Das 2015 als Blindenreportage gestartete barrierefreie Fanradio "Sportclub live" überträgt sämtliche Heimspiele, ausgewählte Auswärtspartien und seit dieser Saison auch alle Begegnungen des Sport-Club in der Europa League. Reporter Julian Limberger über das Mitfiebern am Mikro, Stimmbandpflege und die Kunst des Kommentierens.
Julian Limberger: (mit klarster Stimme) Hallo Heimspiel!
(verdutzt) Moment mal, wir dachten, wir hören dich hier mit total krächziger Stimme. Schließlich hast du vor wenigen Stunden noch das aufregende Europa-League-Spiel des SC Freiburg bei Olympiakos Piräus kommentiert.
Limberger: (lacht) So ab der 83. Minute war meine Stimme in der Tat arg strapaziert, auch weil ich an dem Abend allein kommentiert habe. Und auch weil es ein wahnsinnig tolles Spiel mit vielen Highlights war. Es ging hin und her, ohne Mittelfeldgeplänkel, mit einem Elfmeter, haarsträubenden Fehlern, Paraden, Toren – und mit einem sensationellen Schlussakkord von Maximilian Philipp. Das gefällt einem Reporter natürlich. Und einem Reporter mit SCBrille noch viel mehr.
Wie aber kriegst du es hin, dass deine Stimme keinen Tag später schon wieder klingt wie ein Gletscherbach im Frühsommer?
Limberger: Genug trinken, Halsbonbons parat stehen haben, versuchen, in meiner Stimmlage zu bleiben. Im Endeffekt durfte ich einfach nicht heiser werden, weil ich am Morgen nach dem Spiel wieder Grundschülerinnen und -schüler unterrichten musste – und da ist eine durchsetzungsfähige Stimme klar von Vorteil.
Seit 2015 gibt es die Blindenreportage: ursprünglich bei Heimspielen, seit vergangener Saison vermehrt auch bei Auswärtsspielen. Und von dieser Saison an wird auch noch jede Europa- League-Partie des SC Freiburg von euch kommentiert …
Limberger: ... ja, die Entwicklung ist schon großartig. Ursprünglich war die Blindenreportage allein für seheingeschränkte Hörerinnen und Hörer gedacht, die von uns detailliert erzählt bekommen, was auf dem Spielfeld geschieht. Die Idee dahinter ist, dass auch Menschen mit Sehbehinderung am Stadionerlebnis teilnehmen können. Aber über die Jahre wurde die Nachfrage nach dem Fanradio immer größer, auch von Fans ohne Einschränkungen. Und so fuhren wir Reporter in den vergangenen Monaten auch zu Auswärtsspielen, etwa nach Turin oder zum DFB-Pokal-Finale in Berlin, um den SC-Fans live aus dem Stadion zu berichten. Manchmal sind bis zu 4000 Zuhörende dabei, gerade bei Auswärtsspielen, die nur auf einem Bezahlsender zu sehen sind.
Seid ihr immer live vor Ort?
Limberger: Nein, das ist nicht machbar. Wir Reporter arbeiten ehrenamtlich, haben alle noch feste Jobs. Wir können sonntagabends schwer bei Union Berlin auf der Tribüne sitzen und am nächsten Morgen wieder vor der Klasse stehen oder am Schreibtisch sitzen. Daher moderieren wir manche Spiele auch vom Fernsehbildschirm aus. Gegen Olympiakos etwa saß ich in meinem Homestudio und habe berichtet. Wir machen aber immer eine Live-Schalte zu Fans, die im Gästeblock stehen.
Aber im Stadion zu sein, ist als Reporter schon schöner, oder?
Limberger: Logisch! Klar, es ist lauter, man muss dementsprechend auch gegen eine Geräuschkulisse ansprechen. Aber allein schon mit all der Technik im Rollkoffer zum Stadion zu laufen, Fans zu treffen, die Sachen auf der Pressetribüne aufzubauen, die Fanchöre zu hören, die Atmosphäre mitzubekommen – das ist unbeschreiblich schön.
Ein Spiel fürs Radio zu kommentieren, gilt unter Sportreporterinnen und Sportreportern als Königsdisziplin: Was macht den Live-Kommentar so anspruchsvoll?
Limberger: Ich muss mit Worten Bilder erzeugen, die präzise und pointiert sind, möglichst auch unterhaltend und emotional. Man muss eine Szene so lebendig beschreiben, als würde der Zuhörer sie mit eigenen Augen sehen können. Es macht hierbei einen riesigen Unterschied, ob ich als Kommentator im Stadion oder daheim vor dem Fernseher sitze. Im Stadion kriege ich – wie angesprochen – noch viel mehr von der Atmosphäre mit. Auch von der Taktik. Auf dem Fernseher sieht man ja meist nur einen Ausschnitt des Spielfeldes, zudem sind die Spieler dort sehr weit weg, häufig
erkennt man nicht mal deren Rückennummern.
Eine Schwierigkeit dürfte auch die Aussprache von manch einem Namen sein. Hier zum Beispiel drei Spieler von Bačka Topola: Milos Cvetkovic, Ivan Milosavljevic, Ognjen Teofilovic. Hoffst du immer, dass der gegnerische Trainer diese Jungs einfach nicht aufstellt?
Limberger: (lacht) Ach, ich denke, die SC-Fans am Radio würden es mir auch verzeihen, wenn ich einen Spieler mal falsch ausspreche. Aber wir bereiten uns natürlich vor, schauen auf YouTube Zusammenfassungen von Spielen des Gegners an, um die Namen herauszuhören. In der Bundesliga haben wir den Vorteil, dass es eine offizielle Datenbank der DFL gibt, die Reportern wie uns zur Verfügung gestellt wird: Da haben alle Trainer und Spieler ihre Namen persönlich eingesprochen.
Inklusive badischem Dialekt?
Limberger: Lustigerweise war in der vergangenen Saison Christian Günter als "Chrischtian Günter" zu hören. Aber in dieser Saison sagt er "Christian".
Julian, wenn du einen Wunsch frei hättest: Aus welchem Stadion heraus würdest du gerne mal ein SCSpiel kommentieren?
Limberger: Also gegen eine Auswärtsreise an die Anfield Road hätte ich nichts einzuwenden. Achtelfinale gegen den FC Liverpool in der Europa League – das wäre doch was!
Es soll dort aber ganz schön laut sein, wie man hört.
Limberger: Egal, dann wäre ich am nächsten Morgen halt heiser. Ich würde auf jeden Fall eine Extrapackung Halsbonbons einpacken.
Interview: Christian Engel
Foto: privat
Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.