Am 23. August 1994 erlebten die Fans im Dreisamstadion ein Stück Freiburger Fußballgeschichte. Karsten Neitzel stand auf dem Platz und erinnert sich an das 5:1 (3:1) gegen den FC Bayern München.
Karsten, wir haben Dich am Freitag auf WhatsApp angeschrieben, ob Du Lust hättest auf ein Gespräch zum 5:1 gegen die Bayern aus der Saison 1994/95. Und was ist Dein WhatsApp-Profilbild? Das 5:1 gegen die Bayern aus der Saison 1994/95. Das Spiel scheint noch präsent zu sein…
So viele Bundesligaspiele habe ich nicht gemacht und es war tatsächlich auch mein Erstes. Also das war dann schon ein besonderer Tag. Als kleiner Junge habe ich in Dresden die Bundesligaspiele im Radio verfolgt. Bundesliga - das schien für uns ja unerreichbar. Und dann durfte ich gegen die Bayern spielen. Ich glaube schon, dass dieser Moment für einen Ostdeutschen nochmal spezieller ist. Zumal drei Tage später noch das Auswärtsspiel bei meinem Heimatverein Dynamo Dresden dazu kam. Diese Tage im August 94 haben also bleibende Erinnerungen bei mir hinterlassen.
Ich habe mal den historischen Wetterbericht vom 23.08.1994 gegoogelt: Angeblich war es regnerisch. In meiner Erinnerung ist das völliger Quatsch. Heiß war‘s, und zwar richtig - erst bei den Temperaturen und dann auf dem Platz...
Es war ein Dienstagabend und zu den ersten drei Toren schien noch die Sonne ins proppenvolle Dreisamstadion. Ich bin voller Demut in das Spiel gegangen und nach 18 Minuten stand es schon 3:0 für uns. Da habe ich mir gedacht "das hätte ich mir schwerer vorgestellt" (lacht). Aber solche Tage, an denen wirklich alles gelingt, gibt's halt manchmal.
Es war wie ein Rausch...
Wir hatten natürlich einen richtig guten Tag erwischt und waren gerade in der ersten Halbzeit brutal effektiv. Aber ich habe immer damit gerechnet, dass das Spiel noch kippen kann. Christian Ziege hat nach einer guten halben Stunde für die Bayern getroffen. Da ist natürlich immer im Hinterkopf, dass Bayern München halt Bayern München ist. Für mich hat es sich angefühlt wie ein Pokalspiel. Es war wohl so, dass wir als SC Freiburg den ein oder anderen Schritt mehr gelaufen sind und durch die Spielentwicklung viele Dinge leichter vom Fuß gegangen sind.
Es war Dein einziges Spiel gegen die Bayern. Wahrscheinlich hat kaum ein Bundesligaprofi eine so makellose Bilanz gegen den Rekordmeister…
Zumindest als Spieler war es mein einziges Spiel gegen die Bayern. Als Co-Trainer ist die Bilanz nicht so makellos - in dreizehn Spielen kam nur noch ein Unentschieden dazu.
Am Ende der Saison 1994/95 stand ein sensationeller dritter Platz. Die beste SC-Spielzeit in seiner jetzt 24-jährigen Bundesligageschichte bisher. Auch Deine beste Saison als Profi?
Es war für mich keine leichte Saison. Ich bin am zweiten Spieltag gegen die Bayern in die Mannschaft gekommen, habe dann gegen Dresden und zuhause gegen Bremen gespielt. Gegen Bremen haben wir verloren und dann war ich lange draußen. Das war für mich damals eine total neue Erfahrung. Ich hatte schon früh nach meinem Wechsel Probleme mit der Hüfte und so sind es in den drei Freiburger Jahren insgesamt nur 18 Bundesligaspiele geworden. Aber ich bin da totaler Realist und es war toll, Teil dieser Mannschaft gewesen zu sein. Hätten wir im vorletzten Heimspiel gegen Dortmund nicht 1:1 gespielt, wäre sogar die kleine Chance da gewesen, Meister zu werden. Aber das wäre des Guten vielleicht auch ein bisschen zu viel gewesen.
Danach folgte die Trainerkarriere. Du bist mit den SC-Amateuren in die damals drittklassige Regionalliga aufgestiegen, warst als Co-Trainer von Volker Finke im Europapokal am Start. Es folgten Stationen in Urawa, Bochum, Kiel, Elversberg, Essen … und bis Anfang dieses Jahres als Cheftrainer des malaysischen Traditionsvereins und Erstligisten Selangor FA in Kuala Lumpur. Wie war das Arbeiten dort?
Letztlich waren es mehr als zwei Jahre, die ich am Stück in Malaysia war. Beide Engagements in Asien, die zwei Jahre bei Red Diamonds Urawa in Japan und jetzt in Malaysia, kann nichts toppen. Ich glaube für uns Ossis, die es früher gewohnt waren, eingesperrt zu sein, sind solche Erfahrungen nochmal intensiver. Da bin ich ein bisschen Romantiker. Ein Leben in Tokio und Kuala Lumpur - ab und zu musste ich mich selbst mal zwicken. Ich würde es wieder genauso machen.
Jetzt bist Du zurück in Deutschland und arbeitest momentan als Scout. Bleibt da mal Zeit für einen Auftritt in der SC-Traditionsmannschaft? Die erlebt gerade eine Blüte und Torsten Bauer freut sich immer über neue Spieler…
Aus dieser Nummer bin ich leider raus. Wie gesagt: die Hüfte. Aber ich habe immer mal wieder Kontakt zu Tobias Willi oder zu Klemens Hartenbach. Die Drähte nach Freiburg sind eigentlich nie abgerissen.
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Interview: Sascha Glunk