"Diese Aufgabe macht wahnsinnig viel Spaß"

Verein
02.11.2023

Die Stadionsprecherin des Sport-Club, Julica Goldschmidt, spricht über ihre neue Rolle am Mikrofon, ihre internationale Premiere und den ganz besonderen Sound des Europa-Park Stadions.

Frau Goldschmidt, wir treffen Sie am Tag nach dem Heimspiel gegen West Ham United. Wie war Ihre erste Europapokalpartie als Stadionsprecherin?

Julica Goldschmidt: Spannend und aufregend! Es war auf jeden Fall noch einmal anders als ein Bundesligaspiel. Das hat damit angefangen, dass ich am Tag vorher mehrere Mails mit dem Betreff "UEFA-Europa-League-Spiel" bekommen habe. Das macht einem zusätzlich bewusst, dass ein besonderes Spiel bevorsteht und man jetzt auch in offizieller Funktion ein Teil davon ist ...

... vielleicht aber im Gegensatz zu einem Bundesligaspiel auch zusätzliche Regularien umzusetzen hat?

Goldschmidt: Ja, vor einem Bundesliga-Heimspiel können wir den Ablauf mehr oder weniger selbst gestalten, auch wenn die Regie natürlich immer einen minutiösen Ablaufplan ausarbeitet. Aber bei einem Europa-League-Spiel gibt die UEFA den Ablauf vor, insbesondere in der Zeit vor dem Anpfiff.

Mussten Sie sich darauf gesondert vorbereiten?

Goldschmidt: Das Wesentliche wurde tatsächlich vorher eingeübt. Da gab es schon am Nachmittag Tonproben, bei denen auch unser gesamtes Team in der Kabine dabei war, das sind immerhin acht Leute. Es gab eine Regie-Besprechung und schließlich eine Generalprobe. Denn es musste alles auf die Sekunde getaktet sein, auch damit die Einlaufmusik, die Europa-League- Hymne, vor dem Spiel zur richtigen Zeit beginnt.

Der Abend ging für Sie also schon tagsüber los?

Goldschmidt: Sozusagen, aber es ist auch schön, sich so auf das Spiel vorzubereiten und früh in die besondere Stimmung eines solchen Ereignisses einzutauchen. Man tauscht sich mit den Kollegen aus, die ganze Regie ist ja schon früh besetzt. Da müssen Kanäle und Knöpfe gecheckt, Grafiken entworfen werden. Man macht sich gar kein Bild davon, wie viel Arbeit in diesem Bereich in einem Spiel drinsteckt.

Was sicherlich unabhängig vom Wettbewerb gilt. Nach Ihrer Premiere zur Saisoneröffnung gegen den FC Empoli haben Sie mittlerweile auch drei Bundesliga-Heimspiele als Stadionsprecherin bestritten. Hat sich schon eine gewisse Routine eingestellt?

Goldschmidt: Nein, und ich frage mich auch, ob es die geben wird. Einerseits hoffe ich natürlich, dass sie bald kommt. Andererseits ist es auch schön und spannend, wenn jedes Spiel für mich noch mit einigem Herzklopfen verbunden ist. Ich denke, das ist einfach der Tatsache geschuldet, dass so ein Fußballstadion etwas sehr imposantes hat. Da herrscht eine ganz eigene Dynamik.

Wobei die Rolle am Mikrofon für Sie als hauptberufliche, langjährige Radiomoderatorin und frühere Stadionmoderatorin des SC Freiburg ja eine vertraute ist.

Goldschmidt: Das schon. Radio mache ich seit 20 Jahren, da fühlt sich das Studio schon fast wie mein Wohnzimmer an. Aber du hörst dich dort nur auf dem Kopfhörer, und hier hörst du deine Stimme auch draußen im Stadion, das wirklich einen sehr beeindruckenden Sound hat. Wir haben vor meinem ersten Spiel eine Sprechprobe im leeren Stadion gemacht. Das war nochmal ganz anders, das hat enorm gehallt. Es macht natürlich einen
riesigen Unterschied, ob das Stadion voll oder leer ist.

