Die Spiele SC Freiburg gegen Union Berlin waren im ersten Bundesligajahr der Köpenicker sehr speziell. Weil Union-Trainer Urs Fischer „eklig“ spielen lassen wollte, und der Sport-Club mit dem Stil der Unioner zunächst nicht gut zurecht kam. Ein Bild und seine Geschichte, erzählt von Christoph Biermann.
Das Foto von Urs Fischer und mir ist 2019 bei einer für Kiebitze offenen Trainingseinheit von Union Berlin entstanden. Viele dachten damals, ich wäre der neue Mannschaftsarzt. Tatsächlich habe ich die Mannschaft von Union in ihrer ersten Bundesligasaison 2019/2020 hinweg eng begleitet, um ein Buch darüber zu schreiben (Christoph Biermann: Wir werden ewig leben, Mein unglaubliches Jahr mit dem 1. FC Union Berlin; d.Red.) Daher war ich in Mannschaftsbesprechungen dabei, in Trainingslagern, auf Auswärtsreisen und eben auch auf dem Trainingsplatz. Und immer, wenn ich dabei war, musste ich dann wie auch auf dem Foto die sogenannte „Rudelkleidung“ tragen. Was total gut war, du gehörst einfach dazu, wenn du das anhast.
Urs Fischer habe ich in diesem Jahr als außergewöhnlich guten Trainer kennengelernt, der im besten Sinne pragmatisch ist. Was für mich heißt: Er versteht es, mit den Spielern, die ihm zur Verfügung stehen, das Maximum herauszuholen. Es war ja weder abzusehen, dass diese Mannschaft so souverän die Klasse halten, geschweige denn danach diesen absolut wahnwitzigen Höhenflug antreten würde. Dass all das so kam, hatte und hat für mich integral mit Urs Fischer und seiner Arbeit zu tun.
Wie auch, dass die Spiele gegen den SC Freiburg in diesem ersten Jahr wirklich speziell waren. Urs wollte immer, wie er das nannte, „eklig Fußball spielen“. Die Freiburger kamen damit zunächst so wenig zurecht, dass sich schnell eine richtige Rivalität abzuzeichnen begann. Schon als sie im Oktober das erste Spiel in Berlin 0:2 verloren hatten, verschwand Christian (Streich), den ich aus zahlreichen früheren Begegnungen gut kannte, Türen schlagend in den Kabinen.
Als Union dann zehn Tage später in Freiburg auch im Pokal 3:1 gewann, war danach im Spielertunnel des Dreisamstadions wirklich die Hölle los. Ich stand in der „Rudelkleidung“ des Feindes da rum, Christian stürmte wütend an mir vorbei, und Jochen (Saier) sagte in einem Ton maximaler Gereiztheit: „Muss ich dir jetzt auch noch gratulieren!?“
Das Stadion weggedacht, hätte es für mich auch ein etwas aus dem Ruder laufender Nachmittag in der Kreisklasse sein können, inklusive der teils vor Freude, teils aus Wut immer noch wild herumschreienden Spieler beider Mannschaften.
Ich war dann in dieser Saison nochmal mit Union in Freiburg, im März, also vor ziemlich genau fünf Jahren. Auf dem Platz gab es dieses Mal ein unaufgeregtes 3:1 für den Sport-Club, der inzwischen gelernt hatte, mit der Ekligkeit von Union umzugehen.Besonders war an diesem Tag etwas ganz anderes. Ohne dass die weltgeschichtlichen Folgen nur annähernd klar waren, stand schon alles unter den SARS-CoV-2-Vorzeichen, und vier Tage später wurde dann auch tatsächlich die Bundeliga-Saison wegen Corona unterbrochen. Ich weiß gar nicht mehr warum, aber ich war vor dem Spiel in einer vollgepackten Straßenbahn zum Stadion gefahren. Und ich erinnere mich noch bis heute an mein mulmiges Gefühl, als ich dachte, ich könnte mich dort möglicherweise mit einer lebensbedrohlichen Krankheit infizieren.
Es war echt eine verrückte Zeit. Mit Corona. Aber eben auch dieses Jahr, das ich mit Union Berlin verbracht habe. Weil es einerseits einfach sehr viel Spaß gemacht hat, aber auch weil ich halt nochmal so viel über Fußball gelernt habe. Über Fußballspieler, über Trainer, über die Arbeit und die Atmosphäre. Die größte Befürchtung, die ich vorher hatte, war, dass ich die Leute doof finden würde, langweilig, überheblich, zynisch, Geldsäcke – und was weiß ich, was ich noch so an Vorurteilen gegenüber Menschen im Profigeschäft im Hinterkopf hatte. Jedenfalls habe ich die komplett gegenteilige Erfahrung gemacht. Ich habe die alle wirklich gemocht. Klar, die einen noch ein bisschen mehr und die anderen ein bisschen weniger. Aber auf jeden Fall so, dass ich im Nachhinein sogar sagen würde, dass es das Schönste gewesen ist, was ich in meinem Berufsleben bislang gemacht habe.
Aufgezeichnet von Uli Fuchs
Foto: Imago Images
Bildunterschrift: Christoph Biermann ist Chef-Reporter des Fußballmagazins 11Freunde und begleitete Union Berlin über die Saison 2019/20 für ein Buchprojekt.
Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.