In der kleinen Heimspiel-Taktik-Schule erklärt Bernhard Weis, Trainer der U19-Junioren, was Talente für welche Positionen prädestiniert – und warum es nicht nur hilft, sondern wichtig ist, auch in anderen Rollen geschult zu werden.
Herr Weis, woran erkennt ein Trainer bei Nachwuchstalenten, auf welcher Position sie spielen sollten?
Weis: An ihrem Spielerprofil, also ihren athletischen, technischen und kognitiven Fähigkeiten. Außenspieler brauchen in der Regel Tempo und sind im Spiel eher linear ausgerichtet. Zentrumsspieler brauchen Rundumorientierung und Spielverständnis. Sie können eher auch mal außen spielen als Außenspieler innen. Offensivspieler müssen wiederum auch mal frech etwas Verrücktes wagen, Verteidiger eher verlässlich sein et cetera.
Entspricht das meist dem Charakter der Spieler? Oder ist ein gewissenhafter Sechser außerhalb gern mal der größte Hallodri?
Weis: Nach meiner Erfahrung eher Ersteres.
Wann im Heranreifen eines Spielers zeichnet sich die für ihn optimale Position ab?
Weis: Die Position verfestigt sich meist etwa in der U17, wobei der Spieler dann auch immer noch auf eine benachbarte Position rutschen kann – und das auch können sollte. Ein Innenverteidiger sollte also auch Sechser oder Außenverteidiger spielen können. Aber ein Mittelstürmer wird dann – bei aller Phantasie, die man als Trainer haben muss – eher nicht mehr zum Innenverteidiger. Wobei ich hier mit allem nur für den Jungsbereich sprechen kann, ob es bei Mädchen Unterschiede gibt, weiß ich nicht.
Im Kinderfußball starten die Jüngsten noch mit Kleinfeldspielen ohne feste Positionen. Die U7 etwa spielt Drei gegen Drei.
Weis: Man versucht hier quasi den früheren Straßenfußball nachzubilden, damit die Kinder mit Spaß ständig Ballaktionen haben, also dribbeln, schießen und Zweikämpfe führen, und so diese Basisfähigkeiten stetig verfeinern, bevor es überhaupt um bestimmte Positionen auf dem Feld geht. Im weiteren Ausbildungsverlauf ist uns dann wichtig, dass die Spieler vor dem U16-Alter jede Position mal gespielt haben. Wollen wir dann etwa vom U17-Verteidiger, dass er mutig andribbelt und offensiv torgefährlich wird, profitiert er davon, dass er auch mal Stürmer war. Genauso kommen dem Stürmer, der defensiv mitackern soll, frühere Erfahrungen als Verteidiger zugute.
Aber sobald klar ist, wo ein Jugendtalent am besten aufgehoben ist, sollte man es auch konsequent dort sich einspielen lassen, oder?
Weis: Je nach individuellem Spieler kann es sinnvoll sein, ihn – vorerst – auch noch auf anderen Positionen einzusetzen. So lernt er, sich dort noch besser in seine Mitspieler dort einzufühlen und somit etwa einzuschätzen: Wie muss ich als Innenverteidiger den Sechser oder Außenverteidiger anspielen, um es ihm leicht zu machen? Natürlich erklärt man ihm das als Trainer auch theoretisch. Aber das Einfühlen in den Nebenmann fällt deutlich leichter, wenn du seine Rolle auch selbst erlebt hast. Andererseits ist die Frage immer: Auf welcher Position werden Fähigkeiten, die beim jeweiligen Spieler noch verbesserungswürdig und für seine eigentlich optimale Position auch wichtig sind, besonders eingefordert und geschult? Einen hochtalentierten Innenverteidiger, der aber noch griffiger werden sollte, kannst du somit erstmal noch als Sechser ins Zentrum vorschieben, wo er ständig in Duelle verwickelt wird …
… oder auch mal unter Rundum-Gegnerdruck angespielt wird.
Weis: Oder nehmen wir einen Außenstürmer, der – etwa wenn er ballfern steht – nicht immer wachsam ist: Ihm kann eine Versetzung auf die Zehn oder Acht gut tun. Mehr im Zentrum des Geschehens zu spielen, kann ihm helfen, quasi immer „on fire“ zu sein – eine Fähigkeit, die meines Erachtens im modernen Fußball immer entscheidender wird: Bin ich „angeknipst“ und habe somit einen Gedankenvorsprung? Bin ich wach und so positioniert, dass ich in drei, vier Sekunden da bin und ins Spiel eingreifen kann?
Was braucht ein Jugendspieler noch, um im Profifußball anzuklopfen?
Weis: Ein, zwei Stärken, die ihn abheben, besonders machen, sind enorm hilfreich. Zudem sollte er kritikfähig sein. Wir als Trainer zeigen ihm seine Stärken auf und setzen ihn so ein, dass er sie optimal nutzen kann. Aber wir sagen ihm auch, was er verbessern muss, und fordern das – wenn nötig – auch immer wieder ein.
Interview: Timo Tabery und Uli Fuchs
Foto: SC Freiburg; Bildunterschrift: Bei den Kleinsten wichtig: Dribbeln und Ballerobern im Eins-gegen-Eins
Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist.