Noch dazu mit Links

Verein
23.01.2024

Schießt einer ein Tor, dem das sonst kaum gelingt, weil er sich vorrangig defensiv fürs Team abrackert, dann ist die Freude gern ein bisschen größer und auch ein bisschen anders als sonst. Andreas Ibertsberger erinnert sich. 

Warum der Schiri da so nah bei uns rumturnte? Mitjubeln wollte er wohl nicht. Der Fotograf hat da nach meinem 1:1-Ausgleichstreffer beim 2:2 gegen Hansa Rostock 2005 einen merkwürdigen Moment eingefangen. Ich hab ja eher selten ein Tor gemacht. Und das einzige für den SC Freiburg war gleich so ein schönes – noch dazu mit links. Kein Wunder, dass ich mich ein bisschen ungläubig freue. Ich hatte den Ball auf rechts bekommen, bin kurz nach innen gedribbelt, hatte dann wohl einen Blackout und dachte: Ich probier’s einfach. Mein Schuss aus 22 Metern ist im linken Kreuzeck eingeschlagen. Naja, als Rechtsfuß konnte ich auch mit links nicht ganz schlecht schießen. Eigentlich war die Aktion ein bisschen Arjen-Robben-like. Der spätere Bayern-Star hat sich den Move vermutlich von mir abgeguckt (lacht).

Viel später, als U19-Co-Trainer von Jürgen Kramny bei Eintracht Frankfurt, hatte ich die Szene auf dem Handy. So konnte ich Jürgen, der als früherer Offensivspieler viel mehr Torerfolge im Portfolio hat, zeigen, dass auch ich schöne Tore schießen konnte. Unsere Jugendspieler habe ich mitunter auch zu Distanzschüssen ermutigt. Ein gutes Gespür für den richtigen Moment und eine gute Schusstechnik vorausgesetzt.

Gegen einen, der in diesen Belangen sicher herausragend war, hatte ich zwei Monate vor dem Rostock-Tor übrigens mit Österreich in England gekickt: David Beckham von Manchester United. Nach zwei Fouls an mir flog er mit Gelb-Rot vom Platz. Die Fans pfiffen mich danach bei jedem Ballkontakt gnadenlos aus. Heute eine schöne Erinnerung und witzige Anekdote, die ich bei Bedarf immer herausholen kann.

Um aufs Foto zurückzukommen: Roda Antar (links) und Alexander Iashvili (rechts), die da mit mir jubeln, waren begnadete Kicker. Mit Iashi – völlig zu Recht eine SC-Legende – war ich öfter beim Italiener essen. Überhaupt habe ich das Familiär-Bodenständige beim SC genossen. Jeder kam mit jedem klar. Und obendrein habe ich in Freiburg meine Frau kennengelernt.

Trainer Volker Finke liebte es, wenn wir schönen Fußball boten. Er strahlte unglaubliche Fachkenntnis aus. Seine Analysen von Spielszenen waren immer punktgenau. Ich glaube, Finke schätzte umgekehrt auch mich, primär für meine Defensivstärke: Kein Tor zu bekommen war immer mein Credo, meine Motivation. Die Restverteidigung sichern, meine Seite zumachen, aber auch woanders helfen, wenn Gefahr droht, zweite Bälle antizipieren – so war ich gepolt. Gegentore habe ich gehasst, besonders wenn ich das Gefühl hatte, ich hätte vielleicht noch mehr tun können, um sie zu verhindern. Später als Trainer habe ich versucht, das den Verteidigern auch einzuimpfen. Das war total schwierig. Verrückt eigentlich.

Bei allem Fokus aufs Verteidigen habe ich als Profi trotzdem ein paar Tore zustande gebracht, fast immer – wie auch gegen Rostock – von außerhalb des Strafraums. Einmal sogar, fällt mir gerade wieder ein, aus 34 Metern: ein Sonntagsschuss per Dropkick in Graz gegen Schottland – noch dazu mit links.       

 

Nach drei Jahren beim SC ging Andreas Ibertsberger (41) 2008 zur TSG Hoffenheim. Heute ist er für eine Versicherung tätig.

 

Aufgezeichnet von Timo Tabery

Foto: Imago Images

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 

 
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