Marcel Burger, Teamleiter Social Media & Club-TV des Sport-Club, spricht in der aktuellen Heimspiel-Ausgabe über den Ausstieg aus X und neue KI-unterstützte Wege zur Eindämmung von Hass und Hetze in den sozialen Netzwerken.
Herr Burger, im November vergangenen Jahres hat der SC Freiburg seinen Ausstieg aus X, vormals Twitter, verkündet. Die Plattform radikalisiere sich immer mehr und es mache sich dort eine „Flut von Hass, Hetze und Verschwörungstheorien bemerkbar“, hieß es in der Begründung. Wie wurde dieser Schritt von der SC-Community aufgenommen?
Burger:Allgemein sehr positiv und mit viel Verständnis. Natürlich gab es auch Kritik daran, aber diese Kommentare kamen größtenteils von Usern, die gar nicht Teil der SC-Community sind. Für uns war der Ausstieg eine logische Konsequenz nach einer aus unserer Sicht extrem unguten Entwicklung der Plattform. Hasskommentare bestimmten durch hohe Reichweiten die Feeds, letztlich fing auch Betreiber Elon Musk selbst damit an, vermehrt rechtsextreme Inhalte zu posten, gegen Minderheiten zu hetzen, aktiv Hass zu schüren. Das war für uns als SC Freiburg mit unseren Wertvorstellungen von Vielfalt und Toleranz nicht mehr tragbar.
Und doch wollte der Sport-Club seine Follower von der Plattform X nicht im Regen stehen lassen.
Burger:Wir hatten auf X eine sehr aktive SC-Community, knapp 300.000 Follower, obwohl Followerzahlen nicht immer ganz repräsentativ sind, da nicht alle Follower echt sind. Auch wenn nur ein Bruchteil der Follower aktiv dabei war: Diese SC-Fans kommentierten und diskutierten oft und lebhaft. Daher wollten wir das Angebot nicht ersatzlos streichen, sondern haben sie eingeladen, uns stattdessen auf unserer neuen Präsenz auf Bluesky zu folgen.
Was unterscheidet Bluesky von X?
Burger:Bluesky erinnert in seiner Funktionsweise an Twitter der früheren Jahre. Das Wichtigste für uns: Es herrscht dort im Ton eine sehr viel offenere und freundlichere Atmosphäre.
Noch am Tag des X-Ausstiegs begrüßte der SC Freiburg mit seinem ersten Post auf Bluesky: „Salli! Sind SC-Fans hier?“. Und, sind sie?
Burger: Unter den ersten 1.000 Followern auf Bluesky waren viele bekannte SC-User aus anderen Plattformen dabei. Derzeit stehen wir bei fast 5.000, die uns folgen. Das ist natürlich im Vergleich zu X oder anderen Plattformen noch eine sehr kleine Anhängerschaft, dennoch ist die Interaktion dort verhältnismäßig hoch, wenn man auf die Zahlen zuvor auf X blickt. Wir sind gespannt auf die Entwicklung und freuen uns auf viele weitere SC-User, die Bluesky für sich entdecken.
Es mangelt nicht an Alternativen, um auf sozialen Medien über den SC Freiburg informiert zu werden.
Burger: Auf sieben Plattformen ist der Sport-Club aktuell aktiv: auf Facebook und Instagram, auf TikTok und Bluesky, auf LinkedIn sowie YouTube und Twitch.
Viel Arbeit für ein dreiköpfiges Social-Media-Team …
Burger: Es wird nicht langweilig (lacht). Aber wir werden auch noch von weiteren Personen aus dem Verein unterstützt. Bei Instagram, aktuell wohl die wichtigste Plattform für uns, haben wir neben dem Hauptkanal viele weitere Kanäle: für den Frauen- und Mädchenfußball, für die Freiburger Fußballschule, für das eFootball-Team, seit jüngstem einen auch für den Bereich Nachhaltigkeit. Diese Kanäle betreuen und bespielen die einzelnen Bereiche und Abteilungen selbst, mit Unterstützung von uns aus dem Social-Media-Team.
Weitere Unterstützung erhält das Social-Media-Team seit neuestem von einer Künstlichen Intelligenz. Um Hass und Hetze in den sozialen Medien einzudämmen, kooperiert der Sport-Club mit dem Freiburger Startup Penemue, das eine entsprechende KI-Software entwickelt hat. Wie funktioniert das genau?
Burger:Zunächst möchte ich noch mal betonen, dass die SC-Community auf unseren verschiedenen Plattformen sehr lebendig und auch sehr positiv kommuniziert. Dennoch finden sich dazwischen immer wieder vereinzelt Kommentare, die beleidigend sind, diskriminierend, frauenfeindlich, antisemitisch – Beiträge, die eindeutig Grenzen überschreiten. Solche Kommentare wollen wir als SC Freiburg nicht tolerieren, auch nicht auf unseren Social-Media-Kanälen. Besonders in Zeiten hohen Kommentaraufkommens war es in der Vergangenheit sehr schwierig bis unmöglich, all diese Kommentare im Blick zu haben. Nun übernimmt das KI-Programm die Überprüfung, scannt die einzelnen Beiträge, übermittelt uns in Echtzeit Kommentare, die Hass und Hetze beinhalten könnten. Diese schauen wir uns dann an und entscheiden, ob wir sie ausblenden oder nicht.
