Balance-Regler im Zentrum

Verein
16.11.2023

In der kleinen Taktischule dreht sich dieses Mal alles um die "falsche Sechs". U23-Trainer Thomas Stamm erklärt, dass die "falsche Sechs" vor allem auf dem Platz bekannt ist und eine sehr variable Position ist. 

Herr Stamm, wir wollen heute über einen, wie wir glauben, zumindest bislang nicht allgemein geläufigen Taktikbegriff sprechen: die „falsche Sechs“ – also über zwischen Abwehr und Mittelfeld pendelnde Spieler.

Thomas Stamm: Der Begriff ist mir neu, aber leuchtet mir ein. Denn gerade defensiv variieren viele Teams – besonders seit vier, fünf Jahren – bewusst ihre Struktur zwischen Vierer- und Fünferkette, indem der Sechser zwischen die Innenverteidiger in die letzte Reihe mit reingeht, um die Spielfeldbreite besser abdecken zu können. Oder aber man spielt mit drei Innenverteidigern, wobei einer situativ auf die Sechserposition rausschiebt.

Die falsche Sechs kann also ein Sechser sein, der mitunter zum Innenverteidiger wird, oder ein Innenverteidiger, der beizeiten zum Sechser wird. Könnte man nicht auch auf andere Art zwischen Vierer- und Dreier-Fünferkette hin und herwechseln?

Stamm: Doch. Etwa kann aus einer Fünferkette ein Außenverteidiger vorschieben und der Innenverteidiger neben ihm rückt dafür nach außen. Der Vorteil, den Wechsel über die skizzierte falsche Sechs zu regeln, ist aus meiner Sicht aber, dass der Weg sehr kurz, der Aufwand gering ist. Die kleine strukturelle Umstellung ist fix vollzogen, der potenzielle Mehrwert aber sehr groß, weil du sehr flexibel bist: Gegen den Ball können wir zu fünft hinten die Breite kontrollieren, wenn ein schneller Diagonalball droht, oder aber durch einen aus der letzten Linie rausschiebenden falschen Sechser das Zentrum verstärken, wenn wir höher verteidigen und mehr Druck auf den Ball bekommen wollen. Agiert unser falscher Sechser auch im Spiel mit dem Ball schlau, wird es für den Gegner zudem schwer, uns beim hohen Attackieren zu fassen zu bekommen, weil er sich auf keine feste Aufbaustruktur bei uns einstellen kann.

Die falsche Sechs erscheint demnach wie eine Art Balance-Regler, der durch nur leichtes Hoch- und Runterschieben eine kontinuierliche Nach- und Feinjustierung der eigenen Spielstatik erlaubt. Sollte der falsche Sechser groß und kräftig sein, um auch als Innenverteidiger klarzukommen?

Stamm: Das wäre von Vorteil. Wichtiger ist aber die Spielintelligenz, Situationen richtig zu interpretieren. Zudem sollte er sich auf der Sechs wie in letzter Linie wohlfühlen. Sonst könnte sein Wechselspiel kontraproduktiv werden. Auf der Sechs zu verteidigen ist für Innenverteidiger dabei meist kein Problem. Sie kennen die Position im Grunde vom Nach-vorn-Verteidigen, wenn sie einem Stürmer ins Mittelfeld folgen. Im Offensivspiel auf der Sechs mit 360-Grad-Rundumblick zu agieren, fällt Innenverteidigern, die das Spiel gern vor sich haben, dagegen häufig schwerer.

Pep Guardiola ließ mal bei Bayern München im Ballbesitz sogar die Außenverteidiger auf die Sechserpositionen einrücken.

Stamm: Ja. Generell muss man bei Positionswechseln im Offensivspiel aber immer mitbedenken, dass bei Ballverlust einige Spieler nicht auf ihrer optimalen Position sind, was Gefahren birgt. Etwa wenn dein Außenverteidiger innen ist und dein nomineller Rechtsaußen womöglich plötzlich gegen den besten Stürmer des Gegners rechts hinten verteidigen muss.

Es wäre wohl bei jedem Spieler auf jeder Position wünschenswert, er könnte auch die Position hinter, vor und neben sich ohne Qualitätsverlust bekleiden.

Stamm: Klar. Denn gerade mit Ball variabel zu sein, ist heute unerlässlich, gegen den Ball nicht unbedingt, besonders wenn man tief verteidigt. Dann kannst du eher eine Grundstruktur durchziehen, zumal auch eine gegnerische falsche Sechs dann weniger Probleme auslöst, weil du dem Gegner ohnehin im Aufbau einen gewissen Raum lässt. Die falsche Sechs ist also eher gegen einen hoch attackierenden Gegner eine viel versprechende Option – oder aber beim eigenen hohen, aktiven Verteidigen.

Vielversprechend finden wir auch, wenn Innenverteidiger mit Ball am Fuß antreten und über die erste Linie des Gegners nach vorn stoßen.

Stamm: Stimmt. Mit Tempo anrückende Innenverteidiger lösen beim Gegner in aller Regel Unruhe aus. Zumal sie dadurch, dass sie mit Anlauf auf die nächste beziehungsweise übernächste Linie zulaufen, eine
Wucht entfalten können, die nicht leicht zu verteidigen ist. Allerdings muss ihre defensive Absicherung klar geregelt sein.

 

Interview: Timo Tabery und Uli Fuchs

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Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

 
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