"'s isch ä Traum"

Verein
28.09.2024

Nach seinem ersten Abstieg 1997 steigt der Sport-Club im Folgejahr direkt wieder auf. Mit Vertrauen in eine Idee und ohne die handelsübliche Trainerentlassung. Das ist nicht nur erfolgreich, sondern gibt ein Muster vor. Ein Bild und seine Geschicht - erzählt von Andreas Bornemann. 

Wow, ich kann mich sogar noch ganz gut erinnern an dieses Spiel. Obwohl jetzt schon mehr als 26 Jahre vergangen sind, seit jenem Juniabend in Wattenscheid. Zu sehen sind hier wir Spieler von der Bank, während wir auf den Schlusspfiff warten. Nicht zu vergessen natürlich: unser Busfahrer Stefan Spohn (ganz links; d.Red.), der den Sport-Club ja immer noch kutschiert, und Uwe Vetter (5.v.l.; d.Red.), der rechts neben mir steht und bis heute als Physio für den SC arbeitet.

Mit gutem Grund sehnen wir da im vorletzten Saisonspiel den Abpfiff herbei: Mit dem 4:1-Auswärtssieg bei der SG Wattenscheid stehen wir nämlich vorzeitig als Aufsteiger fest – aber nur weil der FC Gütersloh ein paar Sekunden davor in Cottbus gegen Energie den 2:2-Ausgleich kassiert hat. Die Westfalen waren zu diesem Zeitpunkt tatsächlich unser hartnäckigster Konkurrent um den Aufstiegsplatz, auch wenn sie dann am letzten Spieltag noch auf Rang fünf zurückfielen. Wir blieben Zweiter, drei Punkte hinter Eintracht Frankfurt und zwei vor dem 1. FC Nürnberg, der direkt mitaufstieg, weil es noch keine Relegation gab.

Für den Sport-Club und seine, ich nenne das mal Unternehmenskultur, war es ein – ich glaube bis heute – wichtiges Jahr. Im Mai 1997 waren wir erstmals aus der Bundesliga abgestiegen. Der Verein hatte aber – nicht handelsüblich – am Trainerteam festgehalten. Einen großen Umbruch gab es in der Mannschaft. Dabei kamen Spieler, die den SC dann über Jahre hinweg prägten: Alexander Iashvili (2.v.r.) etwa, dem man auf dem Foto ansieht, dass er gerade mal 19 Jahre alt war, als er im Oktober davor nach Freiburg gewechselt war. Oder Levan Kobiashvili, der dann im Januar zu uns stieß. Und Mehdi Ben Slimane (5.v.r.) und natürlich Zoubaier Baya, der in Wattenscheid das vorentscheidende 3:1 für uns erzielte. Per Elfmeter zur Führung traf übrigens Marco Weißhaupt, der Vater von Noah, der jetzt für den SC stürmt. Aber, wie gesagt, wichtiger in diesem Jahr war für den Sport-Club, dass ein Muster vorgegeben wurde: das Muster, auch in schwierigen Zeiten und selbst bei einem Abstieg an einer Idee festzuhalten, einem Konzept – wenn es trotz des kurzfristigen Misserfolgs für tragfähig angesehen wird. Nicht nur mit Volker Finke hat man das dann ja ein weiteres Mal erfolgreich praktiziert, sondern auch mit Christian Streich als Trainer viel, viel später noch einmal.

Für mich hatte Volker Finke den Begriff des „Standby-Profi“ erfunden. Ich spielte eigentlich in der Zweiten, sollte mithelfen, die Strukturen auch dort zu professionalisieren, während mein Fokus schon über die Aktivenzeit hinausging und ich in Basel Betriebswirtschaft studierte. Trotzdem rückte ich bei Verletzungen oder Sperren immer mal wieder in den Profikader oder trainierte oben mit. Deshalb durfte ich auch diesen Aufstieg in Wattenscheid miterleben, inklusive der wunderbaren Szene, als unser Keeper Timo Reuss, von den Fans bis auf die Unterhose ausgezogen, nach dem Spiel in bestem Südbadisch in die Kamera sagte: „Mir sind oft gschtolpert un immer wieder ufgschtande – ´s isch ä Traum.“

Aufgezeichnet von Uli Fuchs

Bildunterschrift: Warten auf den Aufstiegsjubel (von links): Stefan Spohn (Busfahrer), Jörn Schwinkendorf, Torben Hoffmann, Andreas Bornemann, Uwe Vetter (Physiotherapeut), Marouene Guezmir, Mehdi Ben Slimane, Thomas Herz, Ralf Kohl, Alexander Iashvili, Dietmar Hummel (Ersatztorhüter)

Andreas Bornemann ist Geschäftsleiter Sport beim FC St. Pauli, war beim SC (1988 bis 2007) Spieler, Leiter der Fußballschule und Manager. 

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.

 
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