Diese Entscheidung dürfte nicht immer leichtfallen, ist der Grat zwischen Tolerierbarem und Verletzendem doch häufig sehr schmal.
Burger: Wir haben als Verein die Grenze hoch angesetzt. Die Sprache kann rund um einen Fußballplatz auch mal etwas rauer werden. Das richtige Maß zu finden, ist daher auch eine der größten Herausforderungen: Was lassen wir laufen, weil es Teil einer hitzigen Diskussion ist? Wann ist eine Grenze überschritten, sodass wir eingreifen müssen? Wichtig: Wir wollen auch weiterhin in den Kommentarspalten jegliche Kritik zulassen – nur darf sie in ihrer Wortwahl niemanden beleidigen oder gar bedrohen. Die KI lernt peu a peu dazu, welche Kommentare sich für uns als SC Freiburg im Rahmen des Sagbaren bewegen und welche nicht.
Schreitet bei etwaigen Hass-Kommentaren bisweilen auch die aktive SC-Community selbst ein, um diesen etwas entgegenzusetzen?
Burger:Es ist fantastisch zu sehen, wie die SC-Community mehrheitlich auf Kommentare reagiert, die Grenzen überschreiten. Auf beleidigende Kommentare, die häufig von Nutzern stammen, die keine regelmäßigen Follower des SC Freiburg sind, reagiert die Community sehr oft mit positiven Gegenstimmen. Das hat etwas sehr Geschlossenes und auch Regulierendes.
Sie arbeiten seit knapp sechs Jahren beim SC Freiburg und haben das Thema Social Media in den ersten Jahren zunächst allein betreut. Was muss man mitbringen, um Social-Media-Redakteur zu werden?
Burger:Die meisten Social-Media-Redakteure bei Sportvereinen produzieren Inhalte selbst und haben daher häufig einen journalistischen Background. Ich zum Beispiel habe Medien mit Fachrichtung Sportjournalismus und Sportmanagement studiert. Ausschlaggebend sind verschiedene Fähigkeiten: im Texten, beim Videodreh und im Schnitt, beim Fotografieren, bei der Bildbearbeitung, in der Erstellung von Inhalten für verschiedene Plattformen. Jede Plattform hat ihre spezifische Zielgruppe. Deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, welcher Inhalt zur jeweiligen Plattform passt.
Bei TikTok beispielsweise tummelt sich ein recht junges Publikum, das eher kurze, schnell getaktete Inhalte konsumiert. Da sind die Anforderungen an die Inhalte sicherlich ganz andere, als bei Usern, die ausführliche Informationen suchen.
Burger:Wir spielen die meisten Themen auf allen Plattformen aus, wenn auch in unterschiedlicher Aufmachung. Wichtig ist immer, dass wir uns als SC Freiburg auf den Plattformen möglichst authentisch präsentieren, um Leute zu begeistern, sie zu emotionalisieren – und letztlich wollen wir sie damit auch an den Verein binden. Wir haben den Anspruch, dass unsere Inhalte nicht nur Reichweite erzielen und Interaktion hervorrufen, sondern auch zum SC Freiburg passen und auch mal seine Werte transportieren. Da sollte man jetzt nicht jeden einzelnen Post auf die Goldwaage legen, aber die Grundausrichtung muss stimmen.
Die digitale Medienwelt könnte sich kaum schneller drehen, ständig ploppen neue Plattformen auf. Lässt sich dennoch etwas über die Wege sagen, die der Sport-Club in Zukunft beschreiten will?
Burger:Das ist letztlich eine Frage des Nutzens und der Machbarkeit. Auf welchen Plattformen können wir neue User erreichen und für den SC Freiburg begeistern, welche personellen Ressourcen hätten wir dafür zur Verfügung? Wie sich die sozialen Medien in den nächsten Jahren entwickeln werden, ist aktuell vermutlich schwerer vorherzusagen denn je. Wir werden diese Entwicklungen weiterhin genau beobachten. Mit den Kanälen, die wir aktuell bespielen, sehe ich uns aber sehr gut aufgestellt.
Interview: Christian Engel und Alex Roth
Foto: Arne Amberg
Bildunterschrift1: Instagram, Bluesky, TikTok und Co.: Auf insgesamt sieben Social-Media-Plattformen ist der SC aktiv. Für die verschiedenen Inhalte ist das mittlerweile dreiköpfige Team Social Media & Club-TV zuständig, bestehend aus Tobias Almer, Marco Schmittner und Marcel Burger (Foto, von links). Zum nächstmöglichen Zeitpunkt sucht das Team einen neuen Social Media Redakteur/Multimedia Producer (m/w/d) - hier geht's zur Jobausschreibung.
Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.