Denn sie wissen, was sie tun

Verein
10.04.2024

In der kleinen Taktikschule geht es dieses Mal um kurze Abstöße mit Gegnerdruck. U23-Trainer Thomas Stamm erklärt, warum das Risiko dabei kleiner als der Nutzen ist. 

Herr Stamm, bei Torabstößen wird immer öfter, selbst wenn die Gegner direkt anlaufen, zwischen Torwart und zwei Verteidigern im Strafraum kurz gespielt, dass uns Fans der Atem stockt ...

Stamm: ... (lacht) aber dafür gibt es doch keinen Grund.

Warum nicht? Sind wir tatsächlich zu ängstlich?

Stamm: Betrachten wir es mal historisch. Schon die Rückpassregel von 1992, nach der Torhüter Rückpässe nicht mehr mit der Hand aufnehmen durften, hat das Spiel und speziell die Torwartausbildung extrem verändert. Statt Bälle mit der Hand aufzunehmen und meist lang abzuwerfen oder abzuschlagen, begannen Torhüter nun gezwungenermaßen, sich auch alle anderen Balltechniken mit dem Fuß anzueignen. Die Keeper wurden so über Generationen fußballerisch immer besser. Heute verfügen manche über präzise Pässe und gute Lösungen für nahe Distanzen genauso wie für mittlere und weite. Das schafft tolle Optionen für den Spielaufbau und bei Torabstoß, zumal zeitlich auch die Abwehrspieler tendenziell immer spielstärker wurden. Und 2019 wurde das kurze Rausspielen dann noch mal extrem durch die neue Abstoßregel  begünstigt, nach der der abgestoßene Ball im Gegensatz zu früher im Sechzehner angenommen werden darf.

Trotzdem: Gleichzeitig scheint uns damit auch die Risikobereitschaft, die Lust am Zocken gewachsen zu sein?

Stamm: Das finde ich gar nicht. Für mich ist nicht die Risikobereitschaft gewachsen, sondern die Überzeugung, dass wir mit unserem Keeper als Überzahlspieler gegen zehn Gegner, deren Torwart ja nicht mitpressen kann, über kluge Positionierungen gute Lösungen hinbekommen. Ein Beispiel: Der Gegner stellt uns bei Torab Mann gegen Mann zu und läuft auch unseren Torwart an: Dann haben wir auf jeden Fall irgenwo weiter vorne Überzahl, und können versuchen, den Ball nach ein, zwei kurzen Lockpässen gezielt da hinzuspielen. 

Aber hoffentlich gibt‘s bei einem möglichen Ballverlust nahe am eigenen Tor auch eine gute Absicherung!

Stamm: Klar muss die Absicherung umso besser sein, je näher bei deinem Tor du den Ball verlierst. Bauen wir etwa über links hinten auf, muss ballfern, also rechts, schon an die Gegner rangeschoben werden, um bei Ballverlust sofort Zugriff zu haben. Aber Ballverluste viel weiter vorne können auch sehr gefährlich werden – etwa wenn du aufgerückt und schlecht positioniert bist, und der Gegner mit einem simplen Pass in deine Hälfte einen durchstartenden Stürmer bedienen kann.

Ob man sich nach einem langen Abstoß den zweiten Ball sichert, ist ja immer ungewiss: Steht hinter den vermehrt kurz ausgespielten Abstößen auch ein allgemeiner Trend zum Ballbesitzfußball?

Stamm: Vom Gefühl her würde ich das nicht sagen. Für mich geht es hier wie gesagt primär um die total spannende Überlegung: Wie und wo kriege ich durch den Abstoß Überzahl hin, die ich ausnützen kann?

Und umgekehrt achten Sie auch darauf: Wie spielt der Gegner seine Abstöße – und können wir seine Idee dabei unterbinden?

Stamm: Klar. Als Trainer schaust du hundertprozentig vor jedem Spiel auf beides: Wie macht’s der Gegner bei deinem Torab? Wie läuft er an? Was bietet das für Chancen für uns? Haben wir den Torwart als Überzahlspieler, oder läuft ein zweiter gegnerischer Stürmer auf ihn zu? Wo haben wir dann Überzahl? Und umgekehrt eben auch: Hat der Gegner Muster beim Rausspielen? Welche, und wie pressen wir effektiv dagegen?

Heißt natürlich: Sie trainieren Ihre Abstöße auch?

Stamm: Ja. Grundsätzliche Abläufe und Positionen im Spielaufbau im hinteren und mittleren Spielfelddrittel trainieren wir in der Saisonvorbereitung und danach immer mal wieder: als Team, in Gruppen und torwartspezifisch. Vor Spielen lassen wir in der Regel zudem zwei, drei spezifisch gegnerbezogene Varianten üben. Möglichkeiten gibt’s unzählige: Bleiben die Außenverteidiger flach oder gehen sie hoch? Kommen die Sechser entgegen, um ein Loch vor unserem Neuner zu ziehen? Führt ein Innenverteidiger den Abstoß zum Torwart aus, und welche Lösungen bieten sich an, wenn der angelaufen wird? Immer von Vorteil  ist es natürlich, Abstöße so schnell auszuführen, dass der Gegner noch nicht optimal positioniert ist.

Interview: Timo Tabery und Uli Fuchs

Foto: Stephan Eckenfels

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.

 

 
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