"In Freiburg bin ich erwachsen geworden"

Verein
24.02.2025

Janina Minge spielte neun Jahre lang für den Sport-Club, bevor sie im Sommer 2024 zum VfL Wolfsburg wechselte. Noch im SC-Dress debütierte Minge in der Nationalmannschaft, zwei Jahre später wurde sie dort nun zur Vizekapitänin ernannt. Ein Gespräch über ihre Zeit in Freiburg. 

Janina, Du hast 186 Spiele für den Sport-Club absolviert, 164 davon in der Bundesliga. Würdest Du Dich mittlerweile als gestandene Bundesliga-Spielerin bezeichnen?

Janina Minge: Ich glaube schon, dass ich in der Bundesliga angekommen bin. Klar, ich bin noch nicht am Ende meiner Karriere, durfte aber dennoch schon auf viele Bundesliga-Spiele zurückblicken. Das kann sicherlich nicht jede Spielerin von sich behaupten. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich bereits mit 16 Jahren das Vertrauen beim Sport-Club bekommen habe. Wir hatten immer wieder Trainerwechsel und Umbrüche im Team, dennoch hat der Verein mir immer Zeit gegeben und an mich geglaubt.

Du warst jahrelang das Aushängeschild des SC, ein Eigengewächs. Im Sommer 2024 folgte der Wechsel nach Wolfsburg – wieso die Veränderung?

Minge: Ich denke, dass ich aktuell im besten Fußballalter bin. Mir ist der Sprung in die Nationalmannschaft gelungen – und da habe ich auch gemerkt, dass man immer so ein bisschen mehr will. Man spielt Fußball, um zu gewinnen, Großes zu erreichen und Titel zu holen. Das ist in Wolfsburg einfach ein realistischeres Ziel als beim SC, auch wenn wir zwei Mal im Pokalfinale standen und immer mal wieder auch oben anklopfen
konnten.

Erinnerst Du Dich noch gut an die Zeit als junges Mädchen, in der Du nach Freiburg gekommen bist?

Minge: Klar, ich war zu Beginn im Internat, kannte aber auch schon einige Mädels aus der Württemberg-Auswahl und den deutschen U-Nationalteams. Deshalb ist es mir von Anfang an recht leicht gefallen, nach Freiburg zu ziehen, auch wenn es ein bisschen vom Bodensee entfernt lag. Ich habe mich dort aber super aufgehoben gefühlt, es war die beste Entscheidung.

Was hat damals für den SC gesprochen – und was hat bis vor kurzem immer noch für den SC gesprochen?

Minge: Freiburg war einfach sehr familiär, ich hatte von Beginn an ein gutes Gefühl und musste nicht lange überzeugt werden. Das hat jahrelang – bis heute – immer perfekt gestimmt. Man geht in erster Linie zu einem Verein, um dort Fußball zu spielen. Mir persönlich ist es aber auch extrem wichtig, dass die Rahmenbedingungen und das Drumherum passen, damit ich mich wohlfühle. Das war in Freiburg schon ein Faktor, gerade auch nach dem Umzug ins Dreisamstadion. Freiburg ist meine Heimat geworden – ich habe da meine Freunde, habe dort auch jetzt noch meinen Job als Polizistin, von dem ich aktuell beurlaubt bin. Deshalb bin ich nach wie vor sehr verbunden mit der Stadt und dem Verein.

Während Deiner Karriere hast nicht nur Du Dich weiterentwickelt, sondern auch der Verein und die Abteilung selbst. Welche Schritte ist der Freiburger Frauenfußball gegangen?

Minge: Der größte Schritt war natürlich der Umzug ins Dreisamstadion. Das war essentiell wichtig für den Freiburger Frauenfußball. Aber auch drumherum hat sich sehr viel bewegt: Wir hatten zuletzt alles an einem Standort, konnten den gesamten Tag am Stadion verbringen, waren mit Betreuern und Physiotherapeuten gut versorgt. Auch das Ansehen ist gestiegen, die Zuschauerzahlen und das Interesse an der Mannschaft sind stark gewachsen. Das war früher anders.

Inwiefern?

Minge: Als 16-jähriges Mädchen war die schlechtere Infrastruktur damals nicht ausschlaggebend. Da war alles natürlich nochmal auf eine ganz andere Weise besonders, weil man gerade anfängt, seinen Traum zu
leben. Mit der Zeit wird man erfahrener, lernt andere Stadien kennen, spricht mit anderen Spielerinnen in den DFB-Auswahlen und bekommt schon mit, dass an anderen Standorten vielleicht mehr möglich ist. Der
Fußball und die Liga haben sich ja auch weiterentwickelt, daher war es zwingend notwendig, dass auch beim SC diese Entwicklung begonnen hat.

Wie hast Du Dich persönlich als Mensch in Deiner Zeit in Freiburg entwickelt?

Minge: Ich bin erwachsen geworden. Davor war ich immer zu Hause, in Freiburg habe ich eigenständig gelebt und war auf mich selbst angewiesen. Das beschleunigt natürlich die Entwicklung und das Erwachsenwerden. Ich würde auch sagen, dass das meinem Selbstbewusstsein gut getan hat. Das hat mich als Mensch definitiv weitergebracht.