Wie kommt denn die Stimmung oben bei Ihnen in der Sprecherinnenkabine an?

Goldschmidt: Ganz unmittelbar. Wir haben ja auch das Fenster auf. Was allerdings meine Rolle als Stadionsprecherin betrifft, ist eine gewisse Zurückhaltung gewünscht und auch von mir gewollt. Ich begreife mich da nicht als Stimmungsmacherin, das ist auch nicht meine Aufgabe. Die offizielle Bezeichnung heißt "Stadion- und Sicherheitssprecherin", ich habe deshalb auch ein dickes Buch, das Texte für alle Eventualitäten bereithält. Aber die Stimmung im Stadion zu erzeugen, das ist die Aufgabe der Fans. Die brauchen niemanden, der sie dazu animiert, das können die schon selbst.

Auch Sie sind seit 30 Jahren Fan des Sport-Club. Wie verträgt sich das mit Ihrer neuen Aufgabe?

Goldschmidt: Also, der Fan in mir muss im Moment gerade einen Schritt zurücktreten, weil der Profi versucht, einen guten Job zu machen. Ich muss natürlich immer aufpassen, in welcher Sekunde das Mikro offen ist. Wenn ich mich ärgere, ist es besser, das Mikro ist zu. Das gilt aber für
die gesamte Regie. In unserer Kabine geht es schon auch emotional zu. Es ist ein interessantes Spannungsfeld: Alle wollen natürlich, dass der SC gewinnt, und alle müssen auch hochkonzentriert sein, damit der Ablauf auf der Videowall und die Durchsagen exakt funktionieren. Trotzdem hoffe
ich, dass der Fan in mir bald wieder einen Schritt nach vorne gehen kann, weil der Profi so routiniert wird, um Platz zu machen.

Ihr Vorgänger Claus Köhn hat das Mikrofon nach 35 Jahren in der SC-Sprecherkabine an Sie übergeben …

Goldschmidt: … eine absolut unglaubliche Zeitspanne. Auch mich hat im Stadion von klein auf nur seine Stimme begleitet.

Nach Petra Dahl bei Bayer Leverkusen sind Sie jetzt die zweite Stadionsprecherin in der Bundesliga. Haben Sie nach Ihrer Premiere auch Vorbehalte gegen eine Frau am Mikrofon wahrgenommen?

Goldschmidt: Das ist leider auch im Jahr 2023 noch ein Thema. Bedauerlicherweise. Zum Beispiel in Kommentaren in den sozialen Medien. Dort kann natürlich jeder anonym und ohne Scheu etwas posten. Auch in die Richtung: Frauen haben da nichts zu suchen. Aber es gab vor allem sehr viel Zuspruch und ganz viele Likes. Wirklich erstaunlich finde ich, dass in fast allen Feedbacks mein Frausein Thema ist. Ich möchte diese neue Aufgabe einfach gut machen, denn sie macht mir wahnsinnig viel Spaß.

Was man schon bei Ihrer Vorstellung zur Saisoneröffnung heraushören konnte.

Goldschmidt: Ja, die Atmosphäre im Stadion, dieses Flirren und Flimmern, finde ich mit nichts zu vergleichen. Jetzt in der Form wieder ein Teil davon sein zu dürfen, das ist so schön wie ich es mir gewünscht habe.

Und wenn das Flirren sich allmählich gelegt hat und Ihre Kabinentür abschlossen ist, genießen Sie dann noch ein wenig die ruhige Atmosphäre nach dem Spiel?

Goldschmidt: Nach dem Heimsieg gegen den FC Augsburg habe ich schon noch mit den Kollegen angestoßen. Auch weil wir alles gut über die Bühne gebracht haben. Sonst geht es eher schnell nach Hause. Weil die Anspannung zuvor im Moment noch so groß ist, dass es sich fast anfühlt,
als ob ich selbst 90 Minuten gespielt hätte.

 

Interview: Dirk Rohde und Alexander Roth

Foto: SC Freiburg

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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