu kaufen. 

Zum "Heimspiel"

 
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