Warum kann man auch in Freiburg Nationalspielerin werden, wie Du bewiesen hast?

Minge: Ich bin fest davon überzeugt, dass nicht nur der Sport auf dem Platz ausschlaggebend ist. Wenn es drumherum nicht so gut passt, kannst Du Deine Leistung nicht vollständig abrufen. In Freiburg habe ich mich immer wohlgefühlt – das war wichtig, um auch erfolgreich zu sein. Nur wenn wirklich alles stimmt, kann ich auch hundert Prozent auf dem Platz abliefern.

Was sind Deine wertvollsten Erfahrungen aus Freiburger Zeiten, wenn Du jetzt darüber nachdenkst?

Minge: Es gibt Phasen, da läuft es gut – und dann läuft auch alles automatisch gut. Und es gibt Phasen, da läuft es nicht gut´– und da kann man dann so viel machen, wie man will, und kommt nur schwer wieder raus. Da muss man dann weitermachen und nicht den Kopf in den Sand stecken. Denn es wird auch wieder bergauf gehen.

Was vermisst Du an Freiburg?

Minge: Natürlich meine engsten Freunde und meinen Freund. Meine Familie sehe ich auch seltener. In Freiburg waren die bei jedem Heimspiel dabei, der Weg nach Wolfsburg ist da schon deutlich länger, auch
wenn sie mich schonmal das eine oder andere Mal besucht haben. Freiburg mit der Dreisam hat natürlich auch seinen einzigartigen Flair.

Welche Unterschiede zum Sport-Club gibt es in Wolfsburg?

Minge: Bei den Bedingungen muss sich der SC sicherlich nicht mehr verstecken. Natürlich gibt es in Wolfsburg nochmal einen anderen Grad an Professionalität: Uns werden beispielsweise wöchentlich Werte abgenommen, um die Erschöpfung in der Muskulatur zu messen. Das liegt daran, dass wir im Normalfall einige englische Wochen spielen und der Stellenwert der Regeneration entsprechend hoch ist. Aber grundsätzlich waren beziehungsweise sind wir in Freiburg organisatorisch auch sehr gut aufgestellt.

Wie hat sich der SC professionalisiert und wo fehlt es noch zu den Spitzenteams?

Minge: Die infrastrukturellen Voraussetzungen sind in Freiburg mittlerweile wirklich top. Auf dem Platz ist es natürlich logisch, dass die Qualität in Wolfsburg höher ist – alles andere wäre ja überraschend. Die Trainings- beziehungsweise Wochengestaltung ist aber ähnlich wie in Freiburg, wenn wir von einer normalen Liga-Woche ausgehen. Freie Tage, Platztraining, Krafttraining, Doppeleinheiten – das kommt mir aus Freiburg alles bekannt vor. Der größte Unterschied ist sicherlich, dass hier alles auf Titel gepolt ist: Das merkst Du in jeder einzelnen Einheit, da ist nochmal – bei jeder Spielerin und jedem Trainer – mehr Feuer
drin und der absolute Wille, ein Spiel entscheiden zu wollen.

Wie erlebst Du die Entwicklung der Liga, aber auch des Frauenfußballs generell? Beim Nationalteam geht ja auch deutlich mehr als in den vergangenen Jahren?

Minge: Die vergangenen Monate waren sehr spannend. Zunächst war ich bei den Olympischen Spielen ja nur als Ergänzungsspielerin angedacht gewesen, jetzt habe ich das gesamte Turnier gespielt. Es ist extrem viel in kurzer Zeit passiert, sodass ich einiges auch noch gar nicht realisiert habe. Gefühlt war nicht nur die Entwicklung des Frauenfußballs in letzter Zeit rasant, ich durfte ebenso viel in wenigen Monaten mitmachen. Alles ist sehr aufregend, weil man auch als Spielerin mitbekommt, dass sehr viel investiert wird – sowohl durch die Vereine als auch durch den Verband und die Nationalmannschaft. Bei Länderspielen
haben wir eigentlich immer ausverkauftes Haus, es gibt immer mehr Highlightspiele in der Liga, das Interesse wird allgemein größer. Natürlich geht da zukünftig auch noch mehr, aber ich kenne den langen Weg, den
wir gekommen sind und weiß: Wir sind auf einem sehr guten Weg.

Sehen wir Dich nochmal in Freiburg?

Minge: Wenn wir mit dem VfL im Dreisamstadion zu Gast sind, auf jeden Fall (lacht). Die nächsten Jahre sehe ich mich natürlich hier in Wolfsburg, aber im Fußball sollte man niemals nie sagen. Ich könnte ein Buch darüber schreiben, was bei mir in den vergangenen Monaten alles passiert ist – da weiß man wirklich nicht, was am nächsten Tag kommt. Freiburg wird immer Heimat bleiben und ich habe dort auch weiterhin noch meinen Job als Polizeibeamtin. Nach heutigem Stand werde ich also sicherlich irgendwann zumindest wieder in die Stadt zurückkehren – alles andere wird sich zeigen.

Interview: Niklas Batsch

Foto: Imago Images

Dieses Interview erschien im Jubiläumsmagazin "Am Ball" zum 50-jährigen Gründungjahr der Frauenabteilung beim SC Freiburg. 

 
 
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