SC-Vorstand Oliver Leki spricht im Interview über die neue Saison und die verpasste dritte Europapokalqualifikation. Außerdem erklärt er, wie der Verein mit dem Wachstum der vergangenen Jahre und gestiegenen Erwartungshaltungen umgeht – und was er von neuen Zielformulierungen hält.
Die Zeit ohne Fußball war in diesem Sommer kürzer als sonst. Wie haben Sie die Europameisterschaft im eigenen Land erlebt, Herr Leki?
Leki: Auch wenn wir uns alle gewünscht hätten, dass die deutsche Nationalmannschaft länger im Turnier bleibt, war es insgesamt eine sehr gelungene und stimmungsvolle Europameisterschaft. Die deutsche Nationalmannschaft hat sowohl sportlich als auch mit ihrem sympathischen Auftreten viele Menschen begeistert. Ich war selbst bei einigen Spielen im Stadion mit dabei und fand es beeindruckend, wie ausgelassen und friedlich Zehntausende von internationalen Fans gemeinsam in den Austragungsstädten gefeiert haben. Es ist bemerkenswert, welche verbindende Kraft der Fußball für ein ganzes Land und auch für Europa haben kann.
Eine Woche vor dem EM-Finale kamen 5.000 SC-Fans zum Trainingsauftakt des Sport-Club. Die Begeisterung der Fans für den SC Freiburg scheint auch nach der Sommerpause ungebremst, die Vorfreude auf die neue Saison groß zu sein.
Leki: Ja, das allgemeine Interesse am SC Freiburg ist weiterhin sehr hoch. Wir haben unseren Trainingsauftakt daher auch bewusst auf einen Sonntag ins Europa-Park Stadion gelegt, um vor allem Familien und Kindern die Möglichkeit zu geben, unser Profi-Team hautnah zu erleben. Viele Fans waren sicher auch gespannt, wie unser neuer Trainer Julian Schuster die Aufgabe mit seinem Team angeht. Wenn ein ehemaliger Spieler und Kapitän eine solche verantwortungsvolle Rolle übernimmt und dann noch auf jemanden wie Christian Streich folgt, dann ist das etwas Besonderes.
Was erwarten Sie von der anstehenden Spielzeit?
Leki: Grundsätzlich bin ich positiv gestimmt. Es ist uns zu einem frühen Zeitpunkt gelungen, mit Eren Dinkci und Patrick Osterhage zwei vielversprechende Spieler nach Freiburg zu holen. Außerdem haben wir wieder eigene Talente in den Profikader integriert. Und unser sportlicher Bereich arbeitet zudem weiter an Verstärkungen. Wichtig wird sein, dass wir gut in die neue Saison starten und alle Leistungsträger dabei sind, damit die Mannschaft mit dem neuen Trainer Stabilität und Sicherheit bekommt. Dann können wir wieder eine erfolgreiche Saison spielen, und das ist auch unser Anspruch.
Sie sind als Vorstand für die Finanzen des Vereins verantwortlich. Schmerzt es Sie nicht besonders, dass der Sport-Club in der kommenden Saison nicht ein drittes Jahr in Folge europäisch vertreten ist?
Leki: Sicher hätte auch ich gerne eine dritte Saison im Europapokal gespielt. Für uns alle – Spieler, Trainer, Mitarbeiter, Fans – waren es einfach tolle Erlebnisse. Wir arbeiten alle dafür, maximalen sportlichen Erfolg zu haben. Ein Verein, der regelmäßig europäisch spielt, wird in der Öffentlichkeit außerdem nochmal ganz anders wahrgenommen. Und klar hat die europäische Bühne erhebliche wirtschaftliche Relevanz und hilft darüber hinaus bei der Verpflichtung möglicher Neuzugänge. Insofern ist es natürlich ärgerlich, dass wir es nicht geschafft haben.
Auch ohne erneute Europapokalqualifikation ist die Außenwahrnehmung und damit auch die Erwartungshaltung in der Öffentlichkeit deutlich gestiegen. Zurecht?
Leki: Diese Erwartungshaltung haben wir uns ein Stück weit auch erarbeitet. Der SC Freiburg war in den vergangenen Jahren sportlich sehr erfolgreich, und wir sind in allen Bereichen gewachsen: Wir haben unseren Umsatz in den vergangenen vier Jahren verdoppelt. Das Europa-Park Stadion ist seit drei Jahren, seit dem Umzug, durchgehend im Heimbereich ausverkauft. Wir haben sowohl bei den Dauerkarten als auch im Businessbereich weiterhin lange Wartelisten. Und wir werden bei der Saisoneröffnung unser 70.000stes Vereinsmitglied begrüßen. Dass es angesichts dieser Entwicklung in der Öffentlichkeit und bei einem Teil der Fans diese Erwartungshaltung gibt, ist normal und auch okay. Zumal viele unserer Fans, die in den vergangenen Jahren neu dazugekommen sind, überhaupt nicht wissen, wie sich Abstiegskampf anfühlt. Wir können damit aber gut umgehen und wissen es richtig einzuordnen und in realistische Bahnen zu lenken.
Sportlich bewegt sich der SC Freiburg seit Jahren in sicherem Gefilde, mit dem Abstiegskampf hat der Sport-Club seit fünf Jahren nichts mehr zu tun. Wirtschaftlich verbuchte der Verein immer wieder neue Rekorde bei Umsatz, Jahresüberschuss und Eigenkapital. Wann rufen Sie als Vorstand neue Ziele aus?
Leki: Dafür gibt es aus meiner Sicht gar keinen Anlass. Ich kenne kaum einen Club, der erfolgreich war, weil er in der Öffentlichkeit große Ziele ausgerufen hat. Außerdem gibt es genügend warnende Beispiele, die zeigen, wie schnell es gehen kann, dass man sich an seinen eigenen Ansprüchen verhebt und unten reinrutscht. Wir sind über Jahre gut damit gefahren, einerseits realistisch zu bleiben und gleichzeitig fokussiert und hart daran zu arbeiten, uns zu verbessern. Und nur weil wir traditionell ein hohes Maß an Demut haben, heißt das nicht, dass wir nicht maximal ambitioniert sind.
Nach den Rekordwerten des vergangenen Jahres: Werden Sie bei der nächsten Mitgliederversammlung für das Geschäftsjahr 2023/24 wieder neue wirtschaftliche Bestmarken präsentieren?
Leki: Ich bitte um Verständnis, dass ich noch nicht ins Detail gehen kann. Wie es unsere Mitglieder gewohnt sind, werden sie als erstes darüber informiert. Aber ohne zu viel zu verraten: Wir werden wieder hervorragende Finanzzahlen präsentieren, die belegen, dass der Sport-Club auf einem stabilen und gesunden Wachstumskurs ist. Das ist die Grundlage dafür, dass wir uns sportlich weiterentwickeln und unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden können.
Einige Fans befürchten, dass sich der Sport-Club gerade durch sein großes Wachstum stark verändert und seine „Einzigartigkeit“ verliert. Teilen Sie diese Befürchtung?
Leki: Großes Wachstum bringt immer gewisse Veränderungen mit sich. Wir haben mittlerweile 70.000 Mitglieder. Und die Sichtweisen, wie unser Verein sein soll, sind verständlicherweise nicht einheitlich. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir uns als Verein treu bleiben. Uns darauf besinnen, was uns über Jahre stark und den SC Freiburg zum Sympathieträger in der Region und darüber hinaus gemacht hat. Darauf wollen wir weiter setzen und den Verein mit Augenmaß weiterentwickeln.
Welche Stärken sind das?
Leki: Der SC Freiburg ist seit Jahren bekannt für die erfolgreiche Aus- und Weiterbildung junger Spieler und für seine hohe Durchlässigkeit zwischen Nachwuchsbereich und Profis. Um nur zwei aktuelle Beispiele zu nennen: Dass wir im vergangenen Jahr mit Noah Atubolu einen damals 21-jährigen Freiburger Fußballschüler zur neuen Nummer eins gemacht haben und mit Julian Schuster nun ein ehemaliger SC-Spieler neuer Cheftrainer der Profis wurde, zeigt doch, dass wir unseren Weg fortführen – und das mit voller Überzeugung. Der SC Freiburg hat über viele Jahre eine große Kontinuität auf wichtigen Positionen aufgebaut, dadurch ist nicht nur eine hohe Identifikation, sondern auch ein gegenseitiges Vertrauen entstanden. Unsere Mitglieder und Fans können auch künftig sicher sein, dass wir sehr vernünftig mit den finanziellen Mitteln des Vereins umgehen. Und wir werden auch weiterhin mit voller Überzeugung in Nachhaltigkeitsprojekte investieren, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Laut SC-Nachhaltigkeitsbericht veranstaltet der Sport-Club jährlich mehr als 1.500 Sport- und Bewegungsprogramme für Kinder und Jugendliche, mehr als 30.000 Teilnahmen wurden pro Jahr gezählt. Derzeit entsteht in Landwasser das siebte Sport-Quartier in Freiburg. Sie müssten das alles nicht machen. Warum investiert der SC in diesem Bereich so viel?
Leki: Weil auch das Teil unserer Vereinsphilosophie ist und wir es als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung sehen. Unser Ziel ist es, allen Kindern in Freiburg Zugang zu Sport- und Bewegungsangeboten zu ermöglichen. Und dafür vernetzen wir KiTas, Schulen, Sportvereine und weitere soziale Einrichtungen im Rahmen der Sport-Quartiere miteinander, organisieren Sport- und Bewegungsprogramme und bieten Qualifizierungsangebote für Trainer/innen, Lehrer/innen oder Erzieher/innen an. Diese Angebote wollen wir gemeinsam mit unseren Partnern weiter ausbauen. Als Lokomotive für all diese Aktivitäten brauchen wir an der Spitze eine erfolgreiche Bundesliga-Mannschaft. Denn so ehrlich muss man auch sein: Ohne das Wachstum der vergangenen Jahre wäre das Engagement des Sport-Club in diesem gestiegenen Umfang nicht möglich gewesen.
Foto: SC Freiburg