Auf den Mix kommt es an

Verein
29.08.2023

In der kleinen Taktikschule geht es dieses Mal um das offensive Eins-gegen-Eins. Martin Schweizer, Sportdirektor der Freiburger Fußballschule, erklärt, was dabei wichtig ist. 

Herr Schweizer, ist der Gewinn eines offensiven Eins-gegen-Eins heute oft das einzige Mittel, um starke Defensivverbünde aufzuknacken?

Martin Schweizer: Ich denke, es kommt eher auf den Mix an: Man braucht gutes Passspiel, muss die Tiefe hinter der letzten Linie des Gegners attackieren, aber eben auch mal einen Gegner ausdribbeln. Das betrifft – und das ist eher das Neue – alle Spieler in allen Zonen. Also auch Sechser oder Verteidiger etwa. Selbst ein Torwart kann einen anlaufenden Gegner mal per Dribbling aussteigen lassen.

Denken wir offensiver: Was sind die Optionen eines dribbelstarken Offensivaußen, dem sich im vorderen Spielfelddrittel ein isoliertes Eins-gegen-Eins bietet?

Schweizer: Er kann außen am Gegner vorbeigehen, um zu flanken, oder innen, um selbst abzuschließen. Gewinnt er das Eins-gegen-Eins, sollte das so nah am Tor also zu einer Torchance führen. Beim Ausdribbeln eines Gegners im Aufbau oder Mittelfeld geht’s dagegen eher darum, Überzahl herbeizuführen, etwa ein „kleines Zwei-gegen-Eins“, um leichter weiterspielen zu können.

Angenommen, ein gegnerischer Außenstürmer fängt einen schlampigen Pass ab und hat nun Platz, mit Tempo frontal auf unseren Außenverteidiger zuzudribbeln …

Schweizer … das ungünstigste Szenario für einen Defensivzweikampf: Presche ich als Verteidiger nun zu schnell zum Angreifer, kann er mich leicht aussteigen lassen. Deshalb muss ich den Abstand zum Ballführenden langsam verringern, also sein Tempo aufnehmen und mich dabei quasi an ihn ransaugen. Dann sollte ich ihn je nach Spielsituation nach innen oder außen lenken.

Macht einen guten Dribbler vor allem Tempo aus?

Schweizer: Nein. Speed hilft, aber wichtiger sind Technik und Timing. Denken wir das Eins-gegen-Eins mal vom Verteidiger aus: Was will er? Mich verlangsamen, sich an mich ansaugen, mich auf eine Seite lenken, um dann den Körper zwischen mich und den Ball zu bringen. Heißt für mich als Dribbler: Ich muss im Tempo bleiben, dann in der richtigen Distanz zum Gegner eine Finte ansetzen, etwa eine Körpertäuschung oder einen
Übersteiger, um den Verteidiger aufs falsche Bein zu stellen, dann mit beschleunigendem Rhythmuswechsel den Ball vorbeilegen …

… und dann nichts wie hinterher und weiter.

Schweizer: Genau. Bin ich vorbei, ist es wichtig – wie wir sagen – auch „vorbei zu bleiben“; also statt den Gegner ins Duell zurückzuholen, weiterzugehen oder zudem vor ihm seinen Laufweg zu kreuzen, damit er keine Chance hat, mich ohne Foul zu stoppen.

Muss unser Außenstürmer, bevor er Eins-gegen-Eins geht, darauf achten, ob er für den Fall des Ballverlusts abgesichert ist? Wird er etwa vom Außenverteidiger hinterlaufen, fehlt der ja hinter ihm in der Kontersicherung.

Schweizer: Aber dann muss eben ein Sechser oder ein Innenverteidiger absichern. Ich finde, gerade im vorderen Drittel soll ein Stürmer mit Ball, der Eins-gegen-Eins gehen kann, keinen Gedanken an seine Absicherung verschwenden. Wird er hinterlaufen, entsteht genau genommen ein „Eins-gegen-Eins plus Eins“, was nicht heißt, dass er nun, statt zu dribbeln, unbedingt abspielen muss. Tatsächlich sind reine Eins-Eins-Situationen im Spiel selten und flüchtig. Als Trainer kannst du vorgeben, dass dein dribbelstarker Außen nur im letzten Drittel ins Duell gehen soll – oder auch schon im Mittelfeld, je nachdem, was dir sinnvoll erscheint. Letztlich müssen die Spieler auch einfach ein Gespür dafür entwickeln: Wann gehe
ich ins Risiko, wann nicht?

Wie lernt man zu dribbeln?

Schweizer: Indem man es als 5- bis 13-Jähriger ständig tut. Deshalb ist in Belgien die U6-Wettkampfform Eins-gegen-Eins plus zwei Torhüter auf zwei Tore. Auch bei uns spielen Kinder mittlerweile in kleineren Teams auf kleineren Feldern, damit wir künftig mehr tolle Eins-gegen-Eins-Spieler haben beziehungsweise entwickeln.

Sollten Kinder hippe Finten wie den „Elastico“ oder „Hokus Pokus“ drauf haben?

Schweizer: Sie dürfen alles ausprobieren. Beim SC lassen wir unsere Jungs viele, viele Finten isoliert üben, damit in der U15 dann jeder zwei oder drei wirklich effiziente Lieblingsfinten automatisiert beherrscht. Das müssen aber keine Zirkustricks sein.

 

Interview: Timo Tabery und Uli Fuchs

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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