Borchardt: "Das hat den Verein geprägt"

Profis
12.05.2023

Jeder Klub hat seine Kultfiguren. Vor dem Spiel beim 1. FC Union Berlin kommt in Heimspiel eine der Legenden des nächsten SC-Auswärtsgegners zu Wort: Uwe Borchardt. 

Herr Borchardt, wir würden gerne über drei Begriffe sprechen, die Teil Ihrer Karriere waren, heute aber zu einer vergangenen Zeit gehören: DDR-Oberliga, Militärdienst, Intertoto-Cup. Fangen wir mit Ersterem an: 1975 waren Sie zu den Junioren von Union Berlin gewechselt, fünf Jahre später liefen Sie erstmals für die Profimannschaft auf. Ihre erste Saison endete direkt mit einem Ausrufezeichen.

Uwe Borchardt: Mit 17 Jahren war ich hochgezogen worden in den Männerbereich, ein Jahr später war ich Stammspieler. Und direkt in meiner ersten Saison, 1980/81, erzielte ich in 30 Spielen 20 Tore. Das war kein schlechter Start ins Profileben.

Es kam noch besser: In der darauffolgenden Saison gelang Union Berlin der Aufstieg in die DDR-Oberliga …

Borchardt … in die erste Liga des Ostens. Union pendelte damals häufig zwischen der DDR-Oberliga und der DDR-Liga, also der 2. Liga. Wir waren eine richtige Fahrstuhlmannschaft.

Warum blieb Union damals nicht mal länger in der oberen Etage?

Borchardt: Naja, das lag schlicht am damaligen System in der DDR. In der ersten Liga gab es sogenannte Schwerpunktklubs. Darunter waren BFC Dynamo Berlin, Dynamo Dresden oder Lok Leipzig. Diese Vereine waren die Aushängeschilder des Ostens, auch im internationalen Vergleich. Und diese Vereine wurden natürlich gegenüber anderen Klubs wie Hansa Rostock, Rot-Weiß Erfurt oder uns Unionern privilegiert. Die schnappten sich die besten Talente. Diese von den Schwerpunktklubs loszueisen, war nahezu unmöglich. Für uns kleinere Vereine bedeutete das: Wir mussten mit dem auskommen, was wir hatten. Ich muss aber zugeben: Das hatte schon was.

Wie meinen Sie das?

Borchardt: Na, Union war eben ein rebellischer Arbeiterverein, nicht zwingend der Liebling der Regierung. Mir hat das irgendwie gefallen, sich gegen Widrigkeiten durchbeißen zu müssen. Das hat den Verein geprägt, wie man heute noch sehen kann. Bei Union weiß man, wo man herkommt.

Und der Rest des Landes weiß, wo das aktuell hingeführt hat: nicht nur in die Bundesliga, sondern dort direkt in die oberen Tabellenregionen.

Borchardt: Das ist immer noch so unwirklich. Gefühlt waren wir vor paar Jahren noch in der Oberliga, jetzt sind wir plötzlich oben in der Bundesliga dabei. Der Verein tut gut daran, ein bisschen auf die Bremse zu treten, nicht größenwahnsinnig zu werden. Da sehe ich auch Parallelen zum SC Freiburg, wo man sich ebenfalls in der Bundesliga etabliert und stabilisiert hat. Und warum? Weil man am Boden geblieben ist – und das Beste aus dem macht, was man hat.

Das Beste haben Sie auch aus dem Militärdienst gemacht, zu dem Sie 1987 eingezogen wurden.

Borchardt: Damals gab es die Wehrpflicht in der DDR. Den Dienst musste jeder bis zur Vollendung seines 26. Lebensjahrs angetreten haben. Zehn
Tage vor meinem 26. Geburtstag haben sie mich eingezogen. Mein Glück war: Ich kam in die Sportkompanie. Und das war eine tolle Truppe, mit Menschen aus der ganzen DDR. Nach der sechswöchigen Grundausbildung mussten wir nicht mehr in der Botanik rumrobben, sondern konnten einfach die ganze Zeit trainieren und Fußball spielen.

Der Dienstantritt bedeutete aber gleichzeitig das prompte Ende bei Union Berlin.

Borchardt: Da konnte man nichts machen, das war einfach so. Aber ich kümmerte mich darum, meinen Wehrdienst in Dessau zu absolvieren – dort gab es den Klub Vorwärts Dessau, für den ich zwei Jahre lang in der DDR-Liga spielte. Das war eine tolle Zeit.

Noch mal zurück zu Union Berlin: Ein Highlight während Ihrer Zeit dürfte die Teilnahme am Intertoto-Cup – später bekannt als UI-Cup – gewesen sein.

Borchardt: 1986 spielten wir mit Union im Intertoto-Cup, weil wir zuvor in der Liga Siebter geworden waren – als Aufsteiger wohlgemerkt. Diese internationalen Spiele waren für uns natürlich Highlights, weil sie zum einen bedeuteten, sich mit anderen europäischen Mannschaften zu vergleichen, und zum anderen, einfach mal rauszukommen aus der DDR – und hinein ins "kapitalistische Ausland", wie es damals hieß. Wir fuhren nach Uerdingen, Lausanne und Lüttich. Beim letzten Spiel durfte ich jedoch nicht mit.

Wissen Sie weshalb?

Borchardt: Nein, über die Gründe kann ich bis heute nur Vermutungen anstellen. So war es eben in der DDR. Wie auch immer: Die Spiele waren auch für die Fans ein Highlight. Und sportlich für uns sowieso: weil wir alle drei Heimspiele gewannen, auswärts nur in Uerdingen verloren und am Ende Intertoto-Cup-Sieger wurden. Der erste internationale Titel für Union – und bis heute der einzige. Aber wer weiß, vielleicht kommt in den nächsten Jahren ja noch einer hinzu. Niemand hätte etwas dagegen, aber wie gesagt: erst Mal den Ball flachhalten.

 

Interview: Christian Engel

Dieser Text erschien erstmals in unserem Stadionmagazin "Heimspiel", das hier auch im Abo erhältlich ist

Foto: Imago Images

 
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